Rejjie Snow - Baw baw black sheep

300 Entertainment / BMG
VÖ: 09.07.2021
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Irish summer rain
Nanu? Wo sind die Farben hin? "Dear Annie", das Debütalbum von Alex Anyaegbunam alias Rejjie Snow, tauchte seinen akustischen Wohlklang noch in ein passendes sonniges Grün. Jetzt posiert der irische Rapper plötzlich vor dem trostlosen Schwarzgrau einer einschüchternden ägyptischen Kulisse. Doch die Verpackung seiner zweiten Platte "Baw baw black sheep" führt in die Irre, hat sie schließlich wenig von der früheren Leichtigkeit eingebüßt. Sie sei inspiriert von glücklich machenden Drogentrips ohne unschöne Nebeneffekte, von positiven Kindheitserinnerungen und vor allem von "Charlie und die Schokoladenfabrik", Snows damaligem Lieblingsfilm. In inoffizieller Begleitung zu diesem sollen die 14 Tracks selbst eine Art auditiven Kurzfilm darstellen, inszenieren eine dichte Klanglandschaft mit Samples etwa von sprühenden Graffiti-Dosen oder Tiergeräuschen. Dass die hochgepitchte Kinderstimme, die in ein paar Interludes sowie im Intro und Outro als Erzählelement auftritt, eher unheimlich als niedlich klingt, sorgt für eine gewisse abgründige Note. Solche paranoiden Schlenker finden sich auch an anderen Stellen, wodurch diese jazzig-soulige Rap-Oase trotz ihres durchweg entspannten Gestus nie in Belanglosigkeit absackt.
Das verhindert bereits Snows nicht nur im tiefen Timbre an Tyler, The Creator erinnernde Stimme. Ihr lakonischer Flow hält die fluffigen Instrumentals am Boden, selbst wenn sie wie im Fall des hektisch funkelnden "Obrigado" mit Anlauf ins Wolkenland abheben wollen. Die Geheimwaffe des Albums ist allerdings ein Mann namens Cam O'bi. Als Executive Producer steht der Chicagoer nicht nur hinter dem Großteil der Beats, er schmilzt mit seinem Karamellorgan auch die allermeisten Hooks zu Klang gewordenem Flüssiggold. Selbst ein musikalisch eher unspektakulärer Song wie "On and on" wird mit seiner Beteiligung unverzichtbar. Die generell dicht gefüllte Gästeliste von "Baw baw black sheep" gerät dabei nie zum Nachteil, weil Snow erst im Zusammenspiel mit anderen sein volles Potenzial entfaltet. Ob er sich im Tinashe-Feature "Disco pantz" durch geschmeidigen Funk groovt oder sich gemeinsam mit Rhea am klassischen R'n'B von "Star in the making" versucht, die unterschiedlichen Sparringspartner*innen spornen den 28-Jährigen stets zu stilistischen Haken an. Der K.o.-Schlag trifft einen schon früh mit dem wunderschönen "Cookie chips", dessen Sommeridyll durch einen der letzten Parts des viel zu früh verstorbenen MF Doom einen bittersüßen Beigeschmack erhält.
So fällt es schwer, Snow einfach als Gute-Laune-Rapper zu kategorisieren, obwohl die Stimmung im Grunde durchweg positiv bleibt. Synthetische Vögel zwitschern im stickigen Trap-Nebel von "Relax", und man fragt sich, ob die kleinen Regenwolken gerade vorbeiziehen oder erst im Anmarsch sind. Selbst Tracks wie "Skip to my Lou" oder das von der Schwedin Snoh Aalegra unterstützte "Mirrors", die kaum etwas anderes als Unbeschwertheit transportieren, deuten instrumental eine ganz leichte Schieflage an. Den einzigen krassen, aber überaus virtuosen Ausreißer bildet "Oreos": Falsett-Vocals, Kontrabass und nervöse Beckenschläge formen einen jazzigen Fiebertraum, der US-amerikanische Spoken-Word-Poet J. Ivy doziert über rassistische Schönheitsideale, und der Gedanke verfestigt sich, ob Snow nicht auch ein "To pimp a butterfly" im Köcher gehabt hätte. Doch der Dubliner entscheidet sich ganz bewusst dazu, die berechtigte Wut seines Genres nicht selbst zu kanalisieren und versinkt in seinem eigenen nostalgischen, aber nie banalen Eskapismus. Dementsprechend stellt "Shooting star" den idealen Abschluss dar, zündet zum Schluss nochmal eine kleine Euphorie-Rakete mit Videospiel-Sounds und ruhelosen Drums. Manchmal kann selbst Schwarzgrau eine warme Farbe sein.
Highlights
- Cookie chips (feat. MF Doom & Cam O'bi)
- Relax (feat. Cam O'bi & Grouptherapy)
- Oreos (feat. J. Ivy & Cam O'bi)
- Shooting star (feat. Cam O'bi)
Tracklist
- Grateful (feat. Cam O'bi)
- Obrigado
- Cookie chips (feat. MF Doom & Cam O'bi)
- Cookie chips interlude
- Mirrors (feat. Snoh Aalegra & Cam O'bi)
- Relax (feat. Cam O'bi & Grouptherapy)
- Relax interlude
- Oreos (feat. J. Ivy & Cam O'bi)
- Skip to my Lou (feat. Kingstarlight & Cam O'bi)
- On and on (feat. Cam O'bi)
- Disco pantz (feat. Tinashe & Grouptherapy)
- Star in the making (feat. Rhea)
- Shooting star (feat. Cam O'bi)
- Outro (I just wanna be me) (feat. Dee Lilly)
Gesamtspielzeit: 38:26 min.
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2021-07-29 20:51:48 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Tyler, The Creator; Chance The Rapper; Donny Trumpet & The Social Experiment; Mac Miller; BJ The Chicago Kid; Anderson Paak; Childish Gambino; Aminé; NxWorries; The Internet; Raury; Mick Jenkins; Tate Tucker; Vic Mensa; Saba; Smino; Vince Staples; Common; Loyle Carner; 808ink; Slowthai; Ebenezer; Earthgang; Outkast; Kendrick Lamar; Kanye West; Little Simz; Noname; Erykah Badu; Kelis; Logic; Kaytranada; GoldLink; The Avalanches; King Krule
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