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Carcass - Torn arteries

Carcass- Torn arteries

Nuclear Blast / Rough Trade
VÖ: 17.09.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Gemüseschnitzel

An dieser Stelle wurde ja schon das ein oder andere Mal das Klagelied darüber angestimmt, was denn in der guten alten Zeit der Schallplatten alles besser war. Nun, Hörgewohnheiten ändern sich, das müssen wir älteren Semester nun einmal so akzeptieren, ob es uns nun gefällt oder nicht. Was allerdings wirklich weitgehend verlorengegangen ist, ist die Kunst des Artworks. Das liegt vor allem daran, dass früher immerhin 30 mal 30 Zentimeter Platz waren, um Kunstwerke wie das Prominenten-Suchspiel von "Sgt. Pepper's lonely hearts club band" oder die so wunderbaren Foto-Installationen der britischen Cover-Schmiede Hipgnosis mit dem unvergessenen Storm Thorgerson unterzubringen. Dass nun Zbigniew M. Bielak mit seiner Arbeit für die britischen Death- und Grindcore-Veteranen Carcass dem 2013 verstorbenen Visionär ein visuelles Denkmal setzen wollte, ist eher unwahrscheinlich, dennoch hat der polnische Cover-Designer mit dem Gemüseherz, das deren neues Album "Torn arteries" ziert, wohl bereits jetzt den Titel "Artwork des Jahres" für sich entschieden.

Doch auch wenn die Frontansicht gar nur Teil eines Zyklus ist, der langsamen Verfall symbolisieren soll, und Carcass sich seit jeher einer bildreichen Sprache befleißigen – "Torn arteries" hat deutlich mehr zu bieten als eine schicke Hülle, getreu dem Motto: "Von einem schönen Teller wird man nicht satt." Und genau deshalb marschiert der Titeltrack voran, um zu zeigen, dass zwar seit dem letzten Studioalbum "Surgical steel" acht Jahre vergangen sein mögen, Motivation und Energie jedoch kein bisschen nachgelassen haben. Räudig wie eh und je grunzkeifen sich Jeff Walker und Bill Steer mit ihren Doppelvocals durch die Platte, die Riffs wechseln hektisch zwischen Thrash und frühem Grindcore – das erinnert doch überaus positiv an frühere Zeiten.

Ganz anders gelagert ist dagegen "Dance of Ixtab (Psychopomp & circumstance no. 1 in B)", das durch die zähen Midtempo-Riffs ein gehöriges Maß an Bösartigkeit gewinnt – ähnlich übrigens wie "Under the scalpel blade", dessen Midtempo-Parts geradezu doomig daherschleichen. Dem gegenüber stehen brutalstmögliche Abrissbirnen wie "Kelly's meat emporium" oder "Wake up and smell the carcass / Caveat emptor", mit denen die Briten keinen Stein auf dem anderen stehen lassen und quasi im Vorbeimetzeln feine Anspielungen an die eigene Vergangenheit einbauen – an eine Zeit, als Alben wie "Necroticism - descanting the insalubrious" mit Lyrics wie ein vertonter Pschyrembel aufwarten konnten. Und während Cannibal Corpse für die blutigen Splatter-Orgien zuständig waren, lieferten Carcass die anatomischen Studien dazu und ließen die Augen nicht nur heil, sondern dabei auch noch verschmitzt zwinkern.

Sollte man sich "Torn arteries" allerdings mit dieser Erwartungshaltung nähern, dürfte zunächst Ernüchterung herrschen ob der vermeintlich unspannend vorbeirauschenden Songs. Irrtum. Denn es ist der Detailreichtum, der von den Lyrics auf die Riffs ausstrahlt, der dafür sorgt, dass Feinheiten erarbeitet werden wollen – hier der plötzliche Tempowechsel, dort ein filigranes Riff, das vordergründig so gar nicht zu der Brutalität mancher Songs passen mag. Vielleicht ist dies ist größte Stärke dieser Platte, und vielleicht klingt dies für manche Ohren geradezu absurd. Doch Carcass zeigen sich erneut als detailversessene Feingeister, die eben gerade nicht stumpf ihren Stiefel heruntertrümmern. Sondern sich selbst mit feinen Anspielungen an die oftmals verklärte frühe Bandphase machtvoll in der Neuzeit positionieren. Wer das Artwork nur als Thumbnail im Streaming-Client sieht, hat dann eben Pech gehabt.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Dance of Ixtab (Psychopomp & circumstance no. 1 in B)
  • Under the scalpel blade
  • Kelly's meat emporium

Tracklist

  1. Torn arteries
  2. Dance of Ixtab (Psychopomp & circumstance no. 1 in B)
  3. Eleanor rigor mortis
  4. Under the scalpel blade
  5. The devil rides out
  6. Flesh ripping sonic torment limited
  7. Kelly's meat emporium
  8. In God we trust
  9. Wake up and smell the carcass / Caveat emptor
  10. The scythe's remorseless swing

Gesamtspielzeit: 49:03 min.

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Armin

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2021-09-23 19:57:54 Uhr - Newsbeitrag
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