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Visionist - A call to arms

Visionist- A call to arms

Mute / PIAS / GoodToGo
VÖ: 05.03.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Kommen Sie ruhig näher

"Na, wie war's im Büro?" Immer die gleichen Fragen, auf die man nichts zu sagen weiß. Außer vielleicht: "Ach, das Übliche. Kein Mensch da, nur ab und zu huschte eine Gestalt mit Cowboyhut vorbei, und dann hat auch noch so ein Witzbold alle Möbel mit Bindfäden an einem Motor in der Wand befestigt. Und am Ende lag der ganze Kram kreuz und quer in der Ecke. Saftladen." Wer derlei erzählt, war jedoch vermutlich nicht bei der Arbeit, sondern hat Jonathan Schippers kinetische Rauminstallation "Cubicle" besucht. Oder zumindest das Video zu Visionists "The fold" gesehen, das aus zahlreichen Perspektiven des Kunstwerks besteht. Keine üble Untermalung für eine flehende Moritat, die lediglich einsame Pianotropfen und ein bedrohlich tickendes Metronom benötigt, während Louis Carnell und Gastsängerin Haley Fohr alias Circuit Des Yeux so samtig wie möglich und so androgyn wie nötig um die Wette croonen und über das Paradox von Geborgenheit und Freiheitsdrang meditieren. Blendend – und nicht mal der einzige richtiggehende Song auf "A call to arms".

Auf "Value" sah das 2017 noch anders aus, als das verhuschte Soul-Glühwürmchen "Your approval" gegen gewaltige Grime-Splitterbomben und elektronischen Power-Noise alleine auf weiter Flur stand. Es sollte also niemanden erschrecken, wenn der Brite es zum Auftakt ausgiebig rauschen lässt, 30 Sekunden Stille reinschnippelt und Childhoods Ben Romans-Hopcraft für einen umnachteten Holzbläser-Part ins Studio zerrt. Das ist nämlich nur die Spitze des sich beständig verschiebenden Geräuschmassivs, in das mit Verzögerung aggressive Vocal-Loops einfallen – eine Art verwunschene Panflöte der Verzweiflung, wie sie auch im flammenden Fiebertraum "A born new" dudelt. Beats? Müssen noch eine ganze Weile warten, denn auch der von Rückkopplungen zerfurchte, wehmütig barmende Schleicher "Form" bleibt perkussiv so ungreifbar und körperlos, dass man sich wie Carnell auf dem Cover am liebsten verkehrtherum in die Wolken legen würde – auch wenn diese jeden Moment in schwerste Tränen auszubrechen drohen.

Da hält sich selbst der japanische Lärm-Magnat KK Null bei seinem ungewohnt maßvoll schwelenden Beitrag zu "Allowed to dream" zurück, ehe Carnell seine Maschinen erstmals auf übersteuerten Krawall stellt: "Nearly God" erinnert nur im Titel an das gleichnamige Tricky-Nebenprojekt, rasselt verheißungsvoll mit dem groben Crunch-Besteck und sublimiert nach der Hälfte allmählich in diffus knirschende Schwaden. Sozusagen die Generalprobe für das steif geschlagene, technoide Gewummer "Lie digging", das Underworlds "Born slippy .nuxx" bis zum Rand mit rostigen Nägeln füllt und kräftig durchschüttelt, sodass der kaltgepresste Monster-Track kurz sämtliche Entrücktheit aus diesem Album quetscht. Kategorien wie Clubmusik, Industrial, Ambient oder Torch-Song müssen ob so planvoll verwüsteter Soundscapes versagen, doch hielt Carnell seine Hörer mit "Value" noch brüsk auf Distanz, versucht er hier mehr denn je Nähe herzustellen. Anfang 2021 immer noch bitter nötig – und sicher eine bessere Idee, als ins Büro zu gehen.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Form
  • The fold
  • Lie digging

Tracklist

  1. By design
  2. Form
  3. Allowed to dream
  4. Nearly God
  5. A born new
  6. The fold
  7. Lie digging
  8. Winter sun
  9. Cast

Gesamtspielzeit: 44:45 min.

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Armin

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2021-03-03 23:04:31 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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