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Helloween - Helloween

Helloween- Helloween

Nuclear Blast / Rough Trade
VÖ: 18.06.2021

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Die glorreichen Sieben

Was ist eigentlich die größte Überraschung an der Reunion von Helloween? Dass sie überhaupt je stattfand? Denn schließlich waren Michael Weikath, Chef der Hamburger Melodic-Metal-Institution mit dem berühmten Kürbis im Logo, und der frühere Frontmann Michael Kiske seit dessen Abgang 1993 dermaßen verfeindet, dass selbst die zwingend notwendige Kommunikation ausschließlich über Anwälte erfolgte. Man könnte sagen, das Tischtuch war nicht nur zerschnitten, sondern haarklein geschreddert, bis sich die beiden Streithähne 2015 eher zufällig über den Weg liefen und feststellten, dass diese Streiterei nach 22 Jahren doch eher zur Folklore geworden sei und man sich dann doch mal wieder wie erwachsene Männer verhalten könne. Dem Traum vieler Fans von einem Wiedereinstieg Kiskes stand allerdings dessen Forderung entgegen, dass dies ausschließlich gemeinsam mit dem etatmäßigen Frontmann Andi Deris geschehen solle. Ach ja, und Metal-Urgestein und Bandgründer Kai Hansen solle bitteschön auch mit am Start sein.

Langer Rede, kurzer Sinn: Wundersamerweise wurden sich alle Beteiligten einig. Womit wir bei der zweiten Überraschung wären: Diese Reunion fand nicht nur irgendwie statt, sie funktioniert sogar. Denn die zwei Jahre andauernde "Pumpkins United World Tour" geriet vor hunderttausenden Fans zu einem Triumphzug für eine Band, die das Kunststück vollbrachte, drei Gitarristen und zwei Sänger wie ein Uhrwerk miteinander harmonieren zu lassen. Eine Ausnahme bildete allenfalls Hansen, dessen Gesang mittlerweile so ramponiert ist, dass er Klassiker aus dem Band-Pleistozän wie "How many tears" nur noch in einem kurzen Medley verpackt performen kann. Doch als die Freudentränen getrocknet waren, wuchs aus den ersten vorsichtigen Gedankenspielen Überraschung Nummer drei heran. Nämlich die, diese neue Besetzung nicht nur für eine Tour aufrechtzuerhalten, sondern genau so als Band weiterzumachen. Studioalben inklusive, versteht sich.

Selten wohl wurde eine Metal-Platte demnach dermaßen euphorisch erwartet wie "Helloween", und die Single "Skyfall" zeigte schon einmal vorab, wozu die Band imstande sein kann, wenn sich die kreativen Köpfe einig sind. Doch dass es nur wenige Minuten dauert, bis sich alles wie aus einem Guss und so anfühlt, als hätte es diesen Streit nie gegeben und als hätten diese sieben Musiker schon immer zusammengearbeitet – das ist nicht mehr nur überraschend, sondern schlicht sensationell. "Fear of the fallen" ist zum Beispiel so ein Ohrwurm, der mit seinem begeisternden Refrain Melodic Metal in Perfektion zeigt. Mit solchen Hooks avancierten damals fünf Jungspunde vom kultigen Underground-Act zu einer der einflussreichsten Bands in ihrem Genre weltweit. Doch hoppla: Der Song stammt nicht etwa von Weikath, sondern tatsächlich von Deris, der gerade zu Beginn seiner Zeit bei den Hamburgern bisweilen äußerst kritisch betrachtet wurde und damit genau jene Kritiker Lügen straft.

Überall auf dieser Platte, die ohne jeglichen Ansatz von Schwäche ihre Hörerschaft euphorisiert, finden sich diese kleinen, aber spektakulären Momente. So harmoniert der technisch brillant und nach wie vor glasklar singende Kiske perfekt mit Deris, dem zwar dessen Stimmumfang abgeht, der aber dafür hervorragend – wie beispielsweise beim brachialen "Mass pollution" oder beim wuchtigen "Robot king" – den einpeitschenden Metal-Frontmann gibt und für die eher ruppigen Passagen zuständig ist. Und wenn man unter dem Kopfhörer schon den mehrstimmigen Gesangsharmonien ergriffen lauscht, gerät die dreifache Gitarrenarbeit noch beeindruckender: kein Soundbrei, sondern wunderbar aufeinander abgestimmt, entweder als multiple Riff-Wand oder als Verstärkung der Rhythmus-Sektion bei zweistimmigen Leads.

