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Billy Talent - Crisis of faith

Billy Talent- Crisis of faith

Warner
VÖ: 21.01.2022

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Müssen nur glauben

Billy Talent waren lange Zeit vom Pech verfolgt: Nicht nur konnte Ur-Drummer Aaron Solowoniuk geplante Touren und die Aufnahmen zu "Afraid of heights" aufgrund seiner Erkrankung an Multipler Sklerose nicht wahrnehmen. Das Album fiel dann auch bei der Kritik weitestgehend durch, und die Arbeiten zum Nachfolger waren anschließend in höchstem Maße pandemiegebeutelt. So sind die Vorabsingles der sechsten Platte "Crisis of faith" teilweise schon seit mehr als zwei Jahren in der Umlaufbahn. Bei so viel Drama kommt der Albumtitel vermutlich nicht von ungefähr – Billy Talent aber schlagen der sich im mittlerweile dritten Corona-Jahr vermutlich auch bei den größten Frohnaturen anbahnenden Glaubenskrise dann doch ein Schnippchen. Und spielen zeitweise sogar äußerst befreit auf, wie sie es seit "Dead silence" nicht mehr hinbekommen haben.

"Forgiveness I + II" bestellt zunächst das Feld. Beinahe schon an Tool gemahnendes Riffing und ein Saxofon-Solo (!) enden in etwas, das man gut und gerne als die Billy-Talent-Variante von Prog-Rock bezeichnen könnte. Wenn man genau gehört, wird aber auch flott klar, dass das Saxofon eigentlich nur ein klassisches Ian-D'Sa-Solo paraphrasiert – allzu weit lehnt sich die Band aus Ontario nach wie vor nicht aus dem Fenster. Gehobener Band-Standard wie das mit einem an "Devil in a midnight mass" erinnernden Riff ausgestattete "Reckless paradise" unterstreichen die wenig überraschende Feststellung: Billy Talent haben ihren Sound schon vor Jahren gefunden und bleiben ihm treu. Möchtegern-Punk-Kracher wie "Judged" bräuchten sie sich gar nicht aus den Rippen leiern, denn die ehemaligen 2000er-Kids, die damals neben den Kanadiern auch mit Vorliebe Rise Against und Anti-Flag goutiert haben, sind mit ihnen mitgealtert (und finden heute auch das Saxofon bestimmt gar nicht so uncool).

Auch der Emo ähnlicher Jahrgänge erfreut sich auf "Crisis of faith" noch bester, kajalverschmierter und röhrenjeanstragender Gesundheit. Das aufbauende, wenn auch textlich etwas platt geratene "I beg to differ (This will get better)" wurde ausgekoppelt, um die elend lange Wartezeit zu versüßen und den alteingesessenen Fans eine Durchhalteparole an die Hand zu geben. "The wolf" schmeißt im gleichen Geiste die Streicher an, um eine Modern-Rock-Ballade zu kreieren, die ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Aus der Zeit gefallen ist auch Rivers Cuomo, welcher mit "End of me" schelmisch einen sonnigen Weezer-Song auf das Album geschummelt hat, der mehr weezert als Weezer selbst heutzutage weezern – natürlich garniert mit D'Sa-Riffs allerdings, und die Mischung zündet. Mit dickem Bier in der einen Hand und der anderen zur Faust geballt in der Luft passt Campingfreunden das hervorragend, wenn die Band hoffentlich bald wieder die Co-Headliner-Slots auf den großen deutschen Festivals beackern wird.

