Bo Burnham - Inside (The songs)

Bo Burnham / Imperial / Rough Trade
VÖ: 10.06.2021
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der traurige Clown
Es ist vermutlich das Comedy-Special des abgelaufenen Jahres: Bo Burnham liefert mit "Bo Burnham: Inside" eine zynische, erstaunlich hochqualitative Show mit extrem feiner Gag-Dichte und Ohrwürmern en masse. Denn der in Los Angeles lebende Comedian und Schauspieler ist ein Multitalent und schreibt für seine Programme unfassbar catchy Songs, die den Zeitgeist gehörig auf die Schippe nehmen. Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch auch, dass Burnham unter mentalen Problemen litt. Panikattacken überkamen ihn während der Liveshows zu seinem vorherigen Programm, das, nun ja, ausgerechnet "Make happy" hieß. In der Folge verkrümelte er sich zuhause, um wieder zu sich zu finden, zur Ruhe zu kommen, sein Gleichgewicht zu kalibrieren und die mentale Gesundheit, so gut es eben geht, wiederherzustellen. Doch gerade als er sich wieder einigermaßen fit und bereit für die Bühne fühlte, krachte eine Pandemie ungeahnten Ausmaßes in nicht nur sein Leben und zerschlug sämtliche Pläne zu Kleinholz. Anstatt zu verzweifeln oder durchzudrehen, nahm Burnham sein Schicksal in die eigene Hand und produzierte so ziemlich im Alleingang "Bo Burnham: Inside". Und landete damit ebenjenen kolossalen Achtungserfolg.
Das Erfolgsgeheimnis ist recht einfach: Der Kerl ist nicht nur lustig und smart, sondern auch ein sehr, sehr guter Songwriter, der versatil sämtliche Stile bespielen kann. Der Opener "Content" funktioniert als erklärendes Intro zum Programm und pluckert sich dabei in einen herrlichen Elektropop-Strudel, dem man sich nur mit Gewalt widersetzen kann. Einfacher also: sich hingeben und den Quatsch genießen. Mit "Comedy" folgt eine sarkastische Pianoballade, die sich nicht vor Elton John und Billy Joel verstecken muss, dann aber diverse musikalische Verwandlungen unternimmt und am Ende selbstredend ganz woanders rauskommt. Freunde von Mario Barth, Dieter Nuhr und Luke Mockridge müssen stark sein, denn im Fokus stehen hier weiße Comedy-Dudes, die vor allem sich selbst besonders lustig und clever finden und meinen, ihre "Kunst" sei irgendwie wichtig für den Weltenlauf. Selbstironie ist eine der schärfsten Klingen Burnhams, denn natürlich passt er selbst ins hier veräppelte Schema. "Facetime with my mom (tonight)" erzählt dann realitäts- und gefühlsecht von Telefonaten mit den Eltern und den Besonderheiten, die damit einhergehen. Im pädagogisch wertvollen Dudelsong "How the world works" darf man sich dann von einer Socke Marx'sche Theorien und Verschwörungsfantasien erklären lassen. Funktioniert zwar besser, wenn man das Special mit eigenen Augen gesehen hat, macht aber auch als reines Audiospektakel Spaß.
Das Verhalten gut situierter Großstädter in den sozialen Medien nimmt Burnham gleich mehrfach aufs Korn: Während "White woman's Instagram" und "Sexting" vergleichsweise ulkig übertriebenen Selbstdarstellungsdrang und schlüpfrige Anzüglichkeiten per Messenger persiflieren, kommt "Welcome to the internet" als böse Satire daher. Die Nummer funktioniert wie eine Revue, fährt alsbald jedoch komplett aus der Haut, wenn es um öffentliche Enthauptungen, Dickpics und Cybermobbing geht. Der Song dreht dabei mehrere Pirouetten und genau diese freidrehende Form korrespondiert natürlich perfekt mit den fehlgeleiteten Irrungen und Wirrungen, die heutzutage das Internet ausmachen. Ein wahrlich finsterer Ort. Gegen Ende folgt dann ein weiteres Highlight dieses reichhaltigen Comedy-Albums, das man keinesfalls auf seine komödiantische Komponente reduzieren sollte: "All eyes on me" ist die Konfrontation mit den eigenen Dämonen, eine hymnische Beschwörungsformel in modernem R'n'B-Gewand, mit der Burnham den Panikattacken entgegentritt und ihnen den hoffentlich endgültigen Todesstoß verpasst. Alles andere wäre: irgendwie tragisch.
Highlights
- Content
- Comedy
- Facetime with my mom (tonight)
- All eyes on me
- Goodbye
Tracklist
- CD 1
- Content
- Comedy
- Facetime with my mom (tonight)
- How the world works
- White woman's Instagram
- Unpaid intern
- Bezos I
- Sexting
- Look who's inside again
- Problematic
- 30
- CD 2
- Don't wanna know
- Shit
- All time low
- Welcome to the internet
- Bezos II
- That funny feeling
- All eyes on me
- Goodbye
- Any day now
Gesamtspielzeit: 53:28 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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zeckezichter Postings: 534 Registriert seit 07.11.2021 |
2024-12-03 23:00:08 Uhr
Da freut mich. Bo Burnham ist großartig, viel Vergnügen damit. |
Rhyton Postings: 1283 Registriert seit 26.09.2024 |
2024-12-03 22:46:54 Uhr
Durch die Aussperraktion von zeckezichter entdeckt, wie gut ist das denn. Bin sehr gespannt auf dem Film. |
All Crips are Bloods Postings: 300 Registriert seit 05.06.2020 |
2024-02-14 17:26:03 Uhr
Witzig, ich musste bei Sockos Nick auch immer an den Song denken. War mein Album des Jahres. Ich liebe es. |
ToRNOuTLaW Postings: 869 Registriert seit 19.06.2013 |
2024-02-14 15:24:11 Uhr
Was ist eigentlich mit Socko? Hab ursprünglich angenommen, dass sein Nick von der Socke aus "That is how the world works" inspiriert ist. Aus seinen Beiträgen würde ich allerdings nicht unbedingt darauf schließen, dass Burnham genau seinen Humor trifft, aber da kann ich mich täuschen. |
Klaus Postings: 10778 Registriert seit 22.08.2019 |
2024-02-14 15:19:34 Uhr
All eyes on me ist aber definitiv ein richtig schöner Song. |
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Referenzen
Rick & Morty; Alex Cameron; Kirin J Callinan; The Lonely Island; Lemon Demon; Weird Al Yankovic; Ricky Montgomery; Tiny Meat Gang; Ed Helms; Flight Of The Conchords; Tim Minchin; Tenacious D; Ween; Liam Lynch; Penelope Scott; Elton John; Billy Joel; Richard Cheese; Hall & Oats; Simple Minds; Depeche Mode; Kraftwerk
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- Bo Burnham - Inside (The songs) (9 Beiträge / Letzter am 03.12.2024 - 23:00 Uhr)