Lorde - Solar power

Universal
VÖ: 20.08.2021
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Mehr Shine als Sein
Wenn schon allein der Backingchor mit Phoebe Bridgers, Clairo und Marlon Williams mehr Starpower besitzt als auf anderen Alben ganze Feature-Listen, hat man es wohl geschafft. Ein sicher gerechter Verdienst für Lorde, deren eigenwilliges Debüt "Pure heroine" hohe Wellen schlug, welche sie mit dem fantastischen "Melodrama" locker übersegelte. Ihre dritte Platte "Solar power" markiert rein mit den Eckdaten schon das Revier. Wer kann sich neben den erwähnten Vokalisten auch einen Besuch von Robyn auf der Platte leisten, der in den Credits einfach mal unerwähnt bleibt? Wer zeigt auf dem ästhetisch sehr ansprechenden Albumcover den nackten Hintern vor strahlend blauem Himmel? Und wer behauptet keck in der Vorabsingle "I'm kinda like a prettier Jesus"? Richtig, ein "girl who's seen it all", wie es ein anderer Track hinausposaunt. Keine Frage, dass sich Ella Yelich-O'Connor nicht beirren lässt und mit "Solar power" ein kohärentes Werk jenseits der Erwartungen schafft. Leider aber auch in einigen Teilen jenseits ihrer Stärken.
Abermals dient der mittlerweile ultravielbeschäftigte Jack Antonoff als Co-Songwriter, Produzent und generell wichtigste Bezugsperson auf der Platte. Dennoch könnte der Sound kaum ferner vom stellenweise wuchtigen Pop von "Melodrama" liegen. Es dominiert die akustische Gitarre, die mit schönem Spiel die generelle Unaufgeregtheit komplimentiert – passend zum Setting am neuseeländischen Sonnenstrand, wo sich die zwölf Tracks atmosphärisch zum Großteil aufhalten. "Can't find the dreams that we had / Let's hope the sun will show us the path", fordert Lorde im wundervollen Opener "The path" und warnt derweil: "If you're looking for a saviour / Well, that's not me." Die übermäßige Stilisierung nicht zuletzt dank ihres lyrischen Talents und ihrer natürlichen Art wurde der 24-Jährigen stellenweise zu viel – jedoch ließe sich die Zeile auch anders deuten. Denn "Solar power" zeigt ohnehin, dass Lorde nur allzu menschlich daran scheitern kann, die recht gleichförmige Blumenkinder-Musik mit schweren Themen wie Umweltzerstörung, Liebesschmerz und kleinen utopischen Ausflüchten zu verbinden. Wenn es berührt, dann höchstens als Kitzeln am Arm.
Die Quasi-Lana-Del-Rey-B-Seite "Stoned at the nail salon", die ohne Percussion auskommt, bleibt etwa stets nett, aber lässt den entscheidenden Kniff, die Hook oder andere spannende Dinge gänzlich vermissen. Stattdessen philosophiert Lorde über das Leben der letzten Jahre ohne Reisen und Konzerte. Wenn sie high im Nagelstudio sitzt, ändert es jedoch nichts daran, dass Songs wie diese einfach keine tiefere Verbindung unterhalb der Oberfläche aufbauen wollen. Alles ist angenehm, homogen, aber nichts bleibt hängen. "Secrets from a girl (who's seen it all)" weckt zwar kurz mit einem ungewöhnlich lauten Beat auf, verpasst aber die Abfahrt zu einem memorablen Refrain und der Spoken-Word-Gastauftritt von Robyn am Ende irritiert mehr, als dass er dem Song zuträglich ist. "Fallen fruit" ist inspiriert von einer halbrealen Dystopie, der Klimawandel werde bald dafür sorgen, dass es keine Äpfel mehr gebe. "We had no idea the dreams we had were far too big", singt Lorde und es klingt trotz ein paar dramatischer Kniffe, als ginge es ihr am abgebildeten Allerwertesten vorbei. Erst die toll gestaltete psychedelische Coda reißt wirklich mit.
Einen Ausweg zeigt das kecke "Mood ring", das die temperaturbedingte Lethargie aufbricht, sich mit Augenzwinkern in esoterischen Klischees suhlt und im zackigen Refrain zur Bewegung animiert. "Ladies, begin your sun salutations / Transcendental in your meditations." Das abrupte Ende hat es sich derweil vom bereits erwähnten Titeltrack abgeschaut, der in seiner letzten, chorgefüllten Singalong-Minute immerhin ein spaßiges Assoziationsfeuerwerk zwischen George Michaels "Freedom '90", Primal Screams "Loaded" und "Dry the rain" von The Beta Band abfackelt. Auch "California", die Absage an jegliche Träume im US-Sonnenstaat, gesellt sich zu den Tracks, die bei passendem hitzigen Wetter absolut ihre Wirkung entfalten, genau wie "Big star", die seltsam prophetische Ode an ihren später verstorbenen Hund. Generell ist "Solar power" in Titel, Artwork und Akustik eine konsequente Bedienungsanleitung: Sich dem Sog der achselzuckenden, UV-getränkten Kompositionen hinzugeben, macht umso mehr Laune, je sorgenfreier man sich der Sonne hingeben kann.
