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Vince Staples - Vince Staples

Vince Staples- Vince Staples

Blacksmith / Motown
VÖ: 09.07.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Kartografie eines Gewaltorts

"Just when I thougt I was out, they pull me back in." Ganz im Sinne Michael Corleones kann sich auch Vince Staples nicht von seiner Vergangenheit lösen. Eigentlich hat sich der junge Rapper im Verlauf der 2010er-Jahre zu einem der vielleicht nicht kommerziell erfolgreichsten, aber künstlerisch renommiertesten Vertreter seiner Zunft entwickelt. Und doch bleibt sein Fokus eng, zirkeln seine Texte stets um die kalifornische Heimat North Long Beach und eine Jugend mit immer präsenter Gang-Kriminalität. Die Kartografie eines Gewaltorts hat sich Staples' vierte Platte wie keine ihrer Vorgänger auf die Fahnen geschrieben, womit sie die Implikationen ihrer Selbstbetitelung in die Tat umsetzt: Sie ist zweifelsfrei sein persönlichstes Werk bisher. Es gibt kein verschwitzt-düsteres Doppelalbum-Konzept wie bei "Summertime '06", keine schrillen Techno-Beats wie auf dem verpeilt-genialen "Big fish theory". Die Interludes stammen dieses Mal auch nicht von anderen First-Class-Rappern, sondern von Staples' Mama und einem Jugendfreund. Nichts soll vom Erzähler und seinen Geschichten ablenken, der sich an Früher erinnert, die Konsequenzen seiner Erfahrungen für die Gegenwart nachzeichnet und der Toten gedenkt.

Diese Neuausrichtung mag ob der Rahmenbedingungen überraschen, da "Vince Staples" mit seinen gut 20 Minuten Laufzeit und Kenny Beats als alleinigen Produzenten den Weg von "FM!" fortzusetzen scheint. Von dessen aufgedrehter Radioshow-Struktur könnten die minimalistischen Instrumentals und der introvertierte Gestus jedoch kaum weiter weg sein. "We was them kids that played / Some of them outside still / Some of them inside graves", berichtet der 28-Jährige im Opener "Are you with that?", während er die textliche Schwermut mit einer federleicht gleitenden Pop-Melodie kontert. Staples' Musik steht weiterhin für Sommer – daran ändern auch die unheimlichen Vocal-Samples nichts, welche die erste Single "Law of averages" heimsuchen. Doch dieses Mal untermalt sie eher die nachdenklichen Stunden in der Hängematte oder Pool-Liege, in denen man nur augenscheinlich zur Ruhe kommt. In "Sundown town" sinniert der Mann mit der Zahnlücke über seine Paranoia bei Fan-Begegnungen, in "Taking trips" schafft er es ohne Waffe in der Badehose nicht mal zum Strand. Beides trägt er komplett nüchtern und ohne den komödiantischen doppelten Boden vor, den er für solche Momente auf früheren Releases vermutlich gebaut hätte.

Mit seiner athletischen Synth-Line markiert letztgenannter Track zudem einen der auffälligeren Momente von Kenny Beats, der sich ansonsten stark im Hintergrund hält. Musikalisch fehlt es dem Album dementsprechend an dem Mut und Spektakel der ersten zwei Meisterwerke von Staples, doch der luftige Entfaltungsraum ist dem Storytelling natürlich angemessen. Dazu setzen die Beats in ihrer Verbindung von moderner Trap-Ästhetik und Oldschool-Lässigkeit immer wieder kleingedruckte Ausrufezeichen: Man höre etwa das ätherische Funkeln von "The shining" oder die orientalisch anmutenden Klänge des Mini-Bangers "Lil fade". Besonders stark gerät "Take me home", das die Gitarre seufzen und die einzige Feature-Gästin Fousheé eine wundervolle R'n'B-Hook singen lässt, während Staples seine mentalen Gitterstäbe abtastet: "Been all 'cross this atlas, but keep coming back to this place / 'Cause they trapped us." Nein, so schnell wird North Long Beach seinen Griff nicht lockern. "Mhm" versucht mit fetten Bässen und Flex-Lyrics einen selbstbewussten Abschluss, doch auch hier lauert die Angst unter der Oberfläche. An der Schnittstelle von Erfolg, Verletzlichkeit und dem ständigen Bruch von Erwartungshaltungen bleibt Staples einer der reizvollsten Künstler im Rap-Game.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Are you with that?
  • Take me home (feat. Fousheé)
  • Lil fade

Tracklist

  1. Are you with that?
  2. Law of averages
  3. Sundown town
  4. The shining
  5. Taking trips
  6. The apple & the tree
  7. Take me home (feat. Fousheé)
  8. Lil fade
  9. Lakewood Mall
  10. Mhm

Gesamtspielzeit: 22:02 min.

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User Beitrag

kenny23

Postings: 506

Registriert seit 07.11.2013

2021-07-29 22:09:49 Uhr
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Vince Staples - dto.

Armin

Plattentests.de-Chef

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Registriert seit 08.01.2012

2021-07-29 20:51:59 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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