Joris - Willkommen goodbye

Four / Sony
VÖ: 23.04.2021
Unsere Bewertung: 3/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Mit der Brechstange
Im Fahrwasser der allseits beliebten "Neuen Deutschpoeten" ist die Strömung nicht immer so seicht, wie es der meistens harmlose musikalische Output vermuten ließe – wer nicht aufpasst, versandet schnell mal im Niemandsland. Im Hause Joris scheint anno 2021 die Devise zu herrschen, diesem Schicksal bloß nicht zum Opfer zu fallen. Kein Wunder, denn nach dem flotten Überraschungshit "Herz über Kopf" und dem dazugehörigen Debütalbum "Hoffnungslos hoffnungsvoll" im Jahr 2015 legte sich die Euphorie rund um den mittlerweile 31-Jährigen doch recht schnell – bereits das Nachfolgealbum "Schrei es raus" war im Gegensatz zur Omnipräsenz der Kollegen Forster, Giesinger, Bourani & Co. eher ein laues Lüftchen. Höchste Zeit also, das Feld nochmal von Hinten aufzurollen.
Leider geschieht dies jedoch nicht etwa durch eine Rückbesinnung auf die durchaus vorhandenen Songwriting-Talente von Joris. Stattdessen wird im Hau-Ruck-Stil auf insgesamt elf Songs versucht, sämtliche verfügbaren Formatradio-Schablonen ins Soundgewand des Wahl-Mannheimers zu stecken. "Untergang" beispielsweise untermalt seine stumpfen, billig anmutenden Beats mit ein paar Pseudo-Indie-Gitarrenlicks und hat das Klatsch-Intermezzo für kommende Konzerte bereits serienmäßig eingebaut. Der Opener "Sturm & Drang" zielt mit allerhand Chor-Einsatz auf die große Geste ab, bleibt aber mit hanebüchenen Lyrics und einer sehr gezwungenen Performance beim Hand-in-die-Luft-Strecken auf halbem Weg stecken. Dabei steht der Track sinnbildlich für ein großes Problem auf "Willkommen goodbye": Die Produktion wirkt auf äußerst ärgerliche Weise seltsam künstlich und distanziert. Wenn der Titeltrack sich in ein mit wahllosen Soundelementen und Stampf-Beats völlig zugekleistertes Finale steigert, geht das Ganze hart an die Grenze des Erträglichen. Einzig "2017" nimmt sich ein wenig zurück und zeigt, dass Joris nach wie vor ein Gespür für stimmungsvolle Pop-Tracks besitzt – wenn er denn wollen würde.
Seinen Tiefpunkt erreicht "Willkommen goodbye" ausgerechnet, als Joris dagegen ausnahmsweise mal die Lässigkeit zelebriert: "Nur die Musik" missfällt als Vorab-Single vom Start weg mit ausgelutschten, nervigen Pfeif-Melodien und rezitiert im Anschluss Plattitüden wie "In meinem Kopf nur dieses Lied / Nur die Musik", welche direkt aus dem Mottenschrank ihren Weg auf die Tonspur gefunden haben. Im Refrain wird derweil ein "I don't give a fuck" zwar (bis auf einen frechen Ausrutscher) angedeutet, aber dennoch ironisch zensiert – man will ja nicht zu sehr anecken. Wollte Joris in der überlaufenen Deutschpop-Szene ein Ausrufezeichen setzen, wurde das Ziel mit "Willkommen goodbye" klar verfehlt. Stattdessen rennt er dem Zeitgeist mut- und seelenlos hinterher, ohne auch nur ansatzweise neue Akzente zu liefern. Die inhaltliche Zusammenfassung des Ganzen liefert der Künstler auf seinem Album-Closer dieses Mal selbst: "Game over."
Highlights
- 2017
Tracklist
- Sturm & Drang
- Nur die Musik
- Song X
- Untergang
- No drama song
- Home again (feat. Lotte)
- 2017
- Steine
- Willkommen goodbye
- Song Y
- Game over
Gesamtspielzeit: 35:03 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Francois Postings: 1241 Registriert seit 26.11.2019 |
2021-04-20 07:52:59 Uhr
„Deutschpoet“ :DBei dieser Beschreibung weiß man gleich, um was es sich da handelt... |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28240 Registriert seit 08.01.2012 |
2021-04-14 20:42:49 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
MartinS Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 1395 Registriert seit 31.10.2013 |
2021-04-14 20:03:05 Uhr
Was Eurodance Commando sagt. |
Eurodance Commando Postings: 1731 Registriert seit 26.07.2019 |
2021-04-14 20:01:59 Uhr
Rosamunde Pilcher für Indies wieder mal... Gott löscht euch doch alle ihr Softies... |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28240 Registriert seit 08.01.2012 |
2021-03-26 19:39:47 Uhr - Newsbeitrag
Mit „Steine“ erscheint heute ein neuer, ganz persönlicher Song von JORIS‘ kommenden Album „Willkommen Goodbye“.Sanft, aber auch brutal ehrlich: „Ich kann nicht für dich fallen, aber ich kann dich auffangen.“ Zum Song „Steine“ (Achtung Gänsehautgefahr) geht es hier entlang: https://joris.lnk.to/steine JORIS persönliche Worte: https://www.instagram.com/p/CM2aMUnqHy8/ Wer sagt eigentlich, dass Popsongs immer ein Happy End haben müssen? JORIS ist ein Freund deutlicher Worte; auch wenn ́s wehtut. Viele Lieder gaukeln uns vor, es wäre möglich, unseren Liebsten den Schmerz zu nehmen. Nicht wirklich, in JORIS` Augen. Dafür aber Nähe, Trost und Verständnis als Erste Hilfe und Langzeittherapie. Hauptsache, man lässt sich nicht los. |
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Referenzen
Mark Forster; Max Giesinger; Andreas Bourani; Tim Bendzko; Clueso; Johannes Oerding; Bosse; Wincent Weiss; Philipp Poisel; Silbermond; Juli; Tonbandgerät; Revolverheld; Olli Schulz; Enno Bunger; Philipp Dittberner; Adel Tawil; Sido; Rea Garvey; Unheilig; Selig; Christina Stürmer; Ina Müller; Frida Gold; Mia.; Sunrise Avenue; Johannes Strate; Gloria; Wir Sind Helden; Killerpilze; Tokio Hotel; Auletta; Neuser
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