Adele - 30

Columbia / Sony
VÖ: 19.11.2021
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

The circle of love
Casual Dating sei nichts für sie, erzählte Adele Adkins kürzlich im Interview. In Los Angeles sei es aber schwierig, generell etwas Tiefsinnigeres zu finden. Man fragt sich unweigerlich, wie so ein Date mit dieser unfassbar erfolgreichen Dame überhaupt ablaufen soll. Der "Und was machst du so?"-Part entfällt ja mindestens auf einer Seite. Adele benötigt schließlich keinerlei Vorstellung: 120 Millionen verkaufte Platten bei gerade einmal drei Alben und mit "21" das bestverkaufte dieses Jahrhunderts bislang – in einer Zeit, in der kaum noch Platten gekauft werden. Über die kommerziellen Erwartungen an "30" muss daher nicht gesprochen werden. Schon eher darüber, dass Adele sich seitdem von ihrem Ex-Mann Simon Konecki getrennt hat, mit dem sie den gemeinsamen Sohn Angelo großzieht. Dass sie eben deshalb ins Dating einsteigen musste. Dass sie mit Tiefphasen durch diesen Umbruch zu kämpfen hatte. Und wie das alles "30" zu einem sehr persönlichen Album macht.
Es gibt natürlich keine totgedroschenere Phrase als die aktuelle Platte als das "wichtigste, persönlichste Werk" zu bezeichnen. Doch wenn in "My little love" Gespräche im Zuge ihrer Therapie mit Angelo als Sample auftauchen und am Ende eine Voicemail zu hören ist, die Adele einsam, allein und verheult zeigt, hat das beinahe voyeuristische Qualitäten. "I feel like this is the first day since I left him that I feel lonely", schluchzt sie in den Hörer. Kurz zuvor singt sie mehrmals "Mama's got a lot to learn", während um sie herum Motown-Streicher wie Geister durch den Raum schweben. Es ergreift und macht betroffen. Nicht nur für ein Album mit solchen kommerziellen Perspektiven ist das beeindruckend intensiv und im positiven Sinne unangenehm. Es steht sinnbildlich für den Anspruch von "30": eine kompromisslose Nachzeichnung des Wegs der letzten Jahre.
Der Bombast und die Wucht von "25" sind weitgehend weg, stattdessen zapft auch der Opener "Strangers by nature" heimelige Vintage-Streicher an, die wie geschaffen für die Vorweihnachtszeit sind. Würde die Platte nicht mit den Worten "I'll be taking flowers to the cemetery of my heart" beginnen, aber nun gut. Die erste Single "Easy on me" ist eine sehr reduzierte Klavierballade, ebenfalls an den Sohn gerichtet. Adeles Stimme hat in all den Jahren nichts an Kraft eingebüßt und zeigt sich wandelbar, sowohl hier als auch im rhythmischen Popsong-Trio, welches das zweite Viertel bevölkert. Wirkt das etwas quäkige "Cry your heart out" nach "My little love" noch wie ein unsicherer Fremdkörper, gehen das lässige "Oh my God" sowie "Can I get it" – letzteres nicht von Songwriting-Buddy Greg Kurstin, sondern von Max Martin höchstpersönlich mitgestaltet – deutlich entschlossener und mitreißender nach vorne.
"I know that it's wrong / I want to have fun", skandiert Adele noch und fällt doch wenig später im verschmitzt betitelten "I drink wine" auf sich selbst zurück. Verloren im eigenen dicken Kopf kreist der langsame Blues mit Klavier und Orgel um wenige Gedanken: "We're in love with the world but the world just wants to bring us down." Es ist einer von fünf Songs, welche über sechs Minuten dauern – das kam bislang noch nie auf einem Adele-Album vor. Doch schnelle Hits sind der zweiten Hälfte auch in der Folge völlig fremd. Im Gegenteil, "Woman like me" nimmt zu Latin-Gitarre eine unentschlossene Liebschaft, die "All night parking" noch mit Kuhaugen anblickte, mit Nonchalance auseinander, ohne sich um einen anbiedernden Refrain kümmern zu müssen. "Complacency is the worst trait to have, are you crazy? / You ain't never had, ain't never had a woman like me." Kollaborationspartner ist hier wie bei drei weiteren Tracks Inflo, seinerseits Teil des Londoner Kollektivs Sault.
Das schönste Detail in den Credits sind jedoch "Adele's crazy friends", die das mit Gospel-Vibes bestückte "Hold on" launig besingen. Anstatt einen professionellen Chor einzufliegen, wollte Adele hier die Menschen versammeln, die ihr in den dunkelsten Stunden Mut gegeben hatten. Zusammen schaffen sie einen vielleicht leicht kitschigen, aber dennoch schönen Uplift-Moment im Höhepunkt des Songs. In die Düsternis taucht hingegen das unglaublich intensive "To be loved" ab. Ähnlich wie "All I ask" vom Vorgänger, nur noch ergreifender, bewaffnet sich Adele lediglich mit einem Klavier, singt und schreit sich ihre Dämonen vom Leib: "To be loved and love at the highest count / Means to lose all the things I can't live without." Es ist eine der beeindruckendsten Vocal-Performances, die man in den letzten Jahren hören durfte, und selbst innerhalb ihres Katalogs bemerkenswert.
