Haiyti - Mieses Leben
Hayati / Urban
VÖ: 15.04.2021
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Tille und Vorstellung
Wenn es in der Welt mit rechten Dingen zuginge, wäre Haiyti vielleicht der größte Star des Deutschrap. Aber erstens ist die Welt ziemlich am Arsch und zweitens würde Haiyti dann wahrscheinlich keine Musik machen. Inwiefern sie denn überhaupt dem Genre zuzuordnen ist, sei dahingestellt. Fest steht, dass Haiyti primär vom Feuilleton gefeiert wird. Wird schon alles seinen Grund haben. Ihre Produktivität leidet nicht unter derlei Überlegungen, sie veröffentlicht weiterhin in einem atemberaubenden Tempo Alben. Zwar ist sie noch nicht ganz bei der Frequenz eines Viper The Rapper angekommen, aber was nicht ist, ist möglich. Waren "Sui sui" und "Influencer" ausgereifte Werke mit einem klaren Konzept, stellt "Mieses Leben" eine Rückkehr zu Altbewährtem da. Es ist wirr und laut. Es ließe sich viel in diese Tatsache hineininterpretieren. Aber vielleicht war ihr auch einfach nur danach.
Kein Zufall ist, dass sie ihr Alias "Robbery" aus der Mottenkiste gekramt hat. Viele haben aufgrund ihres kometenhaften Aufstiegs zur Trap-Queen vergessen, dass alles auf der Straße begann. "No limits" und so. Nun verkündet die gebürtige Hamburgerin "Robbery is back" und spuckt dabei Gift und Galle wie zu besten Zeiten. "Mieses Leben" ist ein schroffes und zerhacktes Album. Kaum ein Track knackt die Drei-Minuten-Marke. Kaum hat man sich eingenickt, brechen die Songs in der Mitte ab. Da ist sie wieder. Die Frage nach der Kunst. Ein Großteil der Beats stammt wieder von Project X, akustisches Wasserzeichen inklusive. Die minimalistischen Klänge passen gut zu Haiytis assoziativen Texten, welche auch diesmal mit einem Bein im Straßengraben und mit dem anderen in der Klapse stehen. Es geht um Ruhm, Geld, Drogen, das Übliche eben. Interessant wird die Angelegenheit dadurch, dass Haiyti nicht davor zurückschreckt, auch mal freizudrehen. Nachzuhören in der Vorabsingle "Wolken". Auf einen einlullenden Beginn folgt ein Ausbruch, der sprachlos macht. Das ist alles mögliche, aber keine Stangenware.
Nicht jeder Song auf "Mieses Leben" erreicht diese Qualität. Tracks wie "8 Stunden Arbeit" und "Erster Tag" sind eher Füllmaterial, stören den Fluss des Albums aber nicht. Viel besser, weil prägnanter, gerät hingegen "Toxisch". Zu einem furztrockenen Electrobeat rechnet die Rapperin mit all jenen ab, die ihr auf die Nerven gehen. Ihre Kompensationsstrategie: Champagner, Whisky, Tilidin, was man halt so kriegt. Sie betäubt sich, teils sicher aus künstlerischer Freiheit, teils aber auch, weil das alles anders gar nicht auszuhalten wäre. Immer wieder deuten Zeilen an, woher Haiyti ihre Inspiration bezieht. Aufgewachsen in den vielzitierten einfachen Verhältnissen. Blöde Menschen sprechen hier gerne von der Schule des Lebens. Haiyti spricht viel lieber in Rätseln: "Lasst es Benzos regnen / Minotauren fliegen / Wie viel kostet mein Leben? / Sag's mir ich kann nicht zählen", heißt es in "Helikopter". Ob das jetzt was fürs Lyrikseminar oder für die Toilettentür ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Aber es gibt weiterhin weit und breit niemanden, der in der deutschsprachigen Musikwelt so textet wie Haiyti. Und niemand vereint merkwürdige Kieksgeräusche mit einprägsamen Melodien so wie sie. Zum Star der Massen reicht es freilich nicht. Dazu ist Haiytis Musik zu abseitig, zu abgründig. Viele ihrer Songs erschließen sich ohnehin erst, wenn die visuelle Ebene hinzukommt. Besonders das Video zu "Was noch" liefert so etwas wie den Schlüssel zur aktuellen Gedankenwelt der Künstlerin. Da wird total ironisch durch eine Villa gewackelt, hier der Schampus, da der Porsche. Was man halt so hat. Aber selbst diese Ironie ist brüchig. Man weiß nie genau, wie ernst sie das alles meint, was sie da so treibt. Wenn es in der Welt mit rechten Dingen zuginge, wären derlei Fragen ohnehin überflüssig. Aber die Welt ist ziemlich am Arsch.
