Idles - Crawler

Partisan / PIAS / Rough Trade
VÖ: 12.11.2021
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Im Auge des Sturms
Ein Debütalbum ist ja selten das erste musikalische Lebenszeichen einer Band. Auch die britische Formation Idles hatte schon einiges Material in die Welt gesetzt, bevor sie 2017 "Brutalism" in die selbige entließ. Mit ihrem ersten Longplayer allerdings setzten die Herrschaften gleich mal eine herausragende Duftmarke und erspielten sich aus dem Nichts eine enorme Anhängerschaft. Einem engen Veröffentlichungsrhythmus folgend, gab es hernach verlässlich Jahr für Jahr das nächste Werk. Zwei Studioalben und eines mit Live-Versionen zementierten den Ruf der Band als eine bei Fans und Kritikern hochangesehene Kapelle. Allerdings: "Ultra mono", 2020 erschienen, fand auch einige kritische Stimmen, die den Briten unterstellten, den Zenit möglicherweise schon überschritten zu haben. Es kann Entwarnung gegeben werden: "Crawler" zeigt die Band in Bestform.
Dabei umgehen die vier Musiker clever die Gefahr, weiter ausschließlich bewährte Pfade zu beschreiten. Sie kopieren sich nicht selbst, sondern schaffen es, mit behutsamen Arretierungen neue Impulse zu setzen. Gleich zum Auftakt mit dem intensiven "MTT 420 RR" wählen sie einen Einstieg, der so nicht zwingend zu erwarten war. Hier dominiert nicht die Haudrauf-Attitüde im Vollgasmodus. Idles geben sich ganz im Gegenteil musikalisch zurückhaltend, nahezu klaustrophobische Momente klingen da durch. "It was february it was cold, and I was high", singt Bandleader Joe Talbot. Er blickt zurück auf ein Erlebnis, das ihn prägte – das ihn umdenken ließ, wie er heute zurückblickt. Denn während er "high" in seinem Wagen saß, kam ihm ein Motorrad in voller Fahrt entgegen und verfehlte ihn nur knapp. "Are you ready for the storm?" fragt Talbot schließlich, und dann geht es richtig rund.
"The wheel" direkt im Anschluss führt Idles wieder auf das schon eher vertraute Songterrain. Und wirft wieder einen Blick in die Vergangenheit und ihre vielfältigen Schrecken: "I got on my knees, and I begged my mother / With the bottle in one hand, it's one or the other." Talbot treibt sich und seine Stimme nun in den Grenzbereich, spuckt sein finales "Can I get a hallelujah?" nahezu aus. Ein Wirkungstreffer, der verdaut werden will, was mit dem musikalisch versöhnlicheren "When the lights come on" tatsächlich auch gelingt. Ohnehin schaffen Idles eine ausgewogene Mischung aus ungezähmter Härte, packender Intensität und zurückgenommenen Passagen. Mittendrin steht mit "The beachland ballroom" sogar ein Song, der sich einen Ausflug in Soul-Gefilde gönnt. Danach geht es munter weiter, "Crawl!" wählt direktere Wege, "Meds" wird zur Achterbahnfahrt im Idles-Express, "Wizz" schließlich besteht in seinen nur 30 Sekunden aus Sprachnachrichten von Talbots Ex-Dealer.
Ganz am Ende, nachdem die Idles ihre Zuhörerschaft eine Dreiviertelstunde lang nach allen Regeln der eigenen Kunst massiv aufgewühlt, durchgeschüttelt, mitgerissen, euphorisiert und fasziniert haben, spricht Joe Talbot Worte aus, die gleichermaßen verblüffend wie unerwartet daherkommen: "In spite of it all", betont er da in voller Überzeugung, "life is beautiful." Und mit dieser Erkenntnis im Ohr setzt man sich nur allzu gerne den zuweilen dunklen Geschichten erneut aus. Wieder und wieder. Denn "beautiful" ist das Leben ja eben auch, weil es authentische Musik wie diese gibt.
Highlights
- MTT 420 RR
- When the lights come on
- Meds
Tracklist
- MTT 420 RR
- The wheel
- When the lights come on
- Car crash
- The new sensation
- Stockholm syndrome
- The beachland ballroom
- Crawl!
