Dead Nature - Watch me break apart
Dead Nature / Blood / Rough Trade
VÖ: 23.07.2021
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Pop(p)!
Im besten Fall setzt das Konzept Band gewaltige Synergien frei, sobald mehrere Musiker ihren individuellen Beitrag dazu leisten, mehr entstehen zu lassen als nur die Summe der einzelnen Teile. Dazu müssen sie nicht einmal zwangsläufig auf menschlicher Ebene harmonieren – fragt mal Dinosaur Jr. oder Hüsker Dü. Manchmal aber ist die Band-Konstellation auch ein Gefängnis für kreative Freigeister, die sich der Dynamik erzwungenen Teamworks unterordnen und ihre eigenen Ideen nicht immer zielführend einbringen können. Der doch recht limitierte Garage-Rock von Tarek Musas ehemaliger Band Spring King hat es nur zu regionaler respektive nationaler Bekanntheit geschafft. Kein Wunder, dass das den strebsamen und auch als Produzent äußerst umtriebigen Künstler aus Liverpool nicht zufriedenstellen konnte und er in seinem Solo-Projekt nun ehemalige Genregrenzen mit dem Bulldozer niedermäht.
Als Dead Nature kreuzt Musa schamlos Achtziger-Synths mit Neunziger-Gitarren, bastelt darüber einen kleinen Siebziger-Glam-Pop-Überbau, den letztes Jahr schon Declan McKenna gewinnbringend mit Britpop vermählt hat, lässt versierte Drum-Spuren darauf einprasseln und guckt dann von hinten aus neugierig zu, was passiert. Natürlich ergibt das kein völlig rundes Bild – wie auch? –, aber sämtliche Melodien setzen sich derart verbissen im Hirn fest, dass trotzdem kein Eindruck von Stückwerk entsteht. Vielmehr wirken die neun Songs des 33-Jährigen in ihrer Abfolge wie ein facettenreicher Masterplan, der sich durch seine kühne Eingängigkeit auszeichnet, ohne naiv zu sein. Dass Musa als Namen für sein hibbeliges Projekt den in romanischen Sprachen gängigen Begriff für Stillleben ("natura morta") auserkoren hat, ist die ironische Kirsche auf dem Cupcake.
Und er zeigt Mut zum Risiko: Die Synthies in "Falling down" oder "Red clouds" drehen den Käse dermaßen auf Anschlag, man muss schon verwundert auf den Kalender schauen, ob nicht doch noch 1984 ist. Das Spannende daran: Musa balanciert diese grundsätzlich nicht ungefährlichen Spielereien mit der Präzision eines Chirurgen genauso aus, dass sie nicht Überhand nehmen. Akzentuierte Chöre und die allgegenwärtigen Begleitstimmen von Guro Gikling beziehungsweise Jess Allanic sind gleichermaßen weniger Gimmick als vielmehr Markenzeichen, von denen gerade ein schrulliger Hit wie "Hurricane" profitiert. "I don't wanna fight a nuclear war in my life / Feels like the end of times!" Dead Nature hat sich dem Spaß verschrieben, spricht aber auch Inhalte außerhalb des bloßen Musikkosmos an, die eine Stellungnahme verdienen. Popmusik, wie sie zu funktionieren gedacht ist.
Auch "Borrowed heart" watet in Gummistiefeln durch knisternde Glam-Sümpfe, bis diese sich um die bunt lodernde Hook winden dürfen. Musa feuert aus allen Rohren. "I'm running out of power", singt er schließlich erschöpft im knarzenden Neunziger-Rocker "Landlands" – kein Wunder, das ständige Zappeln muss definitiv auslaugend sein. "Watch me break apart" eben: Vor lauter Hummeln im Hintern läuft man da schon mal Gefahr zu platzen, und genau das präsentiert der Performer seinem Publikum als die große Attraktion. Dieses Album ist das musikalische Äquivalent zum Bläschenzerdrücken auf der Luftpolsterfolie – also seltsam erfüllend und noch dazu ein Riesenspaß. Von wegen Stillleben!
Highlights
- Watch me break apart
- Hurricane
- Falling down
Tracklist
- Watch me break apart
- Hurricane
- 50 foot wall
- Borrowed heart
- Falling down
- Red clouds
- Rivers
- Nothing is gonna change
- Ladlands
Gesamtspielzeit: 31:32 min.
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Referenzen
Spring King; Blur; Declan McKenna; Suede; MGMT; Kaiser Chiefs; Maximo Park; Idlewild; Pulp; Franz Ferdinand; The Wombats; Shout Out Louds; White Lies; The Courteeners; Jamie T; The Rifles; The Last Shadow Puppets; The Verve; Hard-Fi; Primal Scream; Paul Weller; T. Rex; Razorlight; Inhaler; The Happy Fits; Briston Maroney; Wallows; New Order; The Sisters Of Mercy; David Bowie; Erasure; Pet Shop Boys
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