No Angels - 20
BMG / Warner
VÖ: 04.06.2021
Unsere Bewertung: 3/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
Gefangen auf der Memory Lane
Schon immer war sie ein mystischer Ort: die Pausendisco der heimischen Schule des Schreibers dieser Zeilen. Ein abgedunkeltes und abgeschottetes Séparée auf einer Empore, welches die höheren Jahrgänge zwischen Unterrichtseinheiten zuverlässig mit den heißesten Songs der frühen 2000er Jahre beschallten. Einfach so, mitten in der Eingangshalle. Völlig absurd, aber als konsequent durchgezogenes Konzept irgendwie auch sympathisch. Für besagten Schreiberling vor allem aber auch eine unnahbare Destination – als schüchterner Viertklässler waren Pokémon-Karten seitens des schulischen Kollegiums gerade noch so erlaubt, die Disco aber selbstredend ein pädagogisches No-Go. Bis auf diesen einen schicksalshaften Tag im Frühjahr 2001: Mit dem gesammelten Mut dreier Klassenkameraden und einer noch nie dagewesenen Abenteuerlust brach man aus den Zwängen der Gesellschaft aus, schlich sich an der Pausenaufsicht vorbei und betrat klammheimlich dieses ominöse Schattenreich. "Fuck the system". Oder so. Ganz und gar konform mit den aktuellen Single-Charts war jedoch der Track, dessen Refrain die Rebellentruppe im Inneren empfing: "I wanna be daylight in your eyes / I wanna be sunlight, only warmer."
Warum nun ausgerechnet diese Geschichte? Nunja, ehrlich gesagt gibt es auf "20", der neuen Jubiläums-Werksschau der No Angels, nicht allzu viel Spannendes zu entdecken – dafür melden sich jedoch reichlich Erinnerungen zurück, die man seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr vor Augen hatte. Meistens vermutlich auch aus gutem Grund. Doch wie sind die einstigen Chart-Blockbuster der ersten Casting-Girlgroup Deutschlands eigentlich gealtert? Und waren Songs wie "Still in love with you" oder "All cried out" nicht tatsächlich besser als ihr Ruf? Fragen, die leider auf "20" nicht final aufgerollt und abgeklärt werden können, denn die mittlerweile zum Quartett geschrumpfte Gruppe präsentiert ihre Klassiker – ganz gemäß der bewährten Comeback-Recycling-Tradition – im neu aufgenommenen "Celebration Version"-Gewand. Heißt in der Praxis: Dancepop-Beats und nervige Claps aus der kontemporären Grabbelkiste untermalen nun jeden einzelnen Song, möchten zeitgemäß sein, wirken aber zumeist wie ein unnötiges Attaché. Aus "Still in love with you" wird eine mit billig anmutender Produktion versehene Latin-Nummer, "Daylight in your eyes", "Rivers of joy" oder "Something about us" ersetzen die generischen Arrangements der frühen 2000er derweil durch die der frühen 2020er Jahre. So weit, so erwartbar.
Ein vorsichtiges Lob sei allerdings ob der Tatsache ausgesprochen, dass es hier für die treuesten Fans immerhin vier komplett neue Songs aufs Ohr gibt – mehr, als man bei einer Scheibe wie dieser hätte erwarten können. Vor allem, wenn dann auch noch ein solch skurriler Track wie "We keep the spirit alive" um die Ecke kommt – im Grunde genommen ein zahnloser Klon von Dua Lipas "Physical", der allerdings im letzten Songdrittel plötzlich anfängt, Versatzstücke sämtlicher alter Hits nach dem Hau-Ruck-Prinzip zu zitieren. Unsagbar trashig auf der einen, köstlich amüsant auf der anderen Seite. Auf den restlichen drei Neuzugängen ist dann jedoch eher magere Standardkost angesagt: "Mad wild" ist ein handzahmer Dance-Pop-Stampfer, "A new day" quasi dasselbe nur mit ein paar mehr Gitarren. "Love you for eternity" erfüllt schlussendlich die Anforderung nach der obligatorischen Schmalzballade mit all ihren deepest seas, darkest nights und highest mountains. Und so schielt der Blick der No Angels zum zwanzigsten Ehrentag eben doch eher auf das, was mal war. "We take you back in time / Join us back in time again." Die Pausendisco gibt es inzwischen übrigens nicht mehr. Man muss ja auch nicht an allem krampfhaft festhalten.
Highlights
- -
Tracklist
- Daylight in your eyes
- Still in love with you
- Something about us
- When the angels sing
- Rivers of joy
- There must be an angel
- We keep the spirit alive
- All cried out
- Someday
- Mad wild
- Washes over me
- Feelgood lies
- A new day
- Faith can move a mountain
- Cold as ice
- Love you for eternity
- Cry for you
- No angel (It's all in your mind)
- That's the reason
- Still in love with you (Acoustic)
Gesamtspielzeit: 70:00 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Otto volle Möhre Postings: 1132 Registriert seit 21.06.2021 |
2023-07-25 22:58:30 Uhr
Wenn man "20" volle Möhre gut findet, mit welchem Album sollte man als Neuling weitermachen? Die No Angels haben ja doch ein umfangreiches Ouvre. |
Otto volle Möhre Postings: 1132 Registriert seit 21.06.2021 |
2023-07-25 21:38:36 Uhr
Nakdinak |
Nicht-binär Postings: 3 Registriert seit 25.07.2023 |
2023-07-25 21:27:42 Uhr
Einfach schön zu sehen, dass alle fünf ihre eigenen Wege gegangen sind und vier von ihnen wieder zusammengefunden haben. Vom Marketing auch genial aufgezogen, wie die Freischaltung der Diskografie auf Spotify zelebriert wurde. |
Herr Postings: 2171 Registriert seit 17.08.2013 |
2021-06-19 22:10:32 Uhr
Bei Beatrice Egli meckert ja auch keiner. Da dürfen die 4 getz auch mal wieder. |
Boston Postings: 627 Registriert seit 14.06.2013 |
2021-06-19 16:31:09 Uhr
Wenigstens sind die zehnjährigen Mädchen von damals, denen die Plattenindustrie damit das Geld aus den Taschen gezogen hat, jetzt alt genug um zu verstehen, dass man das jetzt nicht mehr kaufen muss. |
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Referenzen
Spice Girls; Bro'Sis; All Saints; US5; Overground; Preluders; Take That; *NSYNC; Destiny's Child; TLC; Britney Spears; Christina Aguilera; Monrose; Queensberry; Nu Pagadi; Alexander Klaws; Blue; Natural; JoJo; All-4-One; O-Town; Backstreet Boys; Emma Bunton; Mandy Capristo; Boyzone; S Club 7; Madonna; Elli Erl; Juliette Schoppmann; Jeanette; Yvonne Catterfeld; Mark Medlock; Vanilla Ninja; LaFee; Gracia
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