Gary Numan - Intruder

BMG / Warner
VÖ: 21.05.2021
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Druck gemacht
Streaming ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits eine praktische und klimaneutrale Art des Musikhörens, die keine Rohstoffe für physikalische Tonträger verbraucht, für viele Künstler ob verschwindend geringer Erlöse aber auch ein Schritt Richtung finanzieller Ruin. Nehmen wir Gary Numan, der sich unlängst darüber beschwerte, mehr als eine Millionen Plays eines Songs hätten ihm lediglich 37 Pfund eingebracht – so weit, so nachvollziehbar. Unterkriegen lässt sich der britische New-Wave-Veteran davon jedoch nicht: Auf seinem nunmehr 18. Studioalbum schlüpft er in die Rolle von Mutter Erde, die den Menschen auszulöschen gedenkt, weil ihr dieser fortwährend übel mitspielt und das Maß nun mal irgendwann voll ist – ehrenwert, wiewohl bestenfalls mäßig originell. Hätte Numan zum eingangs erwähnten Thema nur nicht verlauten lassen: "Vor etwa einem Jahr habe ich meine Streaming-Abrechnung ausgedruckt, Hunderte und Hunderte von Seiten. Es war kaum das Papier wert." Merkste selber, ne? Ab hier wird es ein bisschen komisch.
Der Mann gehört mit 63 eben einer Generation an, die ihre Verdienstnachweise am liebsten schwarz auf weiß vor sich liegen hat. Doch wem war es im Büro nicht schon einmal rechtschaffen peinlich, ein Blatt auf den Schreibtisch zu bekommen, auf dem nichts steht außer oben links "please consider the environment before printing"? Kein Grund also, Schmählieder mit "Umweltsau" im Refrain anzustimmen und sich einen Shitstorm einzufangen. Gilt auch für "Intruder": Wie schon auf "Splinter (Songs from a broken mind)" und "Savage (Songs from a broken world)" zeigt sich Numan von Nine Inch Nails und anderen düsterelektronischen Größen beseelt und demonstriert Protégés wie Losers oder Kanga souverän, wie's geht. Mit dem Leidensvirtuosen Chris Corner alias IAMX macht er zumindest visuell gemeinsame Sache – und auch musikalisch scheint Corner im Geiste anwesend zu sein, wenn das breitbeinig marschierende "I am screaming" mit verspielter Harmonie anhebt oder "A black sun" kleine Piano-Nuancen ins Verderben tupft.
So formschön wie der frühere Sneaker-Pimps-Sänger jammert Numan zwar nicht, hat aber immer noch genug Volumen in der kehligen Stimme, um eindrücklich über den desolaten Zustand des Planeten Klage zu führen. "The gift" ist dabei nur inhaltlich ein Danaergeschenk und bringt nahöstliche Synthie-Streicher, infektiöse Hooklines und sirrende Flächen mühelos zusammen. Ein Niveau, das die folgenden Stücke längst nicht immer halten: Erst verspätet beweist Numan, dass er nicht nur an den Büromaschinen Druck macht. In "Is this world not enough" beharken sich Fanfaren nach Vorbild der EBM-Stoiker The Klinik und mies gelaunte Gitarren, während die Bass-Brandung des Groovers "Saints and liars" knarzig die Nachfolge von "My name is ruin" antritt. Und doch steht die merkwürdige Unentschlossenheit dieses Albums in keinem gesunden Verhältnis zum hehren Sujet – so gesehen programmatisch, dass "Intruder" unter anderem die Frage stellt: "Do you regret the things you never said?". Zum Beispiel: "Erwin, druck das mal aus. Nicht."
Highlights
- The gift
- Is this world not enough
- Saints and liars
Tracklist
- Betrayed
- The gift
- I am screaming
- Intruder
- Is this world not enough
- A black sun
- The chosen
- And it breaks me again
- Saints and liars
- Now and forever
- The end of dragons
- When you fall
Gesamtspielzeit: 59:59 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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oldschool Postings: 756 Registriert seit 27.04.2015 |
2021-05-29 00:09:06 Uhr
Album noch nicht gehört, die Vorabsongs find ich aber ganz gut.Die besprechung des Albums hingegen gar nicht. Da schreibt eine selbsternannte moralische Instanz von einem alten Mann, der zu einer Generation gehört, die lieber ausdruckt als digital zu archivieren. Das ist einfach nur eine dumme Verallgemeinerung und ist auch nicht besser, als wenn Opa über "die Jugend von Heute...!" schimpft. Erst in den letzten paar Zeilen geht der Schreiberling*Innen ^^ etwas auf die Musik ein..... |
fakeboy Postings: 5733 Registriert seit 21.08.2019 |
2021-05-13 12:07:34 Uhr
"Nehmen wir Gary Numan, der sich unlängst darüber beschwerte, mehr als eine Millionen Plays eines Songs hätten ihm lediglich 37 Pfund eingebracht"Eine Million Plays ergibt ungefähr 4500 Dollar. Wenn Numan nur 37 Pfund erhält, hat er einfach einen miesen Vertrag unterzeichnet... |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28276 Registriert seit 08.01.2012 |
2021-05-12 21:59:04 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28276 Registriert seit 08.01.2012 |
2021-04-22 15:02:53 Uhr - Newsbeitrag
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28276 Registriert seit 08.01.2012 |
2021-03-30 19:39:25 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Tubeway Army; Fad Gadget; The Associates; John Foxx And The Maths; Nine Inch Nails; How To Destroy Angels; Kanga; Losers; Peter Murphy; David Bowie; Depeche Mode; Dave Gahan; Recoil; Hurts; B-Movie; The Dark Flowers; Soft Cell; IAMX; Henric De La Cour; The New Division; Lea Porcelain; Agent Side Grinder; Cabaret Voltaire; The Normal; Suicide; Psyche; Colder; DK7; Fischerspooner; TR/ST; Yan Wagner; The Human League; Visage; Blancmange; The Devils; Ultravox; Tears For Fears; Seeming; Joy Division; Bauhaus; The Cure; The Glove; The Faint; Orgy; Julien-K; Deadsy; Pig; Tweaker; Euringer; VAST; Team Sleep; Marilyn Manson; Seigmen; Zeromancer; Ljungblut; Sulpher; Jayce Lewis; Protafield; Legend; Snowy White; The Klinik; Officers; Classix Nouveaux; Klaus Nomi; Devo; Lust For Youth; A.Human
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