Nur zur harschen Realität will dieses Dutzend Songs eben zu selten durchdringen. Die stechenden Oneliner, die sie auf den Vorgängern so zuverlässig anbrachte, sind deutlich ausgedünnt. "Can you reach me? / No, you can't." Anstatt drin zu versinken, schleppt man sich dann durch stellenweise recht zähe Stücke wie "The man with the axe", das trotz Lordes immer noch ausdrucksstarker Lyrik einfach nicht auf den (oder wenigstens irgendeinen) Punkt kommen will. Die sehr kurze SciFi-Eskapismus-Fantasie "Leader of a new regime" regt textlich und musikalisch nur zum Kopfkratzen an, wohingegen die ungeschönt mit Verkehrsgeräuschen im Hintergrund der Electric Lady Studios aufwartende Ex-Abrechnung "Dominoes" etwas mehr überzeugt. Im ausladenden, wohligen Closer "Oceanic feeling" fasst Lorde die Chose im Prinzip gut zusammen: "Brain so hot, it's a summer body / Every day is blue and cloudy / Don't look down / I can make anything real." Sie kann zum Beispiel zwar ihren eigenen Weg verfolgen und doch trotz der allgegenwärtigen UV-Strahlung und globalen Erwärmung kalt lassen. Mama wusste es damals schließlich bereits: Zu viel Sonne ist auch nicht gesund.
Highlights
- The path
- Mood ring
Tracklist
- The path
- Solar power
- California
- Stoned at the nail salon
- Fallen fruit
- Secrets from a girl (who's seen it all)
- The man with the axe
- Dominoes
- Big star
- Leader of a new regime
- Mood ring
- Oceanic feeling
Gesamtspielzeit: 43:14 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Lichtgestalt User Postings: 6408 Registriert seit 02.07.2013 |
2025-04-19 12:40:22 Uhr
Danke für den Tipp @Ocean,die Bonustracks kenne ich noch nicht, werde ich nachholen. |
Oceantoolhead Postings: 2316 Registriert seit 22.09.2014 |
2025-04-19 12:33:27 Uhr
Ich finde einige Bonustracks besser und passender als so manches Lied auf dem Album. Finde hier wurde viel potential durch eine falsche Songauswahl liegen gelassen. Höre ich die für mich angepasste Auswahl und Reihenfolge finde ich diese Platte eigentlich ziemlich gut und stimmig. |
Lichtgestalt User Postings: 6408 Registriert seit 02.07.2013 |
2025-04-19 12:25:52 Uhr
Beeindruckend, wie jedes der bisher drei Alben eine ganz eigene Note sowie Atmosphäre hat und doch ganz nach Lorde klingt. Lorde versteht viel von Pop, auch im historisch-nerdigen Sinne - so haben die meisten Songs auf Solar power eine Spielzeit von 3-Minuten-und-etwas. Da wird nix aufgeplustert und in die Länge gezogen. Sehr sehr angenehm. Ich kann vor dieser tollen Künstlerin nur den Hut ziehen, zücke für jedes Album eine 8,2/10, was ja in Wahrheit logischerweise eine 9/10 ist. |
joseon Postings: 978 Registriert seit 04.09.2023 |
2025-04-18 20:29:27 Uhr
Hatte Dank den sommerlichen Temperaturen der letzten Tage auch wieder Bock auf das Album. Gefällt mir noch immer sehr gut. Und das Konzert damals war überragend. |
afromme Postings: 576 Registriert seit 17.06.2013 |
2025-04-18 16:47:05 Uhr
Traum...Weltflucht...schöne Euphemismen für die Langeweile auf dem Album.Hab es gestern zufällig mal wieder gehört. Bei den Cardigans mag ich ja Long Gone Before Daylight, das auch eher bisschen hippiemäßiger drauf ist im Vergleich zu den anderen Alben. Aber Solar Power ist bis vielleicht auf das - viel zu spät zündende - Titelstück wirklich sehr gepflegt-langweilig. |
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Referenzen
Lana Del Rey; Florence + The Machine; Haim; Lykke Li; Ms Mr; Lily Allen; Jessie Ware; Robyn; Taylor Swift; Donna Lewis; The xx; La Roux; Charli XCX; Adele; Roisin Murphy; Martina Topley-Bird; Birdy; Eliza Doolittle; Paloma Faith; Ellie Goulding; Marina; Duffy; Emeli Sandé; All Saints; Dido; The Noisettes; Gotye; Scarlett Johansson; Kate Nash; Katy B; AlunaGeorge; The Weeknd; Bat For Lashes; London Grammar; Chvrches; Broods; Sophie Ellis-Bextor; Massive Attack; Pixie Lott
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