Für den Closer "Love is a game" bleibt da nur die Rückkehr zum Anfang. Zum einen musikalisch, da er sich den gleichen Sound in epischer Breite vornimmt. Zum anderen thematisch, wenn die Lyrics das fehlende Bindeglied einsetzen, um den Kreis zu vollenden: "Love is a game for fools to play / [...] / You know I'm gonna do it / I'd do it all again like I did then", singt Adele nach einer mitreißenden Klimax. Längst ist klar, wie viel Liebe und Detail hinter "30" stecken. Die Popsongs haben inmitten all der teils recht reduzierten Soulanleihen und kleinen Experimente ihren Platz als erstes Aufbäumen nach dem Beziehungsende. Die Zeit, die sich die Stücke nehmen, brauchen sie, um ihre Gefühle zu entfalten. Ein guter Anlass für Adele daher, für diese nicht ohne Hintergrund arrangierte Tracklist mal eben die Shuffle-Wiedergabe für Alben bei Spotify als Standard abzuschaffen. Die Antwort lautet hier wie so oft: weil sie es kann.
Highlights
- My little love
- To be loved
- Love is a game
Tracklist
- Strangers by nature
- Easy on me
- My little love
- Cry your heart out
- Oh my God
- Can I get it
- I drink wine
- All night parking (with Erroll Garner)
- Woman like me
- Hold on
- To be loved
- Love is a game
Gesamtspielzeit: 58:18 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Dan Postings: 367 Registriert seit 12.09.2013 |
2021-12-04 21:18:55 Uhr
Nach mehreren Durchgängen bin ich irgendwie zweigeteilt, was "30" angeht. Da wäre der Opener, den hat sie in den Sand gesetzt zB., dann die Single, die wirklich solide ist aber eben beileibe kein Knaller wie "Hello" oder "Rolling In The Deep". "My Little Love" mag ich inzwischen, wie schon mal geschrieben. Der Song hat den gleichen Vibe wie "Strangers", aber macht es für mich ungemein besser, auch wenn es kein herkömmlicher Adele-Song ist mit der Konversation zwischen ihr und ihrem Sohn. "Cry Your Heart Out" springt dann in die Amy Winehouse-Ecke, auch solide und ganz nett, aber Begeisterung sieht anders aus. "Oh My God" gefällt mir schon mehr, die Strophen sind toll, der Pre-Chorus wiederum nicht so sehr (wieso spüre ich da einen Beyonce-Vibe?)und im Refrain, ich weiß nicht, glänzt Adele jetzt auch nicht übermäßig. "Can I Get It" ist auch einer meiner Lieblinge, lebhafter, die Strophen wiederum toll, der Refrain hingegen? Lebt vom Gepfeife. Wieder ein Song, der an sich toll ist, aber Adele's Stärken nicht wirklich in den Vordergrund rückt. Und so geht es irgendwie munter weiter. Ob das so beabsichtigt war? Ich finde, bis auf "Easy On Me" und "To Be Loved", welches vom Gesang ihre vielleicht beste Leistung ist (wäre der Song nicht dermaßen unspannend arrangiert), ist es ein Album, welches sie als Sängerin total in den Hintergrund rückt. |
Winnie Postings: 2 Registriert seit 02.12.2021 |
2021-12-02 21:01:07 Uhr
gerstern, jazzig. (Ein Zitat von Dan glaube ich)https://www.youtube.com/watch?v=rkS3L-XLUh8 ;) (verfluchtes HTML) |
Winnie Postings: 2 Registriert seit 02.12.2021 |
2021-12-02 20:53:17 Uhr
Ziemlich lounge-ig. Klingt auch von |
kingsuede Postings: 4471 Registriert seit 15.05.2013 |
2021-11-30 21:46:16 Uhr
Klar ist das Geschmacksache, aber wenn ich mir manche Kommentare durchlese, erwecken die nicht den Eindruck, das die Adele auch nur ansatzweise gut finden wollen. |
Schwarznick Postings: 1302 Registriert seit 08.07.2016 |
2021-11-30 21:38:45 Uhr
was fuer ein quatsch argument. weil wer erfolgreich ist, gibt es automatisch hater. du magst es, also automatisch gut und direkt in die hater-kiste greifen. so kann man sich seine welt auch spinnen. lass mal jedem seine meinung, du hast ja auch eine, die wie so haeufig geschmacksache ist. da muss man nicht mehr hinein interpretieren. |
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