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OG Keemo - Mann beisst Hund

OG Keemo- Mann beisst Hund

Chimperator / Groove Attack
VÖ: 07.01.2022

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Von der Hochhaustreppe aufs Siegertreppchen

Willst Du heutzutage Erfolg haben, musst Du Dich in der Promophase an gewisse Regeln halten. Alle zwei Wochen eine Vorabsingle releasen und dabei auf keinen Fall die zwei Features vergessen (Reichweite, neue Hörerschaften, ihr wisst schon). Einen medialen Beef inszenieren und gerne auch durch alle Podcast- und Videoformate tingeln. All das hat OG Keemo nicht gemacht. Im Laufe eines Jahres wurden drei Singles veröffentlicht. "Blanko", immerhin mit einem Part des Hamburger Rappers Kwam.E, der Track "Regen" begleitet durch einen Auftritt bei der prestigeträchtigen Colors-Show. Von Beef keine Spur, stattdessen beehrte er Layla in ihrem Video zu "Dichter". Er steuerte dort keine Zeile bei, sondern rasierte der Rapperin lediglich den Schädel. Und jetzt, im Januar 2022, kommt sein neues Album raus und er rasiert damit gleich ganz HipHop-Deutschland.

Es war ein langer Weg zum neuen Werk des Rappers, der bereits mit seinem Debütalbum "Geist" 2019 für Aufsehen sorgte. "Mann beisst Hund" sollte schon im Winter 2020 erscheinen, wurde mehrfach verschoben und nach dem geplatzten Release im Spätsommer letzten Jahres wurde es ruhig um einen neuen VÖ-Termin. OG Keemo meldete sich via Instagram-Post im November, schrieb vom Erwartungsdruck und vom eigenen Anspruch, etwas zu veröffentlichen, das es so noch nicht auf Deutsch gegeben habe. Und tatsächlich: Was er und sein Produzent Funkvater Frank nun vorlegen, ist ein so hochklassiges, dichtes Werk, wie es im Deutschrap Seinesgleichen sucht. Der Vorgänger bot schon eine dunkle, mystische Grundstimmung, "Mann beisst Hund" greift diese auf und intensiviert sie noch weiter. OG Keemo nimmt die Hörer*innen direkt im ersten Track "Anfang" mit in eine beklemmende Geschichte. Ein 17-Jähriger Karim Joel Martin, so OG Keemos bürgerlicher Name, begegnet bei seiner Ankunft in einer neuen Stadt Malik, einem zwielichtigen Typen "mit Feuermalen auf seinen Krähenhänden". Schnell wird klar: "Mann beisst Hund" ist voller Symbolik und Anspielungen, ein Album mit Konzept. Genauso wie die nicht existierende Promophase spricht das für eine Verweigerungshaltung gegenüber den modernen Marktmechanismen und schnelllebigen Hörgewohnheiten.

Funkvater Frank erschafft eine Atmosphäre wie in einem Noir-Streifen, die 808 wummert bedrohlich. Mal schraubt er einen finsteren Drillbeat, mal erinnern die Sounds an den harten US-Rap der Neunziger á la Mobb Deep oder Onyx. Die düstere Stimmung wird nur durch "2009" und den souligen Gesang des Newcomers Sumpa in "Petrichor" durchbrochen. Also nicht mit gleißendem Sonnenschein, aber doch immerhin mit dem Geruch von Regen auf sonnenverbrannter Erde. Der 29-Jährige liefert die Beschreibung eines kleinkriminellen Lebens am Rande der Gesellschaft, wie es wohl genau so in deutschen Problemvierteln wie Mannheim-Neckarstadt, Pforzheim-Oststadt oder eben Mainz-Lerchenberg, im Viertel des jungen Karim, stattfindet. Fern dem Glanz der Metropole, eingezwängt zwischen grauem Beton und trostlosem Plattenbau. Malik lebt dort, sein Bro Yasha und eben Karim. "Vögel" erzählt von diesem Leben auf der Hochhaustreppe, von dort wird gedealt oder der nächste Einbruch geplant: "Ich kann mich dran erinnern, guck, wir mussten uns verstecken / Doch der Keller roch nach Pisse, deshalb bufften wir auf Treppen / Mein Bro war Wochenende auf der Flucht vor dem Gesetz / Und montags back im Unterricht und hat gepusht auf der Toilette."