Tja, und was soll man noch zu "Skyfall" sagen, dem einzigen Song aus der Feder von Kai Hansen? Riffs, Hooks, Harmonien vom Feinsten. In diesem Fall treiben sich tatsächlich drei Sänger zu Höchstleistungen an. Dazu Lyrics über einen nach einem kleinen Unfall gefundenen Alien, die voller Selbstreferenzen, voller Humor sind. Wer sonst, wenn nicht die Band, die den Kürbis als Maskottchen kultiviert hat, darf sonst ungestraft Zeilen wie "I fell from the sky / So don't ask me why / I'm feeling so down" raushauen? Natürlich wird in der Historie der Longtracks der Hamburger "Halloween" auf ewig unangefochten sein, aber "Skyfall" zeigt alle Qualitäten, die Helloween je hatten, verdichtet auf 12 Minuten. Vor ziemlich genau 35 Jahren wurde Michael Kiske als Entlastung für den schon damals mit seinem Gesang kämpfenden Kai Hansen engagiert – das letzte Mosaiksteinchen für den endgültigen Durchbruch. Jetzt, mit dem 16. Studioalbum und nach nervenzehrenden Streitereien wird klar: Nichts ist größer als das große Ganze. Denn "Helloween" ist mehr als ein Reunion-Album: ein Statement einer Band, die endlich, endlich wieder das Maß aller Dinge im Melodic Metal ist. Und jeder, der in den Achtzigern mit "Ride the sky", "Future world" oder "I want out" zum Metal gefunden hat, wischt sich mehr als nur eine Freudenträne aus dem Augenwinkel.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Out for the glory
  • Fear of the fallen
  • Robot king
  • Skyfall

Tracklist

  1. Out for the glory
  2. Fear of the fallen
  3. Best time
  4. Mass pollution
  5. Angels
  6. Rise without chains
  7. Indestructible
  8. Robot king
  9. Cyanide
  10. Down in the dumps
  11. Orbit
  12. Skyfall

Gesamtspielzeit: 65:09 min.

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User Beitrag

NeoMath

Postings: 1676

Registriert seit 11.03.2021

2022-01-08 19:33:52 Uhr
ah, verstehe, ja, dem stimme ich zu.
Ich kannte die auch seit der EP bzw der Walls...
Finde die ersten beiden Hello-Variationen gut. Anhören tu ichs mir trotzdem heut nicht mehr. Bin ich raus.

hos

Postings: 1948

Registriert seit 12.08.2018

2022-01-08 18:07:53 Uhr
Mein Erstkontakt mit der Band war die Walls of Jericho, die hatte instrumental zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit den Keepers Alben, jedoch hatte Kai Hansen hier aufgrund seiner technischen Defizite beim Gesang keine Chance gehabt, der Musik mit melodischer Stimme einen reinzukünsteln. Das hat für mich selbst heute noch irgendwie mehr Charme, auch wenns insgesamt nicht mehr meine Musik ist.

NeoMath

Postings: 1676

Registriert seit 11.03.2021

2022-01-08 17:47:15 Uhr
aber genau das machte die Musik von Helloween doch aus :-)

hos

Postings: 1948

Registriert seit 12.08.2018

2022-01-08 17:34:45 Uhr
@NeoMath, ich sag ja "tendentiell". Bei den beiden Keepers Scheiben war es im Verhältnis noch einigermaßen erträglich, das lag aber auch mehr daran, daß die Band auf dem Album noch ganz gute Lösungen gefunden haben, um die ganzen hyperaktiven Kasperlemelodien in einen damals noch recht originellen Rahmen zu stecken, auch wenn hier und da grosszügig von Accept, Priest und Maiden geklaut wurde. Und Kiske mit seinem theatralischen, operettenhaften Stil ist für mich heute nicht mehr zu ertragen.


Neytiri

Postings: 1146

Registriert seit 14.06.2013

2022-01-08 14:04:56 Uhr
@Superhelge

Masterplan ist Power-Metal. Jorn Lande ist grandios und sicher auch kein Melodic-Kastraten-Metal-Sänger.

Als Anspieltipps des herausragenden Debuts empfehle ich "Spirit Never Die" und "Crystal Night", zwei der besten Songs des Genres überhaupt.
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