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Glasvegas - Godspeed

Glasvegas- Godspeed

Go Wow
VÖ: 02.04.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Auf Nachtfahrt

Trostreiche Erkenntnis: Glasvegas haben ein Herz für gesellschaftliche Randfiguren und ihre zwischenmenschlichen Verfehlungen. Die tief empfundenen Klagelieder der Schotten träumen stets davon, graue Arbeiterstädte gegen liebestolle Glückseligkeit und eine verheißungsvolle Zukunft einzutauschen. Obwohl es meist beim Träumen blieb, waren "The world is yours", "All I want is my baby" oder die Sozialarbeiterinnen-Hymne "Geraldine" hinreißend allesverschlingende Songs, die mit Schmackes gegen eine Wall of Sound nach Phil-Spector-Bauplan liefen und sich anschließend etwas verbeult, aber trotzdem schwer euphorisiert wieder aufrappelten. Ohne große Geste und ebensolches Schmerzkino geht bei James Allan und Kollegen nun mal nichts. Auch nicht auf Album Nummer vier, das der Frontmann erneut auf eigene Faust arrangierte und produzierte.

Acht Jahre nach "Later...when the TV turns to static" haben sich Glasvegas selbst von Major-Größe aufs eigene kleine Label heruntergeschrumpft, glauben aber auch ohne die ausgestiegene Schlagzeugerin Jonna Löfgren an sich selbst und vor allem an das Leben – siehe hierzu das Cover, auf dem ein sonnenbebrillter Allan Zeuge der Wunderheilung eines blinden Jungen auf den Straßen New Yorks wird. Und hätte der Frontmann seinen Demo-Laptop nicht 2018 in der U-Bahn liegengelassen, wäre "Godspeed" vermutlich bedeutend früher erschienen. Aber kaum schneidet das erste raumgreifende Riff durch die elektronische Rumpel-Grandezza von "Dive", sind Glasvegas wieder an der Schnittstelle von Shoegaze und stadiontauglichem Brit-Rock angekommen, wo auch die rüpeligsten Lads gerne eine Träne zerdrücken. Es wird nicht die einzige bleiben.

Die mit gekippten Existenzen und armen Teufeln bevölkerten Songs wirken dabei musikalisch so rührselig aus der Zeit gefallen, dass es im Grunde egal ist, wie lange der Vorgänger zurückliegt. Hauptsache, Glasvegas umarmen die Welt, auch wenn sie es nicht allzu gut mit ihren Protagonist*innen meint. Der kathedrale Gitarrenbögen errichtende Störgeräusch-Stampfer "Cupid's dark disco" etwa spielt nicht im schummrigen Club, sondern hinter der beschlagenen Windschutzscheibe eines untreuen Familienvaters, und "My body is a glasshouse (A thousand stones ago)" täuscht mit wallendem Piano erst ein gedecktes "Don't look back in anger" an, schlägt aber schnell ins Lamento einer äußerlich wie innerlich zerschundenen Sexarbeiterin um. Persönliche Höllen und preziöse Indie-Rock-Dramen, so weit das Auge hört – immer versiert, oft zum Steinerweichen.

Vereinzelte Experimente wie die zwei instrumentalen "Parked car"-Skizzen fallen bei dieser dicht inszenierten Nachtfahrt der Seele genauso wenig ins Gewicht wie der synthetische Spoken-Word-Krautwickel "Shake the cage (Für Theo)", der nahezu kosmisch Richtung Stratosphäre entschwebt. "Keep me a space" holt "Godspeed" nämlich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück – mit trotzig nuschelndem Gesang, der zielsicher auf die nächste emotionale Krise zusteuert, während eine ewige Melodie und paukende Drums im Stil der frühen The Jesus And Mary Chain Spalier stehen. Auch ein vorsichtig separatistisches "England, is this goodbye?" lässt sich Schotte Allan ganz zum Schluss nicht nehmen – wir hingegen begrüßen Glasvegas mit diesem Gefühlsbolzen wieder in den Reihen der britischen Bands, mit denen auch künftig zu rechnen ist.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Dive
  • Keep me a space
  • My body is a glasshouse (A thousand stones ago)

Tracklist

  1. Parked car (Exterior)
  2. Dive
  3. Dying to live
  4. Shake the cage (Für Theo)
  5. Keep me a space
  6. Parked car (Interior)
  7. Cupid's dark disco
  8. My body is a glasshouse (A thousand stones ago)
  9. In my mirror
  10. Stay lit
  11. Godspeed

Gesamtspielzeit: 38:07 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Autotomate

Postings: 6174

Registriert seit 25.10.2014

2022-01-05 08:39:36 Uhr
Ich werd's bei der Gelegenheit noch mal versuchen mit Glasvegas. Wobei ich das Plattencover – diese Wunderheilungs-Show als Hommage an "London Calling" (oder halt "Elvis Presley") inszeniert – gleich mal wenig einladend finde....

musie

Postings: 3997

Registriert seit 14.06.2013

2022-01-05 07:59:28 Uhr
für mich leider keine Perle... hatte das Album ziemlich bald nach der Veröffentlichung wieder weggelegt, mich hats nicht gepackt. das Debut ist immer noch eine grosse Perle.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27676

Registriert seit 08.01.2012

2022-01-04 19:56:03 Uhr - Newsbeitrag
Frisch verspätet rezensiert. Als "Vergessene Perle 2021".

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