OG Keemo gelingt es, dieses Leben ohne Angeberei oder Übertreibung darzustellen, weder zu glorifizieren, noch zu geißeln. In "Regen" erzählt er vom nächtlichen Geldzählen, der kranken Liebe zur Feuerwaffe und dem Leben eines Einzelkämpfers: "Ich lach' alleine und ich heul' allein und jag' allein den Euroschein / Ich bin nicht mal enttäuscht, ich bin ein Wolf, ich brauch' keinen Freundeskreis." Den Absprung aus einem solchen Leben schafft man, wie in "Vögel" beschrieben, entweder wortwörtlich vom Hochhausdach oder eben durch das Fokussieren auf andere Fähigkeiten. Auch wenn man damit für die alte Gang vom harten Hund zur "Töle" wird. Und am "Ende" wird alles gut, mit dem Album und mit dem Leben irgendwie auch: "Ich hab' die Hände deines Großvaters, du sie wiederum von mir / Am Ende hat alles funktioniert / Und der ganze Stress aus vergangenen Jahr'n war's letztendlich wert." Zusammen mit Funkvater Frank hat OG Keemo sein ganz eigenes Erfolgsrezept gefunden. Die Treppe vorm Block hat er schon lange hinter sich gelassen. Mit "Mann beisst Hund" erklimmt er dieses Jahr wohl endgültig das Siegertreppchen im Deutschrap-Game.

(Andreas Rodach)

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Highlights

  • Anfang
  • Malik
  • Big boy
  • Vögel
  • Blanko (feat. Kwam.E)

Tracklist

  1. Anfang
  2. Civic
  3. Hund Skit
  4. Malik
  5. Big boy
  6. Vertigo
  7. Mann Skit
  8. Suplex
  9. 2009
  10. Petrichor (feat. Sumpa)
  11. Regen
  12. Sandmann
  13. Vögel
  14. Ziller (feat. Gianni Suave)
  15. Töle
  16. Blanko (feat. Kwam.E)
  17. Ende

Gesamtspielzeit: 53:14 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

kenny23

Postings: 506

Registriert seit 07.11.2013

2022-12-24 00:22:46 Uhr
Ah, nee, ist ne EP aus 2017

kenny23

Postings: 506

Registriert seit 07.11.2013

2022-12-24 00:18:12 Uhr
Ist da heute ein neues Album erscheinen? Neptun

Kojiro

Postings: 2967

Registriert seit 26.12.2018

2022-12-23 19:58:54 Uhr
@boneless: Naja, das beste Deutschrapalbum seit Jahren... eher nicht. Siehe mein Post weiter oben. Durchaus sympathisch, dass die Chemie stimmt und das Album wie aus einem Guss klingt, aber Keemo ist schlichtweg kein guter Rapper. Zudem fehlt ihm einfach Charisma sowie clevere Reime. Das Zeug, das Dilemma & Hiob in den letzten Jahren gemacht haben, war hinsichtlich Wortwitz, Cleverness, Performance und Beats schon sehr viel besser..

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3576

Registriert seit 12.12.2013

2022-12-23 19:42:10 Uhr
Phrasen raus: Musik ist kein Sport. Mir gehts bei Rap einfach darum, dass mich die Musik abholt, dass ich sie fühle. Ich meine das auch so, auch wenn das noch ne Phrase ist.

Keemo macht einfach Zeug, das so hart brennt wie lange nix. So Beats wie auf "Suplex" oder "Blanko" sind schon sehr geil. Und ich mag auch seine Art zu rappen. Bonus: Er und Funkmeister Frank sind sympathische Leute. Denen glaube ich noch, dass sie einfach das machen, worauf sie Bock haben.

boneless

Postings: 5293

Registriert seit 13.05.2014

2022-12-23 18:42:43 Uhr
Was ist das denn für ein blöder Rat? Und unfair hinzu, denn aktuell kommt so gut wie keiner an das ran, was Alchemist für bestimmte Rapper bastelt, egal ob Deutschland oder USA. Was im Umkehrschluss aber nicht heißt, dass Mann beißt Hund keine Klasse hat und nicht das beste Rap-Album aus Deutschland seit Jahren ist...
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