Esther Rose - How many times

Full Time Hobby / Rough Trade
VÖ: 26.03.2021
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

She contains multitudes
Erinnert sich noch jemand an Jack Whites "Boarding house reach"? Neben waghalsigsten Genre-Abrissen warf jenes Werk auch einen Song namens "What's done is done" ab: ein kleines, zartes Country-Duett mit der aus New Orleans stammenden Esther Rose. Die junge Singer-Songwriterin zog bereits mit ihrem Debüt "This time last night" die Aufmerksamkeit des Ex-White-Stripes-Frontmanns auf sich, doch hat sie der Clash mit Whites Eklektizismus keinesfalls vom dort eingeschlagenen Weg abgebracht. "You made it this far", sagte sie sich selbst im Anschluss und versuchte gar nicht erst, ihren traditionellen Americana-Sound mit Pop-Einflüssen oder Stilbrüchen dem Indie-Mainstream anzubiedern. Daran ändert auch Rose' drittes Album nichts, obwohl es mit Ross Farbe den Kopf einer Synthpop-Band (Video Age) als Produzenten rekrutiert und das eingespielte Ensemble aus Fiddle, Lap-Steel und Kontrabass um eine E-Gitarre erweitert. Die zehn Songs von "How many times" wären auch vor 50 Jahren nicht im US-Country-Radio aufgefallen – und bewahren sich dennoch ein Maß an Universalität und Zugänglichkeit, um auch europäische Millennials ohne großartige Genre-Verankerung anzusprechen.
"How many times will you break my heart?", fragt Rose wiederholt im eröffnenden Titeltrack. Die Platte folgt lose dem Konzept einer gescheiterten Beziehung, doch verliert sie dabei nie die positiven Erinnerungen aus dem Blick. Die Arrangements bleiben jovial, während sich die 34-Jährige selbst vom fernen Leid ihrer Stimme nicht herunterziehen lässt und im Finale besagten Openers in befreiende "Sha-la-la"s ausbricht. Wie bereits auf den Vorgängern schafft sie es ausgezeichnet, komplexe Emotionen in simple Melodien und Worte zu verpacken. "My bad mood" zeichnet die schlechte Laune als eigenständigen Charakter, in dessen Gesellschaft die Protagonistin neidisch die neue Liebe ihres Ex betrachtet – ein Schunkelrhythmus und locker aus dem Karohemd geschüttelte Gitarren-Soli liefern das notwendige Augenzwinkern. Am allermeisten Spaß macht das Album, wenn es sich komplett dem Uptempo hingibt: in "Keeps me running" etwa mit seinem von elektrischen und gestrichenen Saiten befeuerten Drive oder in "Good time", das über die Highways Ohios zieht und seine Katharsis auf dem klebrigen Boden der nächstbesten Tanzkneipe findet. Wie geht eigentlich Squaredance?
Die Dynamik des Albums sorgt indes dafür, dass es trotz seiner wenig variablen Instrumentierung nie in Langeweile abdriftet. In "Coyote Creek" zeigt sich das gar in einem einzelnen Song, wenn sein nächtlicher Wüstenstreifzug bei einem naiven Sixties-Pop-Refrain ankommt. An anderen Stellen walzert sich "When you go" in die Einsamkeit, lässt "Are you out there" die Streicher vereinzelt ins orchestrale Stakkato gleiten oder fährt das groovige "Mountaintop" das inspirierteste Zusammenspiel der Band auf. Doch Rose brilliert auch ganz auf sich gestellt. In "Songs remain" findet sie alleine mit ihrer Akustischen einen versöhnlichen Abschluss: "I am glad it was you who broke my heart." Das Kappen einer untrennbar scheinenden emotionalen Bindung mag zu Beginn schmerzhaft sein, doch ist es bloß eine weitere persönlichkeitsstärkende Erfahrung, an der man als Mensch und Künstler*in wachsen kann. "How many times" macht es dem deutungsversessenen Rezensenten jedoch auch nicht zu einfach, endet es nicht mit dem logisch erwartbaren Emanzipationsstatement, sondern dem genauen Gegenteil davon: "I know I cannot remain without you." Esther Rose trägt zweifelsfrei mehr Widersprüche in sich, als es die kristallklare Oberfläche ihrer Country-Interpretation zunächst suggeriert.
Highlights
- How many times
- Keeps me running
- Mountaintop
Tracklist
- How many times
- Keeps me running
- My bad mood
- Coyote Creek
- Good time
- When you go
- Songs remain
- Mountaintop
- Are you out there
- Without you
Gesamtspielzeit: 35:10 min.
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2021-04-07 20:20:27 Uhr - Newsbeitrag
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