Curtis Harding - If words were flowers

Anti / Indigo
VÖ: 05.11.2021
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Gefühle sind frei
Wenn Curtis Harding eine nonverbale Kommunikationsform wäre, dann vermutlich der Handschlag. Schelmisch setzt er "An Anti Album" als Bildunterschrift auf sein Cover, womit er natürlich nur das Label meint, denn weniger "anti" als der in Atlanta ansässige Künstler geht eigentlich nicht. Harding begann seine Karriere als Rapper und Background-Sänger von Cee-Lo Green, doch seine stilistische Offenheit ließ ihn auch mit den Jungs von Mastodon und Black Lips anbandeln, woraus etwa das garagige Projekt Night Suns entstand. Auch sein Solo-Werk fußt nur im Vintage-Soul, um alle anderen Genres mit herzlicher Geste zu empfangen. Wie bei den großen Vorbildern aus den Sechzigern und Siebzigern stecken zwar auch hier Protestsongs gegen Rassismus und andere Ungerechtigkeit unter der karamellwarmen Stimme und Instrumentierung, doch suchen diese Harmonie statt Spaltung. Man solle den Liebsten Blumen schenken, solange sie noch da sind, hat die Gospel singende Mama Harding damals ihrem Curtis gesagt. Und so ist dessen drittes Album kein Requiem geworden, sondern richtet sich empathisch und leidenschaftlich an alle, die noch etwas verändern können und wollen. "If words were flowers" eben.
"Hopeful" hat im dazugehörigen Video zwar das Totengedenken an George Floyd im Sinn, doch die Botschaft ist Agitation, nicht Grabrede: "Your cries will turn into cheers / No fear, just hold on tight / 'Cause the darkness will be over by the end of the fight." Vom ausladenden Arrangement und den Chören ergriffen, hängt man dem Prediger an den Lippen, glaubt ihm, selbst wenn er verstummt, einem psychedelischen Gitarrensolo das Ruder überlässt und sich Drums und Orchester gegenseitig berauschen. Die Flexibilität von Hardings Stimme und der sie umgebenden Musik sind die größten Clous der Platte. Im rockig-tanzbaren "Can't hide it" pendelt erstere zwischen Croons und Falsett, während der stoische Rhythmus von "Explore" im Nebel Theremin-artiger Synths verglüht. Flöten und elektronische Glitzervorhänge verschmelzen in "So low", für das sich der 42-Jährige ins Vocoder-Kühlhaus von "808s & heartbreak" steckt – die perfekte Textur, um die Alkoholismus behandelnden Zeilen in Knochennähe vordringen zu lassen. In "Where's the love" klingt Harding dann fast wie Gil Scott-Heron, zeichnet über Shuffle-Beat und niedergeschlagenen Saiten eine Dystopie der Emotionslosigkeit, gegen die sich der Refrain mit schwungvoller Bläser-Hook stemmt.
Die Gefühle müssen schließlich ungehemmt fließen. Besonders berührend geraten dabei die Stücke, die den Drive etwas rausnehmen. Von der Kalifornierin Sasami unterstützt, formt sich "With you" mit Akustikgitarre, Xylofon und Streichern zur sehnsüchtigen Reflexion von Einsamkeit. "Forever more" gleitet eine sowieso schon umwerfende Melodie entlang, um sich in der Schlussminute per Saxofon-Solo komplett in abstrakter Schönheit aufzulösen. Ein Meisterwerk ist "If words were flowers" nicht geworden, dafür sind die Pinselstriche an anderen Stellen vielleicht doch etwas zu breit, und "It's a wonder" langweilt kurz vor Schluss auf hohem Niveau ein wenig. Doch das fällt kaum ins Gewicht, so unmittelbar und unkitschig hier Verständnis und Zusammenhalt aus jeder Pore strömen. "I'm gonna try my best to be all that you need and a good friend", deklariert "The one", über dessen hitziger Percussion die leichten Musical-Anflüge nie ins Geschmacklose kippen. Ein subtileres Komplement findet der Song im wundervollen Closer, einem schnörkellosen Piano-Groover mit ebenso simpler Message: "When you need me / I won't let you down." Vielleicht ist Curtis Harding doch kein Handschlag, sondern eine Umarmung.
Highlights
- Hopeful
- With you
- Forever more
- I won't let you down
Tracklist
- If words were flowers
- Hopeful
- Can't hide it
- With you
- Explore
- Where's the love
- The one
- So low
- Forever more
- It's a wonder
- I won't let you down
Gesamtspielzeit: 41:39 min.
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Kalle Postings: 436 Registriert seit 12.07.2019 |
2021-11-26 15:45:02 Uhr
So wie die Rezension geschrieben ist und auch wie ich es empfinde, wäre eine 8/10 angebracht. Tolle Weiterentwicklung von Curtis Harding. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27973 Registriert seit 08.01.2012 |
2021-11-24 20:40:40 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Son Little; Cody ChesnuTT; Curtis Mayfield; Michael Kiwanuka; Charles Bradley; Lee Fields & The Expressions; Leon Bridges; Fantastic Negrito; Nick Waterhouse; St. Paul & The Broken Bones; Black Joe Lewis; JC Brooks; The War And Treaty; Sharon Jones & The Dap-Kings; Durand Jones & The Indications; Black Pumas; Ann Peebles; Lady Wray; Al Green; Otis Redding; Donny Hathaway; Bobby Womack; The Temptations; Mahalia Jackson; Aretha Franklin; Stevie Wonder; Funkadelic; Parliament; Gil Scott-Heron; Benjamin Booker; The Black Keys; The Teskey Brothers; Janelle Monáe; The 5th Dimension; Joan As Police Woman
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