Listen




Banner, 120 x 600, mit Claim


The Antlers - Green to gold

The Antlers- Green to gold

Transgressive / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 26.03.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Bye bye Traurigkeit

Der Mensch ist ein verrücktes Wesen. Da kündigten The Antlers im Januar 2021 urplötzlich ihr neues Album "Green to gold" an – und überraschten vor allem durch den abermals recht positiven und geradezu gut gelaunten Song, den es obendrauf gab, nachdem schon zwei andere Singles im Jahr zuvor durch optimistischen Charme überzeugten. Nicht nur, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits über elf Jahre her war, dass die New Yorker mit "Hospice" sicher eine der traurigsten Platten der Musikgeschichte veröffentlichten – was fast schon wie eine Untertreibung klingt. Und zudem vor gar nicht allzu langer Zeit mehr oder weniger bestätigte Gerüchte bezüglich der Auflösung der Band die Runde machten. In einem der merkwürdigsten Jahre unserer gemeinsamen Zeit hier auf Erden, als die ganze Welt bereits mehrere Monate von einer Pandemie durchgerüttelt wurde, sind wir echt schon fast enttäuscht, dass uns Peter Silberman und Michael Lerner nicht wieder das Herz direkt aus dem Brustkorb reißen und mit so niederschmetternden wie wahnsinnig schönen Melodien quasi vorzügliche Sterbebegleitung leisten? Sogar Silberman selbst weiß um das Image seiner Band, der gab bei der Album-Ankündigung nämlich gleich mit, dass er das erste Mal gar keinen Bock auf eine betrübte Platte gehabt hätte und er stattdessen viel lieber "Sunday morning music" machen wollte. Ok, Boomer?

Um noch einen wahrscheinlich mittlerweile sehr ausgelutschten, aber doch so wahren Satz an dieser Stelle zu platzieren: "Green to gold" ist möglicherweise nicht das The-Antlers-Album, das man sich erhofft hatte, sehr wohl aber das, welches aktuell nötiger gebraucht wird. Schon mit ihren letzten beiden Werken, dem 2011 veröffentlichten "Burst apart" und seinem drei Jahre später erschienenem Nachfolger "Familiars", zeigte das Duo, dass sie trotz oft zu Tode betrübter Texte durchaus auch hoffnungsvolle Melodien zusammenbauen können. Und so feiern wir hinsichtlich des Datums nicht einfach nur den einjährigen Geburtstag dieser bereits angesprochenen Pandemie, sondern viel lieber den Frühlingsbeginn – und dafür eignen sich die zehn neuen Songs vollumfänglich und vorzüglich. Schon der passenderweise als "Strawflower" betitelte Opener kündigt das sanfte Erwachen zu den ersten Sonnenstrahlen an, und ganz wie die namensgebende Strohblume ist auch diese kleine instrumentale Perle ein Stück Schönheit für die Ewigkeit: herrlich unaufgeregt, spürbar von allen Sorgen gelöst, voller Hoffnung.

Es folgen mit "Wheels roll home" und "Solstice" gleich zwei der vier vorab veröffentlichten Singles. Während Erstere vor allem Silbermans glockenhellem sowie glasklarem Gesang eine Bühne bietet, um den Weg für die kommende Dreiviertelstunde zu ebnen, verdeutlicht "Solstice" umso eindringlicher, wie ein möglicher Sommer-Song von The Antlers klingen könnte. Der eingangs erwähnte Track, den es als Appetit-Häppchen zur Album-Ankündigung dazugab, mag nicht unbedingt die beste Single der Band sein – die Konkurrenz ist bei solchen Meisterwerken wie "Two", "I don't want love" oder "Palace" allerdings auch wirklich groß –, erfüllt aber seinen Zweck. Denn er transportiert genau das, was man an The Antlers seit jeher zu schätzen weiß: das große Gefühl nämlich, die umwerfende Geste, den unausweichlichen Sog ins Seelenleben Silbermans. Nur dass es diesmal die erhellende Freude ist statt der zärtlichen Melancholie, der niederschmetternden Traurigkeit, der lähmenden Angst, der unerträglichen Wut.

