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Space Afrika - Honest labour

Space Afrika- Honest labour

Dais / Cargo
VÖ: 27.08.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 3/10

Aus dem Nachtbusfenster

Die nächtliche Großstadt hat eine eigentümliche Atmosphäre. Wie banal bis brutal sich ihr wirkliches Treiben auch gestalten mag, im Dunkeln können die Schemen der Gebäude, die nur von Laternen, Reklamen und Verkehrslichtern beleuchteten Straßen ihre eigene surreale Schönheit entwickeln. In den letzten Jahren verklanglichte kaum jemand diese Ambiguität so unvermittelt wie Space Afrika. 2020 schlug das aus Manchester stammende Duo mit dem Mixtape "Hybtwibt?" kleine Wellen in der britischen Elektro-Szene, indem es Samples, Field Recordings und minimale Beats zum collagierten Bewusstseinsstrom einer von der Ermordung George Floyds traumatisierten Gesellschaft verband. Musik, die fest in der politischen Realität verankert war, in ihrer Abstraktion aber trotzdem so klang, als würde man sie von einem fremden Planeten empfangen. Auf "Honest labour", ihrem zweiten Album, nachdem es 2018 schon das Debüt "Somewhere decent to live" gab, setzen Joshua Inyang und Joshua Reid diesen Weg fort, auch wenn sie diesmal ihren Fragmenten etwas mehr Raum zur Entfaltung geben. Was freilich relativ zu verstehen ist, denn ihre Definition von Ambient wäre nicht so dezidiert urban, würde sie nicht immer die Flüchtigkeit der wie vor einem Busfenster vorbeiziehenden Eindrücke mitdenken.

Wer also zwingend griffige Strukturen und nachvollziehbare Spannungskurven braucht, wird "Honest labour" nur mit Fragezeichen begegnen. Der Opener "yyyyyy2222" baut sich fast fünf Minuten lang mit außerweltlichen Drones und Vocal-Fetzen auf, nur um ohne offensichtlichen Break einfach davon zu treiben. Einige der 19 Tracks dauern keine 90 Sekunden, doch fällt es schwer, sie als Interludes zu bezeichnen: Das, was sie abtrennen, weist schließlich kaum fassbarere Formen auf. Doch gerade in ihrer Ziellosigkeit strahlen solche Geräuschkonzentrationen wie das statisch rauschende "Lose you beau" oder "Ladybird drone" mit seinen synthetischen Regentropfen eine seltsame Faszination aus. Noch einnehmender wird es, wenn unbearbeitete Stimmen dazukommen und den menschlichen Kern der Platte preisgeben. Von einem nervösen Cello umkreist, hören wir in "Preparing the perfect response ~" einer Frau zu, die nach einigem Ringen zur Selbstliebe findet. In "Indigo grit" gleitet erst Gast-Sängerin Guest über verzerrte Flöten, ehe ein weiteres Spoken-Word-Segment einsetzt: eine Art Interview, in dem die Befragte den Unterschied zwischen Mögen und Lieben erklären soll, doch kurz vor ihrer Antwort abgeschnitten wird.

Dieser Cut quetscht Space Afrikas City-Panorama, das stets in Momente ohne klaren Anfangs- und Endpunkt hineinzoomt, in die sprichwörtliche Nussschale. Manchmal wünscht man sich, Inyang und Reid würden länger an einem Ort verweilen, wie sie es etwa im starken Vierminüter "U" tun. Doch auch so haben sie genug Zeit, einige spannende Genre-Sektionen durchzuführen. Im Herzen des Albums steht "B£E", ein dringlicher HipHop-Track mit klapprigem Beat, in dem Rapper Blackhaine zwischen Streicher-Schwallen und Hundebellen Einsamkeit und Verarmung verschränkt: "All alone in the flat all I see is cracked windows." Die gleißenden Synths von "Girl scout cookies" lassen Bianca Scout in den Himmel emporsteigen, ehe ihr ein scharfes Bass-Riff die Flügel stutzt. Nicht nur hier legt die ätherische, Elizabeth-Fraser-ähnliche Kontur der weiblichen Feature-Stimmen eine Nähe zum Dreampop offen, auf die "LV" mit seiner Reverb-Gitarre auch instrumental verweist. Und nicht nur hier zeigt das Album Anmut und Hässlichkeit als fließendes Beieinander, denn auch "Strength" führt seinen sanften Beginn in einen Abgrund aus Noise und knochigen Saiten. Erst das finale Titelstück ergeht sich mit Piano-Loop und dem inzwischen zur Ruhe gekommenen Cello in nichts anderem als einer überraschend konkreten Schönheit. Der Morgen ist angebrochen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • B£E (feat. Blackhaine)
  • U (feat. KinseyLloyd)
  • Girl scout cookies (feat. Bianca Scout)
  • Honest labour (feat. HforSpirit)

Tracklist

  1. yyyyyy2222
  2. Indigo grit (feat. Guest)
  3. Lose you beau
  4. Solemn
  5. LV
  6. Preparing the perfect response ~
  7. Ny interlude
  8. Rings (feat. Guest)
  9. Noise sweet
  10. B£E (feat. Blackhaine)
  11. Like orchids
  12. Meet me at Sachas
  13. U (feat. KinseyLloyd)
  14. <>
  15. Girl scout cookies (feat. Bianca Scout)
  16. Ladybird drone
  17. With your touch
  18. Strength (feat. LA Timpa)
  19. Honest labour (feat. HforSpirit)

Gesamtspielzeit: 46:04 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

smrr

Postings: 429

Registriert seit 02.09.2019

2021-10-28 12:45:59 Uhr
Da schließe ich mich an Gerne gelesen, diese Rezension. Vielen Dank dafür!

Ist eins meiner Lieblingsalben des 3. Quartals (siehe entsprechenden Thread) und hat mich begeistert durch so manche Nacht getragen. War da aber auch sehr sensibilisiert für solche brüchigen Klänge - tagsüber schrumpft das Album etwas. Aber die Nächte werden ja länger ...

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2021-10-28 11:45:00 Uhr
Schöne Rezi. Gebe ich mir mal heute Nacht in der Großstadt. :)

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2021-10-27 21:18:57 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?



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