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Liz Phair - Soberish

Liz Phair- Soberish

Chrysalis / PIAS / Rough Trade
VÖ: 04.06.2021

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Das Vermächtnis der Elizabeth P.

Liz Phair verkörperte einmal den Rock'n'Roll wie kaum eine andere ihrer Zunft und war 1993 in etwa so cool wie Courtney Barnett, damals zarte fünf Jahre alt, heute ist. Von den einen in den prüden Neunzigern verschrien wegen ihrer vermeintlich vulgären Texte, sahen andere in ihr schon damals eine Vorreiterin des Female Empowerments, was weit über Zuschreibungen wie "Frau mit Gitarre vs. Männerdomäne" hinausging. Ihr Erbe sorgt dafür, dass Phairs Name regelmäßig in den Referenzen diverser Riot-Grrrl-Truppen auf Plattentests.de gedroppt wird, wenn sie auch freilich niemals den Punk-Spirit von z. B. Bikini Kill ihr Eigen nennen konnte. Lo-Fi-Manifeste wie "Exile in Guyville" aber gelten zurecht als Meilensteine. An den lahmen Adult Contemporary ihrer frühen Zweitausender-Alben allerdings erinnert man sich weniger wohlwollend. Für "Soberish" findet die mittlerweile 54-jährige nach elf (!) Jahren der kreativen Abstinenz nunmehr zur Form zurück, auch wenn das große Stromgitarren-Revival – man könnte sagen: altersgerecht – ausbleibt. Anstatt also alles kaputt zu rocken, zelebriert Phair eine grundsätzliche Nüchternheit, der zwar die Ecken und Kanten weitestgehend abgehen, die aber nicht wenige schöne Songs abwirft, welche sich in einem lockeren Pop-Folk-Rock-Spektrum voller Gitarren bewegen.

"I meant to be sober, but the bar's so inviting": Phair inszeniert sich als Mensch mit Fehlern, die den Erwartungshaltungen ihres Umfelds zwar nicht mehr mit bissiger Revolte, aber dennoch einer gewissen Leichtigkeit begegnet. Sie besingt Affären in Hotelzimmern, Besäufnisse oder popkulturelle Gedankenexperimente wie in "Hey Lou", zu dem sie ein niedliches Puppentrick-Video hat drehen lassen. Beißen und kratzen will "Soberish" nicht, auch wenn Phair zwischenzeitlich trotzdem die "Bad kitty" zwischen ihren Beinen erwähnt, die noch immer keine Ruhe gibt: "You mess with my head, I still see us in bed." Um als bloße Projektionsfläche der Fantasien frivoler und frustrierter Hausfrauen zu enden, zeigt sie sich jedoch zu abgeklärt und selbstreflektierend. Zwar will Liz Phair noch irgendwie die Sau rauslassen, weiß aber auch, wie beschissen der Kater danach werden kann, wenn sie es übertreibt. Halbwegs nüchtern eben – weder kurz vorm Ausrasten, noch vor Langeweile gähnend. Oder in ihren eigenen Worten: "Dosage is everything."

Das funktioniert: "Spanish doors" mag mit seinen zwei überlappenden Gesangsspuren zunächst unspektakulär erscheinen, entwickelt sich dann aber doch zum Ohrwurm. "Soul sucker" rechnet bei molligen Piano-Akkorden und zugezogenen RnB-Vorhängen mit einer toxischen Partnerschaft ab und wäre 2002 bestimmt ein veritabler Radio-Hit geworden. Generell zeichnet "Soberish" sich trotz der immer gediegenen Grundstimmung durch einen gewissen Abwechslungsreichtum aus. Ein bisschen ausgeschmückt wird der Sound durch mancherlei Einsprengsel wie Handclaps, Streicher und Bläser oder leichte elektronische Beats. Da darf sich auch gerne mal eine Roboterstimme im Hintergrund von "In there" zu Wort melden, schließlich haben wir 2021. Das Gesamtergebnis ist, wenn auch sicherlich keine Riesenüberraschung, angenehm zeitlos ausgefallen. Aus der schlagfertigen Rotzgöre von früher ist weder der Gegenentwurf Typ bibeltreues Mauerblümchen noch ein Abziehbild ihrer selbst geworden, das verbissen dem Sex, den Drugs und dem Rock'n'Roll hinterherjagt. Demnächst geht Phair übrigens mit Alanis Morissette und Garbage auf Tour. Drei der wichtigsten weiblichen Stimmen der Neunziger auf einen Schlag! Dazu wird man sich durchaus das ein oder andere Gläschen genehmigen dürfen.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • Hey Lou
  • Soberish
  • Soul sucker

Tracklist

  1. Spanish doors
  2. The game
  3. Hey Lou
  4. In there
  5. Good side
  6. Sheridan Road
  7. Ba ba ba
  8. Soberish
  9. Soul sucker
  10. Lonely street
  11. Dosage
  12. Bad kitty
  13. Rain scene

Gesamtspielzeit: 43:46 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3576

Registriert seit 12.12.2013

2021-06-18 23:51:25 Uhr
Ich fand ja "Funstyle" besser.

%)

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2021-06-18 22:05:32 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2021-05-06 14:14:20 Uhr - Newsbeitrag


Nachdem Liz Phair kürzlich das neue Album "Soberish" angekündigt hatte, legt die US-Amerikanerin nun das Video zum Album-Opener "Spanish Doors" nach! "Soberish" erscheint am 04. Juni über Chrysalis Records und ist das erste Album nach elf Jahren Schaffenspause und dem Vorgänger "Funstyle" aus 2010.

"Spanish Doors" behandelt ein Gefühl der Zerbrochenheit, wenn sich das eigene Leben plötzlich nicht mehr richtig anfühlt oder nicht mehr wie gewohnt funktioniert - und auf einmal nur noch ein "ghost in the mirror" erscheint. Im Video wird dies mit spiegelartigen Effekten verdeutlicht, während sich Liz gedankenverloren am Strand nicht nur auf dem Handy aufzulösen scheint. Der Song entlädt sich als poppiger Rocksong, der eine einzigartige Mischung aus kantigen Ideen, eingängigen Arrangements und großen Refrains perfekt zusammenbringt.

"I drew inspiration from a friend who was going through a divorce, but the actions in the lyrics are my own. I relate to hiding out in the bathroom when everyone around you is having a good time but your life just fell apart. You look at yourself in the mirror and wonder who you are now, shadows of doubt creeping into your eyes. Just a few moments ago you were a whole, confident person and now you wonder how you’ll ever get the magic back."

Als ersten Vorgeschmack auf "Soberish" hatte Liz bereits im März den Song "Hey Lou" geteilt.

Loketrourak

Postings: 2234

Registriert seit 26.06.2013

2021-04-15 10:59:21 Uhr
Exile ist 30 Jahre alt? Uff

doept

Postings: 713

Registriert seit 09.12.2018

2021-04-15 00:33:38 Uhr
Einerseits sehr schön etwas neues von ihr zu hören, aber habe mir gerade mal die drei neuen Songs angehört und das ist doch schon sehr bieder.

"Exile In Guyville" habe ich zufälligerweise erst letzte Woche wieder gehört, ist schon ein ein echt gutes Album, da so aber halt leider nicht mehr wiederholbar ist.
(Der Rolling Stone hat es ja auf Platz 56 seiner besten Album aller Zeiten (Version 2020), zwischen Led Zeppelin IV (Platz 58) und Dark side of the moon (55). Das wiederum finde ich etwas zu extrem ;-) )
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