In dieser Hinsicht sind The Antlers weiterhin Spezialisten, auch in glücklicher Form – und natürlich gönnt man ihnen den neugewonnenen optimistischen Ausblick in die Zukunft von Herzen. Fast schon ein wenig verführerisch kommt nämlich der Titeltrack daher, der irgendwo zwischen nächtlichem Groove und nachmittäglicher Folknummer wandelt und in der zweiten Hälfte seiner über sieben Minuten Spielzeit nur umso lieblicher wird. Und ebenso überzeugt der Pomp von "Volunteer", das zwar die Extraportion Kitsch aus dem Ärmel schüttelt, aber trotzdem so nah und warm und berührend ist wie ein guter Freund, dessen Mitgefühl nie auch nur ansatzweise aufgesetzt wirkt. "Green to gold" braucht dabei durchaus seine Zeit, um warm zu werden mit den The-Antlers-Fans der ersten Stunde, um sich einzunisten, um das Vertrauen zu gewinnen, um zu zeigen, dass es wirklich nur das Beste möchte und der nächste Schlag in die Magengrube eben nicht um die Ecke lauert. Dann aber kann man sich von der so schlichten wie schönen Ästhetik eines "Porchlight" verzaubern lassen, das die besten Seiten der letzten drei Vorgänger-Alben vereint. Da ist nämlich doch so ein kleiner Hauch Melancholie und Zerbrechlichkeit. Aber es traut den großen Schritt, es lässt sich auf die Ungewissheit ein – und gewinnt dadurch. Mit "Equinox" endet "Green to gold" schließlich, wie es begonnen hat: instrumental und voller Schönheit. Und auch das Herzklopfen beim Hörer ist wieder da. Oder immer noch? Manche Dinge ändern sich eben doch nie.

(Jennifer Depner)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Bestellen bei Amazon / JPC

Highlights

  • Volunteer
  • Green to gold
  • Porchlight

Tracklist

  1. Strawflower
  2. Wheels roll home
  3. Solstice
  4. Stubborn man
  5. Just one sec
  6. It is what it is
  7. Volunteer
  8. Green to gold
  9. Porchlight
  10. Equinox

Gesamtspielzeit: 47:17 min.

Album/Rezension im Forum kommentieren

Einmal am Tag per Mail benachrichtigt werden über neue Beiträge in diesem Thread

Um Nachrichten zu posten, musst Du Dich hier einloggen.

Du bist noch nicht registriert? Das kannst Du hier schnell erledigen. Oder noch einfacher:

Du kannst auch hier eine Nachricht erfassen und erhältst dann in einem weiteren Schritt direkt die Möglichkeit, Dich zu registrieren.
Benutzername:
Deine Nachricht:
Forums-Thread ausklappen
(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Francois

Postings: 1290

Registriert seit 26.11.2019

2021-04-20 18:56:42 Uhr
Insgesamt fehlt vielleicht die „Tiefe“ von Familiars - aber dennoch ein schönes Album.
Die 7 geht da doch in Ordnung.
Mein persönlicher Favorit ist „Just one Sec“

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34701

Registriert seit 07.06.2013

2021-04-20 12:21:12 Uhr
Schon ein schönes Album. Sowas richtig grandioses wie "Palace" finde ich zwar nicht, aber ich höre es trotzdem sehr gern. Mein Lieblings wäre wohl "It is what it is". So wirklich popsitiver als sonst klingt das für mich immer noch nicht, ist ja aber auch egal. Einfach eine sehr warme Band...

Francois

Postings: 1290

Registriert seit 26.11.2019

2021-03-30 21:29:19 Uhr
Familiars ist etwas verschlossener, find ich...
keine Ahnung, ob man sich drunter was vorstellen kann....

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34701

Registriert seit 07.06.2013

2021-03-30 11:21:22 Uhr
Interessant, dass hier alle die Stimmung des Albums so positiv und frühlingshaft sehen. Hatte deshalb etwas ganz anderes erwartet. Finde das Album aber auf's erste Ohr ähnlich "Familiars", also eher sehr ruhig und melancholisch. Komisch. (Hab aber die Texte noch nichf gelesen)

Francois

Postings: 1290

Registriert seit 26.11.2019

2021-03-29 22:59:21 Uhr
Album gefällt immer mehr.
Ist weniger komplex als Familiars, deutlich „positiver“,... ein Album für den Frühling - und bestätigt, dass jede Platte anders klingt und in sich stimmig ist.

Für eine 7/10 zu gut. Aber nicht besser als das Genannte oder gar Hospice,... aber wieder eine wunderschöne Platte die man einfach vom Anfang bis Ende hört
Zum kompletten Thread

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Bestellen bei Amazon

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Plattentests.de-Forum

Anhören bei Spotify