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Neptunian Maximalism - Solar drone ceremony

Neptunian Maximalism- Solar drone ceremony

I, Voidhanger
VÖ: 23.04.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Eine neue Flusslehre

Neptunian Maximalism gehören zu den ambitionierteren Lärmkapellen des Metal-Untergrunds, man sollte vielleicht richtiger sagen: der Metal-Unterwelt. Wer letztes Jahr nicht die Muße hatte, sich ihrem 128-minütigen, ritualistischen Avantgarde-Spiel "Éons" zu widmen, hat mit "Solar drone ceremony" die Möglichkeit, auf kompaktere Weise in den Hades dieser Schaman*innen hinabzusteigen. Kompakt ist dabei natürlich eine relative Aussage, denn das neue Album der Belgier*innen besteht aus einem einzigen 53-minütigen Stück. Und zugänglicher sind sie auch nicht geworden. Zum Glück.

"Solar drone ceremony" ist die Neuvertonung des Tracks "The conference of the stars" von ihrer ersten EP. Vor Live-Publikum eingespielt und radikal neu interpretiert, handelt es sich um versierte Improvisationskunst, die auf einem bekannten Gerüst aufbaut, dieses aber im Laufe der Spielzeit weit hinter sich zurücklässt. Was die Belgier*innen so einzigartig macht und ihnen immer wieder Zuschreibungen exotischster Genre-Kopplungen einbringt, ist das Zusammenführen unterschiedlicher Improvisations-, Kompositions- und Arrangementtechniken aus den Bereichen des Free-Jazz, des extremen Metal und experimenteller Rockmusik. So kreischen und feedbacken die Gitarren wie garstige Schlangen und erinnern dabei wahlweise an Swans, Sleep oder auch – um alliterativ zu bleiben – an Sunn O))). Das Schlagzeug rumpelt jazzig frei daher, groovt und rockt dann plötzlich straight, bevor es schwerfällig und erbarmungslos in Funeral-Doom-Langsamkeit verfällt. Zwischen Gitarrenlärm und schweren Drums fungieren die orgiastisch tönenden Saxofone im Stile Colin Stetsons als verbindende Einheit. Die kaleidoskopische Konstellation ist dabei immer einem mitreißenden Fluss verschrieben, dem sich die Sound-Schaman*innen wie im Rausch hingeben.

Das monströse Stück beginnt mit einem ominös düsterem Sound-Vakuum – einem nebligen Drone, dessen Dunkelheit sich nicht lichten will. Erst nach über sieben Minuten schält sich ein Saxofon, begleitet von perkussivem Gerumpel und Gestotter aus dem Dickicht, perlen einzelne Synthies aus dem Zwielicht, der Track baut sich langsam auf. Allmählich trennen sich einzelne Stränge voneinander, agieren schwindelerregend und desorientierend nebeneinander, nur ganz sukzessive erhebt sich eine einheitliche Figur aus dem magmatischen Fluss. Erst wenn das Stück einen astreinen Swans-Groove inklusive Mantra-artigem Michael-Gira-Gejammer etabliert, entsteht so etwas wie eine Struktur, die Anhaltspunkte gewährt. Ekstatische, schwere Riffs untermauern diesen ersten Höhepunkt. Doch hält die strukturierte Passage nicht an, franst der Soundteppich aus und drängt sich die Ephemerität des Kompositionsansatzes wieder erbarmungslos in den Vordergrund. Erst nach 22 Minuten findet die Band wieder zueinander, umzingelt sich diesmal mit monolithisch-psychedelischem Riffing. Nach einer geschlagenen halben Stunde scheint die erste Hälfte ein Ende zu finden.

In Minute 32 stürzt das Stück kopfüber in eine unverhoffte, heftige Tribal-Passage, die gegen jede Erwartung mit einer klaren Melodieführung aufwartet und um die herum Neptunian Maximalism improvisieren und lärmen. Die repetitive Melodie, die rauschhaft loopartig immer weiter ins Ungewisse drängt, wird wieder durch den Mantra-Gesang und jaulende Saxofon-Soli unterstützt. Auch hier wird der etablierte Groove, das im Sinne von Sun Ra einheitlich tönende Arkestra schließlich doch konterkariert. Um die 38. Minute herum zerfleddern Melodie und Arrangement wieder, die Band frönt einem psychedelischen Freakout par excellence und gelangt dabei tonal in immer höhere Sphären, geht im Laufe der restlichen Laufzeit von einem Groove in den nächsten über, steigert sich ins Unermessliche. Bis der Knoten im Finale platzt und man erschöpft und ausgelaugt zurückbleibt. Die Kunst besteht hier darin, unbemerkt vom einem ins andere überzugehen, eine Aufführungspraxis des Sowohl-als-auch, der Überlagerung und Verschränkung, die Neptunian Maximalism auf "Solar drone ceremony" meistern. Hier wird Ursprüngliches mit Futuristischem vermengt. Dabei entsteht Musik, die weder nach gestern noch nach morgen klingt und die paradoxerweise die Zeitlosigkeit des Moments auf Band fesselt.

(Benedikt Stamm)

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Highlights

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Tracklist

  1. Solar drone ceremony

Gesamtspielzeit: 52:38 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Eye_Llama

Postings: 733

Registriert seit 09.05.2016

2021-04-28 22:11:42 Uhr
Solar Drone Ceremony entspricht in etwa tatsächlich der gezeigten live Darbietung. Nur fehlen diese Zwischenparts, die für mehr Abwechslung gesorgt hätten. Das mag zwar etwas enttäuschend sein, aber der monströse Sound macht das alles wieder wett. Allein wegen des Finales, das in einem wahnsinnigen Armageddon endet, lohnt sich dieses Album. (Knappe 8/10)

Eye_Llama

Postings: 733

Registriert seit 09.05.2016

2021-04-20 23:15:54 Uhr
Ich hätte es toll gefunden, wenn es das Material des neuen Albums gewesen wäre. Das hat meine Erwartungen nach oben geschraubt. Ich hoffe auch, dass dieses Material als Live DVD o Ä. erscheint.

Eliminator Jr.

Postings: 1262

Registriert seit 14.06.2013

2021-04-20 22:13:48 Uhr
Ach, prima! Weiß gar nicht warum, habe es aber als Livedarbietung des neuen Materials verstanden. Vielen Dank für den Hinweis, dann gebe ich mir das heute Abend noch.

Klaus

Postings: 9760

Registriert seit 22.08.2019

2021-04-20 21:53:59 Uhr
" Ein kleines Dilemma. Habe die LP vorbestellt und warte in solchen Fällen gern, bis ich sie physisch da habe. Andererseits klingt der Stream sehr verlockend. Oh no! "

Wenn ich das richtig sehe, spielen sie nicht dieses Album, du kannst also ruhig reinhören!

Eliminator Jr.

Postings: 1262

Registriert seit 14.06.2013

2021-04-20 21:47:32 Uhr
Ein kleines Dilemma. Habe die LP vorbestellt und warte in solchen Fällen gern, bis ich sie physisch da habe. Andererseits klingt der Stream sehr verlockend. Oh no!
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