The Divine Comedy - Charmed life – The best of

Divine Comedy / PIAS / Rough Trade
VÖ: 04.02.2022
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Die Götter müssen entzückt sein
Nach über 30 Jahren Bandgeschichte gönnt sich Neil Hannon, das einzig feste Mitglied von The Divine Comedy, eine ausführliche Retrospektive auf sein bisheriges musikalisches Schaffen. Bereits 2020 war mit "Venus, Cupid, folly, and time: 30 years of The Divine Comedy" ein opulentes Boxset mit 24 (!) CDs erschienen, das neben allen zwölf bisherigen Studioalben auch zahlreiche B-Seiten und Raritäten enthält. Darauf folgt nun also das Best-of-Album "Charmed life", das immerhin 24 von Hannons eigenen Lieblingsstücken aus The Divine Comedys Diskografie herausgreift, ganz ohne Rücksicht auf Singles oder Chartserfolge. Die großzügige Spielzeit von über 90 Minuten ist hier keineswegs überzogen, schließlich lieferten quasi alle bisherigen Alben des Nordiren eine Vielzahl herrlicher Kammerpop-Preziosen.
Die Songs von The Divine Comedy zeichneten sich von Anfang an durch elegante und schwelgerische Arrangements aus, die oft sowohl an Burt Bacharach als auch an The Walker Brothers oder die komplexeren Stücke der Beach Boys erinnern. Über die langen Jahre hinweg blieb dieser Markenkern zwar erhalten, aber Hannons Stimme wurde noch voller, die Arrangements oftmals noch ausgeklügelter und die Songstrukturen komplexer, ohne je an Eingängigkeit zu verlieren. "National Express" ist eine schmissige, augenzwinkernde Hymne auf das Reisen mit dem staatlichen, britischen Busunternehmen, "Have you ever been in love" steht in der Tradition des Music-Hall-Sounds vom Anfang des 20. Jahrhunderts und "Absent friends" mit seiner den Streichersatz dramatisch in Szene setzenden Orchestrierung hätte jederzeit auch auf Alben von Jacques Brel oder Scott Walker seinen Platz gefunden.
Trotz dieser Melodieseligkeit und der reichen Instrumentierung tragen Hannons Texte mindestens ebenso viel zum Reiz dieser Songs bei. Ähnlich wie sonst vielleicht noch Jarvis Cocker auf den besten Alben von Pulp, gelingen ihm pointierte und manchmal zynische Porträts von Vertretern aller sozialer Schichten. Ob dies nun der verkaterte Geschäftsreisende in "Come home Billy Bird", die etwas verlebte "Lady of a certain age" ("You chased the sun around the Cote d'Azur / Until the light of youth became obscured") oder das desillusionierte Ehepaar "Norman and Norma" ist, das die verlorene Leidenschaft schließlich beim Nachstellen historischer Schlachten neu entdeckt.
Mit "The best mistakes" gibt es auch einen neuen Song, der sich mit seinen ABBA-Harmonien und dem versöhnlichen Rückblick auf die eigene Biografie als Begleitstück zum Titeltrack verstehen lässt. Ebenfalls biografisch ist das alle Register ziehende, musicalhaft-bombastische Highlight "Sunrise", in dem Hannon sich auf seine Jugend während der "Troubles" in Nordirland bezieht. Den betörenden Abschluss des Albums bildet "Tonight we fly", eine erhebende Hymne auf das Leben, mit deren letzten Zeilen auch nahezu jedes Konzert von The Divine Comedy endet: "If heaven doesn't exist / What will we have missed? / This life is the best we ever had". Dante Alighieris "Göttliche Komödie", nach der Neil Hannon sein Musikprojekt benannt hatte, ohne den Klassiker der Literaturgeschichte je gelesen zu haben, beschreibt eine Reise durch die Hölle, das Fegefeuer und schließlich das Paradies. Sein wunderbares Best-of "Charmed life" lässt sich ausschließlich als Teil von Letzterem verstehen.
Highlights
- A lady of a certain age
- Absent friends
- Everybody knows (except you)
- Sunrise
- Tonight we fly
Tracklist
- Charmed life
- National Express
- Norman and Norma
- Something for the weekend
- Songs of love
- The best mistakes
- At the indie disco
- Bad ambassador
- A lady of a certain age
- Becoming more like Alfie
- Come home Billie Bird
- Have you ever been in love
- Our mutual friend
- Generation sex
- How can you leave me on my own
- Perfect lovesong
- Your daddy's car
- You'll never work in this town again
- Absent friends
- Everybody knows (except you)
- The certainty of chance
- Sunrise
- To the rescue
- Tonight we fly
Gesamtspielzeit: 94:21 min.
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Referenzen
Scott Walker; Belle & Sebastian; Rufus Wainwright; The Walker Brothers; The Beach Boys; Michael Nyman; Pulp; Badly Drawn Boy; Richard Hawley; Teenage Fanclub; Noël Coward; Jacques Brel; Paul McCartney; Burt Bacharach; ABBA; God Help The Girl; Friedrich Sunlight; The Smiths; Teenage Fanclub; Aztec Camera; Tindersticks; Prefab Sprout; Ben Folds; Mercury Rev; The Go-Betweens
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