Komplettiert werden Billy Talent zum zweiten Mal von Alexisonfire-Schlagzeuger Jordan Hastings; auf Bandfotos posieren dieser und Solowoniuk nebeneinander. Für die nähere Zukunft wird dieser Flickenteppich vermutlich so bleiben, aber er dämmt und wärmt noch ausgezeichnet – allen Widrigkeiten zum Trotz bleiben Billy Talent eben eine Bank. Die auch fluffige Pop-Ohrwürmer wie "Hanging out with all the wrong people" noch hinbekommt, die an die ganz alten Granaten aus einer Zeit anknüpfen können, in der Alben noch pflichtbewusst durchnummeriert wurden. Gerade Frontderwisch Ben Kowalewicz, der das, wie manche sagen, Kreischen als ästhetische Kunstform etabliert hat, ist auch 2022 noch super in Schuss. Und hat er sich zuvor eigentlich jemals an Kopfstimme wie in "For you" gewagt? Hier darf D'Sa sogar ein bisschen Surf-Gitarre bringen – der seit jeher eng abgesteckte Billy-Talent-Kosmos kann sich dann eben doch so mancherlei Fremdartiges zu eigen machen. Was unterm Strich für eine zwar nicht revolutionäre, aber mehr als solide Alternative-Rock-Platte reicht. Krisensitzung erfolgreich – und willkommen zurück.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • Forgiveness I + II
  • Hanging out with all the wrong people
  • End of me (feat. Rivers Cuomo)
  • For you

Tracklist

  1. Forgiveness I + II
  2. Reckless paradise
  3. I beg to differ (This will get better)
  4. The wolf
  5. Reactor
  6. Judged
  7. Hanging out with all the wrong people
  8. End of me (feat. Rivers Cuomo)
  9. One less problem
  10. For you

Gesamtspielzeit: 36:45 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Mäkka

Postings: 2

Registriert seit 30.01.2022

2022-01-30 21:56:13 Uhr
Forgiveness machte Lust auf mehr. Doch beim erstmaligen Durchhören wurde ich diesbezüglich enttäuscht. Der Platte merkt man an vielen Stellen an, dass sie unter erschwerten Bedingungen (Lockdowns etc.) entstanden ist. Manche Bands können – und haben – das auch sicherlich trotzdem gut hinbekommen, meine Lieblingskanadier aber nicht so wirklich. So werde ich nach mehr als 16 Jahren «treuen, unzähligen und stets zufriedenen Hörvorgängen» gesamthaft ein klein wenig enttäuscht.

Milo

Postings: 171

Registriert seit 14.06.2013

2022-01-28 17:13:47 Uhr
Also da gebe ich mir tatsächlich lieber den Vorgänger. Da hat es hier und da auch mal geknallt - aber hier? Fehlanzeige.
Forgiveness I + II wäre ohne die zweite - absolut verzichtbare Hälfte - auch nur einer der Standardsongs. Saxophon hin oder her, aber wenn mit der Idee für den Rest des Albums nichts angefangen wird, ist das doch eher deplatziert. Der gepriesene Weezer-Songs ist halt nur ein mittelmäßiger Weezer-Song. Dann lieber "Hanging out ..."
Irgendwie wirkt die Platte auf mich wie eine seelenlose Ansammlung von B-Seiten. Vielleicht gab es vor 2 Jahren mal eine Idee für dieses Album. Die muss aber irgendwo verloren gegangen sein.

Croefield

Postings: 1717

Registriert seit 13.01.2014

2022-01-27 13:45:58 Uhr
Gut geschriebenes Review, allerdings gehe ich dann persönlich doch härter mit der Platte ins Gericht. Nach "Afraid of Heights" für mich tatsächlich halt doch noch tiefer in die Höhle der Belanglosigkeit, abgesehen von 3 guten Songs. Aber hey, wenn's noch Leuten gefällt, ist ja auch schön.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 10783

Registriert seit 23.07.2014

2022-01-27 13:37:56 Uhr
Die Lesercharts hier sind leider Quatsch, da sollte man nichts drauf geben. Die "Dead Silence" fand ich nach der schwächeren "III" eigentlich ziemlich cool, dieser Classic Rock Einfluss stand der Band überraschend gut und Hits gab es auch einige.

Grizzly Adams

Postings: 4521

Registriert seit 22.08.2019

2022-01-27 12:43:04 Uhr
Die User bewerten das Album mit 8/10. Keine Ahnung, wie viele hier ihr Voting bereits abgegeben haben, aber zunächst klingt das doch so, als würde die VÖ sich qualitativ nahtlos in alle anderen Werke einreihen...
Ich werde mal reinhören, aber mir sagte schon "Afraid of Heights" überhaupt nicht mehr zu. Und auch "Dead Silence" und "III" hatten für mich mehr schwache als starke Momente.
Zum kompletten Thread

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