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Leprous - Aphelion

Leprous- Aphelion

InsideOut / Sony
VÖ: 27.08.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 3/10

Wie hältst Du's mit der Stimme?

Wie man zu den Norwegern Leprous steht, hängt bei vielen von der Haltung zu Frontmann Einar Solbergs Gesang ab. Klar, das ist schon pathetische Dringlichkeit, die auch mal ins Hysterische spielen kann, so als ob dem Sänger und Keyboarder die Unterhose angezündet worden wäre. Doch das ist nur ein Aspekt seines Stimmumfangs: Die Bandbreite reicht überzeugend von gefühlvollem Säuseln bis zu mächtigem Auftrumpfen. Und dies passt zum musikalischen Gewand einer Band, die im soften Prog-Bereich inzwischen das Maß der Dinge ist. Denn auch wenn sich Leprous vom Metal immer mehr entfernen, bietet auch das aktuelle Album "Aphelion" bekömmliche Komplexität.

Dabei weist diese Platte, aufgenommen in drei Studios in Norwegen und Schweden, eine schöne Balance zwischen Eingängigkeit und behutsamen Experiment auf und steht damit in der Tradition des Vorgängers "Pitfalls" . Und doch glaubt man der Band, dass "Aphelion" auf spontanen Ideen und Unmittelbarkeit fußt. Trotz großer Opulenz und Wandelbarkeit innerhalb der Songs wirkt nichts erzwungen oder verkrampft. Der Opener "Running low" singt mit großem emotionalen Einsatz gegen die schwarze Leere an, um dann in einen prägnanten "Miracle, miracle, miracle"-Part überzugehen, der mit sattem Groove den Achtziger-Pop umarmt. Dass dabei mächtige Streicher am Wegesrand mäandrieren, die Led Zeppelin ähnlich in "Kashmir" aufgefahren haben, deutet bereits auf die kompositorische Detailfülle dieses Albums hin.

Ein weiteres Beispiel dafür findet sich gegen Ende mit "Castaway angels", einer eigentlich zartbesaiteten Folk-Ballade, die sich jedoch mit Hilfe des raffiniert Haken schlagenden Schlagzeugs zur Überhymne mit ungekünstelter Komplexität mausert. Und hier wirkt der in grellen Farben aufleuchtende Falsett-Gesang besonders passend, weil die Skandinavier ihm zum Kontrast keine marktschreierischen Riffs, sondern eine behutsame, geschmackvolle Gitarrenarbeit zur Seite stellen. Niemals hat man den Eindruck, Leprous wollten ohne Relativierung überrennen, überwältigen. Wenn auch manche Passage sehr offensichtlich und ein wenig over the top ist, finden sich doch immer wieder solche spannende und ausgewogene Spannungsaufbauten wie in "On hold", das zusätzlich wunderbare Melodieschleifen durch den goldenen Herbstwald zieht. Es ist also jede Menge Platz für Abstufungen und Zwischentöne, die "Aphelion" reichhaltig und abwechslungsreich gestalten.

Gelegenheit für klassische Rock-Gesten bietet sich aber auch. Der Auftakt von "All the moments" könnte aus dem Archiv der Heavy-Rock-Größen der Siebziger stammen. Die folgende, angespannte Dringlichkeit mündet zusammen mit in den Äther entfliehendem Gesang bei markiger Rhythmusgruppe in einen dramatischen Refrain, der umarmt und voranprescht, aber wieder vom Willen zur Varianz und Mehrschichtigkeit zeugt. Auf dieser Platte zeigen Leprous eindrucksvoll, elegant und oftmals überwältigend, wie unpeinlich pathetische Ausdrucksformen sein können. Dabei hilft ihnen ein feines Gespür für Komplexität, die sich nicht im leeren Experiment erschöpft.

(Martin Makolies)

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Highlights

  • All the moments
  • On hold
  • Castaway angels

Tracklist

  1. Running low
  2. Out of here
  3. Silhouette
  4. All the moments
  5. Have you ever?
  6. The silent revelation
  7. The shadow side
  8. On hold
  9. Castaway angels
  10. Nighttime disguise

Gesamtspielzeit: 56:04 min.

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User Beitrag

Klaus

Postings: 8934

Registriert seit 22.08.2019

2023-11-08 22:43:51 Uhr
29.02. Bochum
08.03. Leipzig

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Postings: 391

Registriert seit 26.03.2015

2023-06-29 05:27:14 Uhr
Btw es ist vielleicht ein bisschen untergegangen, aber das Solodebut von Sänger Einar Solberg ist da. Und wenn das auf einer Indie Seite nicht verdammt viel zu Suchen hat, dann weiß ich nicht wo sonst. Ist auf jedenfall super emotional und spannend.

https://open.spotify.com/intl-de/track/4YaWsNQm23wFMzGdvNvm3m?si=100f8473788f4d8d

Martinus

Postings: 519

Registriert seit 13.01.2014

2023-06-03 22:13:25 Uhr
Schön geschrieben!!

No Filler

Postings: 391

Registriert seit 26.03.2015

2023-06-03 21:56:11 Uhr
Das Teil ist auf jedenfall um einiges mehr Prog als vieles von Steven Wilson. Der Leprous Stil lebt von seinen Arrangements und seine Rhythmischen mikrodetails, die alles so herrlich klassizistisch wirken lassen, so "ausdifferenziert" um es mit einem Wort Brückners zu sagen. Gerade der Opener ist für mich "progressiv" im echten Sinne des Wortes. Der Refrain könnte mit seiner säuselnden Hookline aus einem Popsong sämtlicher weiblicher Popstars der letzten 20 Jahre stammen (Lady Gaga, Dua Lipa, Kylie Minogue) und steht in einem absurden Kontrast zur mysteriösen Strophe in der mit ominös hallenden schlägen, harmonischem Moll und doch so gut wie keiner Klangfülle eine eher düstere Atmosphäre aufgebaut wird. Außerdem wird hier strukturell ein Mittel verwendet das Leprous schon immer verwenden, der verzögerte zweite Refrain. Die Strophe nimmt mit eher dissonanten Bläsern, die übrigens ganz stark an Bilaterals "Thorn" gemahnen einen plötzlichen Turn. Darauf eine spannungssteigernde beschleunigung die sich erst einmal in einem atonalen violinen oder cello (raphael?) solo entlädt und dann erlösender Weise (oder wie die Reprise in einer Sonate) zum Refrain zurückfindet der mit dem kunstmusikalischen Rest ganz stark durch das tolle verschobene Drumming (additive polyrhythmik) von kolstad zusammengehalten wird. Prog in Reinform. Sorry, dass ich meine Zeichensetzung nicht mehr editiere und ja "Castaway Angels" ist popschmalz pur (und so muss es) und have you ever ist triphop, aber es ist wieder ein tolles diverses Album geworden, weniger geschlossen als Pitfalls, aber noch einen ticken besser und macht mir auch hoffnung auf die Zukunft.

Btw gönnt euch unbedingt das neue Album von Einar Solberg - 16. Ist seit gestern raus

Martinus

Postings: 519

Registriert seit 13.01.2014

2023-06-03 20:06:57 Uhr
Vinyl ist heute gekommen und ich habs bisher einmal durchgehört.
Ich muss sagen, ich hab da wirklich Bock drauf aktuell und finds auch richtig stark.
Reviews im Internet sind auch ziemlich im positiven Bereich. Bloß die Visions hat es mit einer 5/12 abgestraft.
(Aber da bekommen die neuen Alben von Metallica, Foo Fighters oder Queens of the Stone Age dafür dann Bestwertungen;-) )
Zum kompletten Thread

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