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Quicksand - Distant populations

Quicksand- Distant populations

Epitaph / Indigo
VÖ: 13.08.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Freigestapft

Manchmal ist es eine Krux mit großen Namen. Mit Genre-Idolen, mit den Menschen, die einen musikalischen Meilenstein erschufen, der am Herzen liegt. Hier seien exemplarisch Refused und Dennis Lyxzén angeführt: Gänsehaut überkommt einen, wenn man an "The shape of punk to come" denkt. Jene Platte, für die der Stempel "Ihrer Zeit extrem weit voraus" erfunden wurde. Für emotionale Unruhe sorgte aber auch der Moment, in dem sich Refused erdreisteten, ihr Manifest nicht ruhen zu lassen, sondern neue Musik aufzunehmen. Oftmals stehen dann Künstler, ihr Meisterwerk, die seither vergangene Zeit und die neue Musik in einem verkanteten Spannungsverhältnis. Beziehungsstatus: Es ist schwierig. Walter Schreifels ist in Hardcore-Kreisen natürlich nicht bloß ein Name, vielmehr eine Marke. Mit Youth Of Today oder auch Gorilla Biscuits entwickelte er Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger eine visonäre Variante des Hardcore-Punk mit – bevor Quicksand unter seiner Regie aus Atmosphäre, Wucht und Dichte ein geradezu neues Genre erschufen.

Doch auch Schreifels unternahm nach Rival Schools und anderen weniger namhaften Projekten Mitte des vergangenen Jahrzehnts einen neuen Anlauf mit der alten Liebe Quicksand. Und mit "Interiors" glückte 2017 ein durchaus passables Aufflammen der alten Gefühle, wenngleich Kollege Windhorst bei Erstkontakt noch etwas irritiert war, seiner "Verflossenen" nach 22 Jahren zu begegnen. Wer mit mehr als einem Auge auf den Albumtitel schielt, könnte meinen, "Distant populations" und sein Vorgänger verfolgen völlig unterschiedliche Ansätze. Dem ist nicht so, zumindest nicht musikalisch. Denn bereits "Interiors" als Comeback-Album hatte sowohl die Trademarks der Quicksand-Neunziger als auch Elemente der Post-Hardcore-Ära in petto. Ebenjene Elemente vereinen Schreifels und seine Mitstreiter auch auf Studioalbum Nummer vier, dosieren aber mehr auf den Punkt.

Der Opener "Inversion" bläst mit seinen umspannenden, trockenen und aus tiefen Gitarren geschichteten Riffs jede Irritiation bereits im Ansatz davon. Das Schlagzeug drückt den Takt bis einschließlich des pumpenden "Colossus" gnadenlos ins erste Albumdrittel – und mehr als gekonnt in die großen Fußstapfen dieser Band. Thematisch geht es um Naheliegendes: eine politisch mehr und mehr gespaltene Gesellschaft, charakterisiert als digital umfassend vernetzt, doch sich immer weiter voneinander entfernend: "Distant populations going nowhere / So far away from us, you wouldn't know where / Opposite of you, opposite of me." Hier und da tönt das auch mal ein wenig nach Deftones, wären da nicht Elemente wie etwa der fein flirrende Emo-Flair des sich aus Neunzigerjahre-Kellermief erhebenden "Lightning field", das geradezu elegant zwischen der trockenen Wucht anderer Stücke vermittelt. Besonders feinfühlig arrangiert Schreifels das schwelgerische "Brushed", das emotionale Brücken baut, die es angesichts "Katakana" bitter nötig hat: Zunächst fleddert der Bass zähnefletschend, bevor Schreifels wenig zuversichtlich feststellt "It feels like there's no return / In these desperate times / Where no one makes up their minds" – und die Riffs mit der Abrissbirne nicht lange auf sich warten lassen.

Wunderbar auch das rhythmisch-atmosphärische "Phase 90" oder der intensive Closer "Rodan", wenn Schreifels dank der atmosphärischen Strophenparts seine Gesangskunst zeigen darf, um in Richtung Refrain und Finale immer mehr Wucht aufzubauen. "Missile command" ist der Track, der das Quicksand-Gefühl, diesen sich im Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug aufschaukelnden Groove, ziemlich perfekt auf den Punkt bringt. Zugleich fasst das Stück die Herangehensweise der Band an diese Platte zusammen: Kaum Schnörkel, wenig Experimente, Konzentration auf das Wesentliche – aber mit maximalem Effekt aus erhabener Trockenheit, toller Produktion und der pumpenden Wucht einer Gitarrenplatte, die so gut im Jahr 2021 nicht zu erwarten war. Wie war das nochmal mit der Krux und den Größen des Genres? Manchmal ist es einfach schön, dass sie noch da sind.

(Eric Meyer)

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Highlights

  • Inversion
  • Lightning field
  • Missile command
  • Rodan

Tracklist

  1. Inversion
  2. Lightning field
  3. Colossus
  4. Brushed
  5. Katakona
  6. Missile command
  7. Phase 90
  8. The philosopher
  9. Compacted infinity
  10. EMDR
  11. Rodan

Gesamtspielzeit: 34:10 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 29760

Registriert seit 07.06.2013

2021-12-31 20:21:26 Uhr
Vor allem im Osten. :D

Ninetiesman

Postings: 91

Registriert seit 22.12.2021

2021-12-31 19:17:32 Uhr
Nicht jeder konnte sich 'ne High-End Anlage leisten, allein schon die Plattenspieler waren unerschwinglich. Oder etwa nicht? :D

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 10271

Registriert seit 23.07.2014

2021-12-30 21:44:54 Uhr
Hehe. Ach, die 90er hatten schon einige fett klingende Alben. Nur vielleicht nicht von Quicksand. :D

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 29760

Registriert seit 07.06.2013

2021-12-30 21:40:36 Uhr
Ich war dabei. :D

(obwohl, vielleicht lag es auch einfach an meiner Kack-Anlage)

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 29760

Registriert seit 07.06.2013

2021-12-30 21:38:19 Uhr
@Dulle:
Tu das. Hoffe, es klappt.

Sound direkt aus den 90ern

Aber viel fetter. So geil klangen die 90er nicht. :D
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