- Meds
- Kelechi
- Progress
- Wizz
- King snake
- The end
Gesamtspielzeit: 46:38 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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VelvetK Postings: 12 Registriert seit 13.07.2020 |
2021-12-04 22:55:14 Uhr
1. MTT 420 RR - 8/102.The Wheel - 8/10 3.When the Lights Come On - 8/10 4.Car Crash - 7/10 5.The New Sensation - 9/10 6.Stockholm Syndrome - 8/10 7.The Beachland Ballroom - 8/10 8.Crawl! - 10/10 9.Meds - 10/10 10.Kelechi - 7/10 11.Progress - 7/10 12.Wizz - 6/10 13.King Snake - 6/10 14.The End - 6/10 Insgesamt eine Überraschung, punktuell mehr als großartig, überall besser als Ultra Mono und aktuell sogar über den beiden ersten Alben schwebend. Idles lassen mich seit Wochen nicht los, ganz so, wie bei Album eins und zwei. Crawl! und vor allem Meds sind fantastisch und schief, eigen und mitreißend. Starke Scheibe. |
smrr Postings: 208 Registriert seit 02.09.2019 |
2021-11-30 19:52:35 Uhr
Für meine Jahrescharts (Platz 50-100 ;-)) die Platte noch einmal angespielt - weiterhin schwer okay. Das dräuende "Progress" wurde noch nicht als Highlight genannt. Find ich super, den Track. |
Sheesh Postings: 276 Registriert seit 27.09.2021 |
2021-11-24 21:56:26 Uhr
Na dann tschüss |
Thanksalot Postings: 483 Registriert seit 28.06.2013 |
2021-11-24 20:16:31 Uhr
Aaach, sie machen es einem nicht leicht.Eigentlich kann ich dem, was Freland geschrieben hat, nur beipflichten. "When The Lights Come On" würde ich definitiv noch als Highlight sehen. Sie können also doch ruhig und treibend gleichzeitig wie schon beim genannten "A Hymn". Hier passt auch das "unterschwellig permanent bedrohlich" von Rote Arme Fraktion. Der Opener, "The Beachland Ballroom" und "The End" bekommen die gleiche Wertung, allesamt super. "The Wheel" geht als quasi zweiter Einstieg trotz des lahmen Refrains schon klar, die Strophen gefallen mir. "Crawl!" ist zwar Malen nach Zahlen bei den Idles, aber er funktioniert. Ganz im Gegensatz zu den restlichen "Stampfern". Wie kann man zum Beispiel das dröge "The New Sensation" auf ewig wirkende 4 Minuten strecken? "Stockholm Syndrome", "Meds" und "King Snake" überzeugen ebenso nicht. Auch klanglich ist es die wohl schlechteste Idles-Platte. Alles klingt so "mittig", ohne Bass und Druck, ohne Klarheit, dafür eher matschig und kraftlos. Schade. Aber ich begrüße den experimentelleren Sound, am deutlichsten zu finden bei "Kelechi"/"Progress". Darum ist es auf jeden Fall ein spannenderes, wenn auch nicht viel besseres Album als der Vorgänger. |
boneless Postings: 4182 Registriert seit 13.05.2014 |
2021-11-24 19:05:33 Uhr
Ich war ja nie Fan dieser Gruppe und fand die schon immer gnadenlos überbewertet, Crawler ist aber ein richtig feines Album geworden. Weg vom 0815 Noiserock Gepolter hin zu interessanten Songs, die sich auch mal trauen, eben nicht prinzipiell mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Und schon allein, wie sich die Truppe im Opener ganz ungeniert bei Massive Attacks Angel bedient, nur um dann daraus einen ähnlich gelagerten, gefährlich brodelnden Grower zu machen... das hat Klasse. |
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Referenzen
Shame; Black Country, New Road; Fucked Up; The Locust; Refused; Dropkick Murphys; The Black Keys; Sleaford Mods; Fontaines D.C.; Viagra Boys; Slaves; Squid; The Clash; The Undertones; Art Brut; Savages; The Thermals; Queens Of The Stone Age; Foo Fighters; Protomartyr; Black Midi; The Murder Capital; Tropical Fuck Storm; Metz; Parquet Courts; Warpaint; Interpol; We Are Scientists; Pavement; Arctic Monkeys; Amyl And The Sniffers; Girl Band; Thee Oh Sees; Iceage; Daughters; Show Me The Body; Sports Team
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