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Slut - Talks of paradise

Slut- Talks of paradise

Lookbook / Cargo
VÖ: 18.06.2021

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Kein Tränenmeer

2013 flog die FDP aus dem Bundestag, ein Papst verkündete erstmals bei lebendigem Leibe seinen Rückzug, und Slut veröffentlichten mit "Alienation" ihr bisher letztes Album. Seitdem ist in Bayern viel Zeit vergangen, Markus Söder hat unzählige lustige Karnevalskostüme ausprobiert, und es blieb stumm im Slut-Proberaum, ganze acht Jahre lang. Acht Jahre, in denen das Denkmal einer der vielseitigsten Bands Deutschlands möglicherweise ein bisschen verblasste und Staub ansetzte. Zaghaft aber meldeten sich die mittlerweile auf vier Mitglieder zusammengeschrumpften Slut 2020 – Deutschland befindet sich mittlerweile im Ausnahmezustand – dann doch zurück: "For the soul there is no hospital" lautete die Feststellung zu wummernden Bässen, und die Hoffnung auf eine Fortsetzung blühte wieder auf. Mit "Talks of paradise" fügen Slut diese ihrem Œuvre nun nach weiteren Monaten des Bangens hinzu.

Ob Billy Corgans letztjähriger Synth-Alleingang "Cyr", den er frecherweise als The Smashing Pumpkins veröffentlicht hat, dabei als Inspiration diente, die Band aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken? Denn Slut, die mit "All we need is silence" mindestens ein reines, von oben bis unten herausragendes Schrammelgitarren-Album in der jüngeren Bandgeschichte vorzuweisen haben, folgen einer ähnlichen Fährte: Die Sechssaiter bleiben zu Hause, stattdessen wird sich inbrünstig an allerlei Achtziger-Sounds und Elektronikware bedient. Das gab's zwar auch schon auf "Alienation" zuhauf, man erinnere sich an "Broke my backbone" oder "Remote controlled". Nur bisher nicht mit dieser Vehemenz. Oder: in dieser Penetranz. Oder: ohne das Mehr an verschiedenen Stimmungen, das Slut-Alben bisher auszeichnete und das mit "StillNo1" seinen größten Triumph einfangen konnte. Dezent nerdy aber scheint es den Musikern nun vor allem darum zu gehen, die (technischen) Möglichkeiten ihrer Arrangements auszuloten: The beast sleeps well in Bavaria.

"Talks of paradise" ist mehr Singular als Plural, und es macht sich bittersüße Ernüchterung breit. Chris Neuburger singt noch immer wie ein junges Reh, die Band denkt noch immer jede Idee zu Ende und jeden Song um alle Ecken. Am Schlagzeug wird gar ein (Break-)Beat-Feuerwerk abgebrannt, das Bryan Devendorf mit seinen acht Armen nicht besser hinbekommen könnte. Allein: Die Kompositionen bleiben mitunter kraftlos, anschmiegsam zwar, aber merkwürdig blutleer. "Belly call" mausert sich so zum Highlight, fußt auf treibenden Drums, mit denen gewisse Anzugträger aus Cincinnati auch einverstanden wären, und ist eingängig wie damals "It was easier". Slut sind sowieso immer am besten gewesen, wenn sie genüsslich simple, aber ausdrucksstarke Melodien zelebrierten, ohne beweisen zu wollen, welch anspruchsvolle Fundamente sie darunter basteln können (dafür gibt es schließlich The Notwist). "How trivial we are" und das starke "Tell your friends" profitieren ebenfalls von dieser Überzeugungskraft.

Aber das Übereinanderschichten verschiedenster elektronischer Klänge zündet anfangs in "Good for all" noch eher als im mediokren "Penny changes dresses", das wie ein The-Cure-Song in Hochgeschwindigkeit abgespielt klingt. "Fala" hingegen zieht sich als Quasi-Instrumental ein wenig zäh durch sein experimentelles Geboller, das Neuburger zum Schluss zu einem balladesken Abschluss bringt (den "Black sleep" sich später gänzlich spart). Mit Reduktion wie an dieser Stelle halten Slut sich gemeinhin zurück, allein in den Texten regiert die Schwermut noch so gnadenlos wie früher: "Let them tears become a sea", fordert Neuburger in "The worst is yet to come". Dabei gibt es keinen Grund, in ein wehleidiges Lamento auszubrechen, spannend und herausfordernd auf musikalischer Ebene ist Sluts Neunte allemal – höchstens eine kleine Träne im Knopfloch bleibt. Denn leider lässt "Talks of paradise" den schöpferischen Reichtum, mit dem die Bayern sonst so wunderbar punkten konnten, bei all ihrer Konsequenz dann doch ein wenig vermissen. Am Denkmal Sluts sollte das nicht viel rütteln. Es müsste nur mal ordentlich entstaubt werden.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • Belly call
  • How trivial we are
  • Tell your friends

Tracklist

  1. Good for all
  2. For the soul there is no hospital
  3. Belly call
  4. Penny changes dresses
  5. Fala
  6. How trivial we are
  7. Tell your friends
  8. Yes no why later
  9. The worst is yet to come
  10. Vandals
  11. Black sleep

Gesamtspielzeit: 38:58 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

oldschool

Postings: 585

Registriert seit 27.04.2015

2021-08-25 12:54:35 Uhr
wird nicht die letzte Verschiebung sein ^^

Ralph mit F

Postings: 453

Registriert seit 10.03.2021

2021-08-20 14:35:38 Uhr
...uuuund Tour auf Februar verschoben :/

n00k

Postings: 158

Registriert seit 26.01.2021

2021-07-02 17:36:46 Uhr
Das ist eine recht unpräzise gestellte Frage.

Nicht unbedingt...Mir ging es eher darum, ob die Pressung was taugt, ob es evtl. ein spezielles Vinylmaster gibt, ob sie aus einem Presswerk mit nicht so durchgehend hoher Qualitätskontrolle stammt (Grüße gehen raus nach Tschechien) usw. Lirum, Larum, ist jetzt eh bestellt, danke dennoch :)

Klaus

Postings: 8150

Registriert seit 22.08.2019

2021-07-02 11:04:09 Uhr
Tour noch diesen September/Oktober geplant.

27.09. Berlin
28.09. hamburg
29.09. Köln
30.09. Stuttgart
01.10. München
02.10. Dresden

Robert G. Blume

Postings: 884

Registriert seit 07.06.2015

2021-07-02 01:07:00 Uhr
Kann jemand was zur Vinylausgabe sagen?

Das ist eine recht unpräzise gestellte Frage. Vielleicht hilft dir eine der folgenden Beschreibungen weiter:

- Selbe Musik wie im Stream
- Zwei Editionen: normal schwarz und limitiert in Crystal Clear
- Geschmackvolle, sehr minimalistische Aufmachung, die gut zur Musik passt
Zum kompletten Thread

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  • Slut (76 Beiträge / Letzter am 10.11.2023 - 11:01 Uhr)

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