Yes - The quest

InsideOut / Sony
VÖ: 01.10.2021
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Auf der Suche
Nein, die Zeit hat es nicht gut gemeint mit den Prog-Ikonen der Siebziger. Wenn man die Bilder sieht, auf denen sich Phil Collins unter massiven Rückenschmerzen auf die Bühne schleppt, um bei den allerletzten Genesis-Reunion-Shows wenigstens sitzend singen zu können, während sein Sohn versucht, ihn als einen der einst virtuosesten Schlagzeuger irgendwie zu ersetzen, kann man neben Respekt für den Willen eigentlich nur noch Mitleid empfinden. Yes, die immer so etwas wie Brüder im Geiste waren, ging es nicht viel besser. Hier trafen vor allem die unterirdisch schlechten späten Alben, interne Streitereien und schlussendlich der Tod des Bassisten Chris Squire im Jahr 2015 Band wie Fans bis ins Mark. So konnte, so durfte diese Ära nicht enden, und so war es Gitarrist Steve Howe, der gemeinsam mit Sänger Jon Davison im Jahr 2019 mit der Arbeit an neuen Songs begann.
Das Gute daran: An überhöhten Erwartungen dürfte das Ergebnis, das 22. Studioalbum der Briten mit dem Namen "The quest", wohl nicht scheitern – zu indiskutabel war insbesondere das Vorgängeralbum "Heaven & Earth", das wohl so ziemlich jeden Yes-Anhänger entsetzt zurückgelassen haben dürfte. Und als würden die alten Helden noch einmal befreit aufspielen wollen, beginnt die neue Platte mit "The ice bridge" überaus gefällig. Auch wenn verzwickte progressive Polyrhythmik hier einem schnöden 4/4-Takt weichen muss, überzeugt der Song durch leichtfüßige Rock-Riffs. Alles also sehr schön zum Anfang. Wäre da nicht die Tatsache, dass der Song nicht etwa – wie ursprünglich mitgeteilt – aus dem Ideenfundus des Keyboarders Geoff Downes stammt, sondern eine simple Kopie eines Songs des britischen Musikers Francis Monkman aus dem Jahr 1978 ist. Wie sich herausstellte, hatte die Plattenfirma seinerzeit ein paar Songs der beiden Musiker zusammenkopiert und das Band unzureichend beschriftet – eine simple Verwechslung also, die schlussendlich dadurch gelöst wurde, dass Monkman für "The ice bridge" Songwriting-Credits erhielt.
Dennoch ein denkbar ungünstiger Start, und bereits beim folgenden "Dare to know" ist auch schon Schluss mit hartem Rock. Stattdessen ziehen gewohnt keyboardlastige Klänge ein, hier zusätzlich mit Orchesterbegleitung. Dennoch klingt das über weite Strecken wie das, was gemeinhin als "Yes-Song" bezeichnet werden mag, immer blumig bis hart am Rand des Kitschs, aber mit viel Liebe zum Detail. Spätestens "Leave well alone" müsste dann eigentlich jeden Fan versöhnen, wenn Steve Howe gleich mehrere Themen ausarbeitet, sie wandern lässt und am Ende doch kunstvoll zusammenfügt. Das ist endlich wieder diese filigrane Virtuosität, die Musikalität, die Yes über die Jahrzehnte ausgezeichnet hat.
Und damit hätte sie eigentlich beendet sein können, die gute EP, mit der sich die Briten noch einmal eindrucksvoll zurückmelden. Ist sie aber nicht, und "The quest" ist auch keine EP, sondern verliert plötzlich komplett die Orientierung. Hauptgrund dafür ist das inkonsistente Songwriting, durch das das Album keine eigene Identität aufbauen kann, sondern fast schon wie ein Sampler aus Songs der einzelnen Musiker wirkt. Eine Band mit so herausragenden Einzelkönnern muss einfach einen anderen Anspruch haben als der zauberhaften Ballade "Future memories" das süßliche "Music to my ears" an die Seite zu stellen. Und was sich Yes mit den wirklich grauenhaft öden Songs voller belanglosem Gesäusel auf der Bonus-CD gedacht haben, wird wohl dauerhaft unklar bleiben. Ein Befreiungsschlag wird "The quest" demnach auf keinen Fall, auch wenn immer wieder viel zu kurze Erinnerungen daran geweckt werden, dass dies einmal eine der innovativsten Bands auf diesem Planeten war. Glücklicherweise bleibt dieses Mal wenigstens die Fremdscham aus.
Highlights
- The ice bridge
- Leave well alone
- Future memories
Tracklist
- CD 1
- The ice bridge
- Dare to know
- Minus the man
- Leave well alone
- The western edge
- Future memories
- Music to my ears
- A living island
- CD 2
- Sister sleeping soul
- Mystery tour
- A living island
Gesamtspielzeit: 61:22 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Zappyesque Postings: 1014 Registriert seit 22.01.2014 |
2021-10-09 00:56:53 Uhr
. . . ein kleiner Alptraum für jeden Yes-Fan.Jup |
kingbritt Postings: 5183 Registriert seit 31.08.2016 |
2021-10-08 19:27:16 Uhr
. . . ein kleiner Alptraum für jeden Yes-Fan. |
Eye_Llama Postings: 768 Registriert seit 09.05.2016 |
2021-10-06 21:43:18 Uhr
Proggige Ansätze (Dare to Know, Leave Well Alone) sind vorhanden. The Ice Bridge ist ein starker energiegeladener Song, der an die Yes der 80er erinnert. Der Rest des Albums sind Popsongs, die ich nicht wirklich brauche.Der Rezension kann ich nur zustimmen. Deutlich besser als Heaven and Earth, aber für mich kann es nicht mit Fly From Here mithalten. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28240 Registriert seit 08.01.2012 |
2021-10-06 19:26:51 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Zappyesque Postings: 1014 Registriert seit 22.01.2014 |
2021-09-02 08:04:49 Uhr
Hey! Casio baut gute keyboards! :) |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Anderson Bruford Wakeman Howe; Emerson, Lake & Palmer; Genesis; Styx; Gentle Giant; Van Der Graaf Generator; King Crimson; Traffic; Soft Machine; Wishbone Ash; Magma; Spock's Beard; Transatlantic; IQ; Camel; Renaissance; Steve Hackett; Squackett; The Flower Kings; Kaipa; The Tangent; Ritual; Rush; Jadis; Pendragon; Kino; Frost; Marillion; Coheed And Cambria; Dredg; Oceansize; Glass Hammer; Asia; Saga; Eloy; Kansas; The Alan Parsons Project
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv



Threads im Plattentests.de-Forum
- Yes (146 Beiträge / Letzter am 27.05.2022 - 09:35 Uhr)