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Chvrches - Screen violence

Chvrches- Screen violence

Vertigo / Universal
VÖ: 27.08.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Die Schattenmacht

Man hätte es mit voller Absicht nicht besser drauf anlegen können. Der Albumtitel "Love is dead". Dieses quietschbunte Emo-Herzchen-Cover. Die dicker gewordenen Beats und Synths. Und diese auf aggressive Art repetitiven Hooks. "Get out, get out / Get, get, get out / Get, get out of here." Oder: "Never, never, never, ever / Never, ever, ever say die." Wollten Chvrches mit ihrem dritten Album fast alles abwerfen, was sie auf den ersten beiden so liebenswert machte und stattdessen mit Schuhgröße 60 auf die Nerven gehen? Das Synthpop-Trio war eigentlich immer mainstreamtauglich – warum diese seltsamen Anbiederungen, welche die Schotten massiv Fans gekostet haben? Scheinbar ging die maximal lauwarme Rezeption der Platte auch bei Lauren Mayberry, Ian Cook und Martin Doherty nicht spurlos vorüber. Nummer vier namens "Screen violence" lässt sich nämlich auf gar keine Faxen ein. Und führt alte Glanztaten in eine neue, düstere Umgebung: als Reaktion auf die Reaktionen.

Klar sorgte die erste Single "He said she said" für Stirnrunzeln mit ihrem Imagine-Dragons-Gedächtnisgeballer. Aber zum einen fügt sich das Stück im Ablauf als Einheizer gut ein, zum anderen ist es sowieso das schwächste Glied in diesem starken Reigen, der visuell mit grobkörnigen, wackligen Aufnahmen in VHS-Optik und subtilem Horror unterstützt wird – kein Wunder, dass die Band bereits Kontakt zu Veteran John Carpenter hatte. Der Opener "Asking for a friend" hält sich noch weitgehend zurück mit großflächigen Ohrwurmbekundungen oder Abgründen. Aber spätestens wenn "California" die Arme ausbreitet und Mayberry "Pull me into the stream" in die Welt ruft, verstehen wir uns. Da sitzen die Töne, da steppt der Bär und es fällt auf, wie Chvrches nicht nur die Refrains wieder richtig dosieren, sondern nach und nach auch eine leichte Gothic-Atmosphäre unter die grellen Synthesizer mischen. Die sich vor allem im bockstarken Mittelteil Bahn bricht.

"Violent delights" klaut gar seine Beats bei The Prodigy, um dort die funkelnden Soundwelten draufzulegen. "These violent delights keep creeping into my nights" – Ehrensache, dass kurz darauf ein Großmeister der Finsternis ran muss. Nachdem erst Hayley Williams und später Matt Berninger gastierten, macht es "How not to drown" mit Robert Smith noch eine Nummer größer. Und wie! "I'm writing a book on how to stay conscious when you drown" – Mayberry beginnt mit der Strophe, welche Smith am Ende wiederholt, dazwischen fährt der Song jede Sekunde mehr großartiges Drama auf. Wenn der intensive Chorus in das flehende "Watch as they pull me down" der Bridge übergeht, bleibt eine Gänsehaut. Die verfliegt auch im gruftigen, dringlichen "Final girl" nicht, obwohl es den Refrain etwas weniger trällernd hätte gestalten können.

"Good girls" wäre allein schon ein Hit, Mayberry schmettert der Welt jedoch eine Hymne entgegen. "Killing your idols is a chore / And it's such a fucking bore", aber jemand muss den Job ja machen. Es gibt schließlich noch zu viele, die "Good girls don't cry / And good girls don't lie / And good girls justify" wie ein Mantra den jungen Damen predigen, natürlich folgt hier: "But I don't." Dass "Lullabies" und "Nightmares" mehr als nur gehobener Band-Standard sind und der Closer "Better if you don't" das Album angenehm auf einer ruhigen Note beschließt, ist erfreulich. "Screen violence" wischt Bedenken ob der Ausrichtung von Chvrches mit lässiger Handbewegung vom Tisch. Vielmehr schafft es sogar wie keines ihrer Album zuvor, einen Spannungsbogen samt halbdunkler Grundatmosphäre aufzubauen, auch wenn "The bones of what you believe" und "Every open eye" vielleicht ein paar mehr Überhits hatten. Trotzdem hat ein wenig mehr Schatten die Band wieder ins Licht geführt.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Violent delights
  • How not to drown (feat. Robert Smith)
  • Good girls

Tracklist

  1. Asking for a friend
  2. He said she said
  3. California
  4. Violent delights
  5. How not to drown (feat. Robert Smith)
  6. Final girl
  7. Good girls
  8. Lullabies
  9. Nightmares
  10. Better if you don't

Gesamtspielzeit: 42:53 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Arne L.

Postings: 1353

Registriert seit 27.09.2021

2021-12-29 20:13:51 Uhr
Stimmt, "Final Girl" natürlich. "The Final Girls" ist ein Film, den ich allerdings auch gut fand. :D

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 33631

Registriert seit 07.06.2013

2021-12-29 19:06:40 Uhr
Jahresendbetrachtung:

Für mich zwar minimal unter dem Niveau des Debuts, aber trotzdem ihre zweite dicke 8/10. Tatsächlich finde ich aber die ersten 3 Songs am schwächsten, während danach die 3 Übersongs folgen + ein sehr gutes Finale. Ein sehr homogen wirkendes, atmosphärisch dichtes Album mit ein paar grandiosen Melodien. 7,9/10

Highlights:
Violent Delights, How Not To Drown, Final Girl

Arne L.

Postings: 1353

Registriert seit 27.09.2021

2021-12-29 17:12:00 Uhr
@Felix

Hatte in einer Review für eine andere Plattform 7,7 gegeben, also bin da bei dir. Aber ist einfach irgendwo zwischen 7 und 8. :)

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 10224

Registriert seit 26.02.2016

2021-12-29 16:23:30 Uhr
Bei Rate Your Music hat es den besten Score von all ihren Alben. Ich finde auch, dass es als Gesamtwerk am besten funktioniert, auch wenn die ersten beiden ähnlich tolle Highlights haben. Hätte im Nachhinein die 8/10 geben sollen.

Arne L.

Postings: 1353

Registriert seit 27.09.2021

2021-12-29 12:34:52 Uhr
Kann der Argumentation gut folgen, hab jetzt noch zwei, drei Durchläufe wirken lassen und siehe da, der Song hat tatsächlich die längste Halbwertszeit. Bis dato war mein Favorit “Final Girls”, auch wenn er mich immer wieder an “La Isla Bonita” erinnert.
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