Varley - Smalltalk & DMCs
Ferryhouse / Believe
VÖ: 17.09.2021
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Nachdenken leicht gemacht
"I feel the pressure / I fail at first impressions", singt Claire-Ann, nach deren Nachnamen das in Berlin ansässige Trio Varley benannt ist, im Refrain der Singleauskopplung "The pressure". Nun wäre es naheliegend, diese Zeilen auch als Kommentar auf das nervöse Zittern vor der Veröffentlichung des eigenen Debütalbums zu lesen, doch führt ein anderer Ansatz womöglich weiter. Zwischen "Smalltalk & DMCs" spannen sich die Themen der 13 Songs auf, Alltagsrauschen und jenen lebensverändernden "deep meaningful conversations" also, deren Akronym schon so etwas wie eine ironische Distanzierung mitspricht. Ein Gegensatz, der sich auch musikalisch abbildet: Federleichter, zeitloser, herausragend produzierter Pop voller Detailverliebtheit und Charme trifft auf Texte, in denen Varley keine Scheu vor großen Themen kennt. Vor rund einer Dekade zog es die aus Dublin stammende Musikerin nach Berlin, gemeinsam mit ihren multiinstrumentalen Mitstreitern Joschka Bender und Matthias Heising bildet sie bereits seit einigen Jahren ein vertrautes Gespann. Vielleicht einer der Gründe dafür, dass nichts auf "Smalltalks & DMCs" den Eindruck eines unausgegorenen Erstlings vermittelt.
Mit einer klaren Ansage eröffnet das Album: "I don't want to be scared no more." Quirlige Synthies wirbeln im Refrain die sommerliche Schwermut der Strophen durcheinander; "Bubble up" reiht sich ein in die Riege der Lieder, die ihre mentale Krise mit der Süße verführerischer Popmelodien vertreiben wollen. So werden die alten Sorgen, die da hochblubbern, einfach von Seifenblasen umschlossen. Den einnehmenden Einstieg setzen "Push pull" und "The pressure" fort, die ihre vielschichtigen Kompositionen in ein ebenso eingängiges Gewand kleiden. Immer wieder stechen groovige Basslinien und liebevolle Verzierungen aus der kristallklaren Produktion hervor, müssen jedoch stets kompakt und songdienlich bleiben. Im akustisch einsetzenden "Down where the wind blows" folgt die Leadgitarre ab und an für wenige Sekunden Varleys Gesangsmelodie, als wollte sie ein Schleifchen darumbinden – ein Fest für Audiophile. Und noch in einer anderen Weise erinnern Varley an die Fleetwood Mac der 70er Jahre: Es gibt wenige Orte und Menschen, die diese Musik als störend empfinden dürften.
Die zweite Hälfte gerät stellenweise etwas getragener, nachdem sich "Feel it" mit seiner schlichten, hymnischen Hook als klarster Anwärter für die Indie-Disko positioniert. Sei es die angeraut-glitzernde Gitarre in "One two three", die ein sinnliches Duett mit Varleys Stimme eingeht oder das sparsam inszenierte "Married with bruises", das seine Kritik an anachronistischen Beziehungsrollen mit einem chorischen Appell schließt ("Don't love me like that!"): Auch in langsamerem Tempo verlieren die Songs nie ihre Feinheiten. Manchmal scheint es gar, als machte der reife und versierte Wohlklang auf "Smalltalks & DMCs" es beim Hören ein wenig zu einfach und erwartbar: Stiftet sich Bedeutung nicht auch in der Irritation? Varleys Texte haben von sozialen Ängsten über medial vermittelte Selbstbilder viel im Blick, spielen sich mitunter aber beinahe beiläufig ab. Die saloppe Zusicherung am Ende von Calypso – "One day you'll wake up and be ok" – wirkt darum eher schal als beruhigend. Tiefer schürft die Abschiedserzählung "A little bit funny", die sich über elektronischen Ambient-Elementen und stilvoll reduzierten Strophen ausbreitet. Beim Wörtchen "family" rutscht Varley kurzzeitig in ihren Dubliner Akzent. Ob geplant oder nicht: Es ist eine weitere kleine Raffinesse auf einem Album, das mit leichtfüßiger Eleganz nachdenkt.
Highlights
- Bubble up
- The pressure
- Down where the wind blows
- A little bit funny
Tracklist
- Bubble up
- Push pull
- The pressure
- Down where the wind blows
- Feel it
- Disease
- Married with bruises
- Talk about it
- Misery
- One two three
- Best of me
- A little bit funny
- Calypso
Gesamtspielzeit: 43:34 min.
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