Godspeed You! Black Emperor - G_d's pee at state's end!

Constellation / Cargo
VÖ: 02.04.2021
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Sind wir schon da?
Ohne Dramatik geht es nicht bei Godspeed You! Black Emperor. Der apokalyptische Tenor ist seit jeher Bestandteil des kanadischen Kollektivs gewesen und präsentiert sich natürlich jetzt, zu Beginn der neuen Zwanzigerjahre, aktueller denn je. In ihrem jüngsten Manifest weist die Truppe selbst darauf hin, dass die Schilder der Straßenprediger von "End times soon!" auf "End times now!" umgestellt wurden. Sie haben nach eigener Aussage eine Platte über das Warten auf das Ende und den Neuanfang gemacht, nun, da alle Staatlichkeit versagt habe. Die Reichen sollen besteuert werden, bis sie verarmt seien, der korrupten Polizei solle man die Kontrolle entziehen, um sie den Communities zurückzugeben. Vielleicht muss man in diesem Fall einfach froh sein, dass die Musik von Godspeed You! Black Emperor wie eh und je ohne Lyrics auskommt und ihr siebtes Album "G_d's pee at state's end!" nicht minder kryptische und ausufernde Titel in der Tracklist auffährt.
"God's pee"? Jenes göttliche Pipi ist seit "'Allelujah! Don't bend! Ascend!" so etwas wie der humoristische Zweitnick der Band – eine seltsame Mischung im Gegensatz zur Todernsthaftigkeit, mit der sie ihre Botschaften vertonen. Genau jene Platte ist auch wieder die exakte strukturelle Blaupause für "G_d's pee at state's end!": Zwei rund 20-minütige Epen werden jeweils gefolgt von einem kürzeren Stück, das Drone- und Ambient-Elemente verwebt. Wie schon auf dem Vorgänger "Luciferian towers" schieben sich zwischen die bedrohlichen Weltuntergangs-Crescendos immer wieder erlösende Harmonien, welche den angesprochenen Neuanfang in Aussicht stellen. Besonders der Opener, der Einfachheit halber hier "A military alphabet (Five eyes all blind)" genannt, setzt auf einen monumentalen Spannungsaufbau durch die zurückgekehrten Sprachfetzen, welche bald einer Gitarre Platz machen. Diese schart immer mehr Instrumente und Lärm um sich, bis sich im hinteren Teil als auflösende Wohltat die Geigen nach vorne drängen.
Das Gegenstück "Government came" wählt einen anderen Ansatz, auch wenn er ebenfalls zu Beginn Sprachfetzen durcheinander wirft. Beinahe zufällig scheinen die Bandmitglieder Töne und Rhythmen zu spielen, erst mit der Zeit fügt sich alles zu einem zentralen Massiv zusammen. In der Mitte verglüht der Track mit einem elektrischen Rauschen, treibt ein paar Minuten im Äther herum, bis er mit einer sensationell schönen Melodie zurückkommt. Die verzerrten Glocken beim Ausklang erzeugen einen jener Momente, die das Standing dieses Kollektivs formen: Niemand sonst vertont so gut das Ende der Welt. Prinzipiell ist "Government came" eine Art Miniatur des "Asunder, sweet and other distress"-Prinzips und vielleicht ist dies generell der Vorwurf, den man Godspeed You! Black Emperor hier machen kann. Es lassen sich stets Referenzpunkte zum vergangenen Werk ziehen, neues Terrain erschließen die Kanadier nicht. Aber was soll's, bei dieser Qualität?
Die beiden kürzeren Stücke – immerhin auch jeweils mit sechs Minuten auf der Uhr – machen mehr als nur ihren Job. "Fire at Static Valley" beeindruckt besonders, wie es mit Sirenen und stetiger Percussion fast unbemerkt den Wechsel von Melancholie zu echter Verzweiflung einleitet. "Our side has to win (For D.H.)" betrachtet hingegen die toxische Sonne am Ende der Welt mit einer inneren Ruhe, die man sonst eher von Sigur Rós kennt, und löst das Versprechen der Platte ein, einen Weg nach oben zu beleuchten. Ob dieser so aussieht, wie Godspeed You! Black Emperor sich das vorstellen, sei nun dahingestellt. Wenn es um die Verarbeitung von Krisensituationen durch abstrakte instrumentale Kunst geht, bleiben die Kanadier allerdings ganz vorn dabei.
Highlights
- Fire at Static Valley
- "Government came" (9980.0kHz 3617.1kHz 4521.0 kHz) / Cliffs gaze / Cliffs' gaze at empty waters' rise / Ashes to sea or nearer to thee
Tracklist
- A military alphabet (Five eyes all blind) (4521.0kHz 6730.0kHz 4109.09kHz) / Job's lament / First of the last glaciers / Where we break how we shine (Rockets for Mary)
- Fire at Static Valley
- "Government came" (9980.0kHz 3617.1kHz 4521.0 kHz) / Cliffs gaze / Cliffs' gaze at empty waters' rise / Ashes to sea or nearer to thee
- Our side has to win (for D.H.)
Gesamtspielzeit: 52:36 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34612 Registriert seit 07.06.2013 |
2022-09-28 19:46:33 Uhr
Ich habe endlich mein tolles GYBE-Konzert. Mega Abend gewesen. War von Minute 1 drin. |
Sirius B Postings: 70 Registriert seit 25.10.2019 |
2022-09-28 03:13:14 Uhr
war heute ebenfalls in Leipzig, fantastisches Konzert mit guter Akustik. Für mich die überraschung war Rockets Fall on Rocket Falls, da auch recht selten gespielt, wenn das kein Politisches Statement war. Tolles ergreifendes Erlebniss. |
Fette Sau Alter Postings: 127 Registriert seit 18.09.2022 |
2022-09-28 01:44:13 Uhr
Felsenkeller Leiptsch: Nach dem viel zu langem Noise-Act zu Beginn (erstmal vier Runden Bier zur Abwechslung auf den Quatsch gegönnt) kam ab 21 Uhr die absolute Offenbarung. Fazit: Alle Erwartungen übertroffen, standen genau in der Mitte, fantastischer Sound. Perfekt. Hat mich komplett abgeholt. Bosses Hang war wieder mein Highlight, aber endlich habe ich auch mal den traurigen Mafioso bekommen. Gänsehaut hatte ich fast durchgehend. 10/10 |
NeoMath Postings: 2337 Registriert seit 11.03.2021 |
2022-09-27 15:32:37 Uhr
ja und der Sound dort ist meist sehr sehr besch...eiden. |
Klaus Postings: 10604 Registriert seit 22.08.2019 |
2022-09-27 15:17:32 Uhr
das SO36 ist einfach nur ein ätzender, langer Schlauch von einem Club, der darüber hinaus noch ziemlich verranzt ist, was aber aufgrund der Punkvergangenheit so akzeptiert wird. |
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Referenzen
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