Highlights
- Toxisch
- Helikopter
- Was noch
- Wolken
Tracklist
- Intro
- Robbery is back
- Snob
- OMG
- Toxisch
- Papi chain
- Helikopter
- Freitag
- Was noch
- Erster Tag
- Paris
- Minusmensch
- 8 Stunden Arbeit
- Trap OG
- Regen und Niesel
- 50/50
- Aszendent Trapstar
- Wolken
Gesamtspielzeit: 38:55 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Affengitarre User und News-Scout Postings: 10783 Registriert seit 23.07.2014 |
2021-05-03 23:32:49 Uhr - Newsbeitrag
Bitteschön! |
Autotomate Postings: 6174 Registriert seit 25.10.2014 |
2021-05-03 23:09:47 Uhr
Neues Video zum Song "Toxisch". Bitte um Einbettung und Newsbeitrag :) |
Obrac Postings: 2084 Registriert seit 13.06.2013 |
2021-04-29 19:38:28 Uhr
Ok, mich als Gelegenheitsraphörer, wenn überhaupt, hat das Album total. Manchmal schon irgendwie an der Schamgrenze, aber halt nie darüber hinaus und dabei halt einfach wahnsinnig catchy mit ner Menge Flow und Energie. Irgendwie total originelle Musik, sogar textlich auf ihre eigene Art, weil da einfach ne Menge aus dem Bauch und weniger aus dem Kopf kommt. Als besonders stark empfinde ich das erste Drittel, vor allem mit "Snob" und "OMG", vielleicht habe ich mich aber auch einfach noch nicht intensiv genug weitergearbeitet. Dicke Überraschung für einen Indiehörer wie mich. |
Christopher Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 3576 Registriert seit 12.12.2013 |
2021-04-26 05:38:07 Uhr
Minusmensch ist ein recht weit verbreiteter Slangausdruck, mag das Wort sehr. |
qwertz Postings: 926 Registriert seit 15.05.2013 |
2021-04-25 19:18:21 Uhr
Keine Ahnung, wie das sonst so im Trap oder bei Haftbefehl und Co. funktioniert, aber für mich besteht der Reiz von Haiyti vor allem in dieser Kombination aus lächerlich übertriebenem materialistischem Gehabe und dem Dadaismus in den Texten. Zum einen suggeriert sie in jedem zweiten Song, sie wäre die Härteste im Game, trägt irgendwelche Designermarken und nimmt nur den besten Stoff. Zum anderen diese Aneinanderreihung von Slangsprache (Stichwort Barkash), sodass jeglicher Sinn abhanden kommt oder mir zumindest verschlossen bleibt. Oder wenn sie lautmalerisch ne Maschinenpistole nachahmt, die Stimme überdreht, rumkeift oder so sie ne Art Husten nach jeder Zeile einstreut. Fast immer enden Auseinandersetzungen damit, dass sie die AK rausholt, und bei Refrainzeilen wie "Was für ein Minusmensch" muss ich mich wirklich beherrschen nicht zu lachen, weil es in seiner Absurdität auch von Helge Schneider oder Deichkind stammen könnte. Um so kurioser finde ich es immer, wenn sie in Interviews so todernst und verbissen wirkt und Humor in ihrer Arbeit keine Rolle zu spielen scheint. "Mieses Leben" finde ich jedenfalls wie nahezu alle ihre Alben total gelungen, der Titeltrack am Schluss gleicht einer traumhaften Katharsis. Muss aber auch zugeben, dass ich mir Haiyti aufgrund des schrillen Stil nicht in jeder Situation geben kann. |
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Referenzen
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