Lael Neale - Acquainted with night

Sub Pop / Cargo
VÖ: 19.02.2021
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

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Weg mit dem Ballast. Es ist ja durchaus reizvoll, Songs vollmundig auszugestalten, an jedem Detail zu schrauben. Lael Neale aus Los Angeles hat aber die Erfahrung gemacht, dass über eine ausgefeilte, reichhaltige Produktion die Essenz eines Stückes verloren gehen kann. Und was macht man da? Neale besorgte sich eine Omnichord-Orgel und verkroch sich in ihr Schlafzimmer. Nur Kumpel Guy Blakeslee hatte da Zugang und unterstützte den Songwriting-Prozess mit empathischen Ratschlägen. Herausgekommen ist dabei "Acquainted with night", ein klassisches Songwriter-Album mit ganz reduzierter Instrumentenpalette. Dieses Werk setzt den Fokus auf mäandrierende Strophen und repetetive Elemente. Dabei steht oft die Verbindung zwischen den Menschen im Mittelpunkt – und wie diese erreicht werden kann.
Auf einem langmütigen Klangbett des Ominchords ruht "Every star shivers in the dark", Naeles Stimme ist dabei glasklar und glockenhell, die sich einprägsam abspulende Melodik vermittelt Zuversicht, aus "Why can't I love someone?" wird ein fast trotziges "I gonna love someone". Die Überbrückung von Distanzen, das Knüpfen eines erfüllenden Kontaktes vollzieht sich in Zeitlupe, die Töne entfalten sich ganz allmählich, erzählen in ihrer Trägheit die Geschichte eines ganzen Lebens. "Blue vein", einer der ganz seltenen Momente mit Gitarrenbegleitung, besitzt eine ähnliche Treue zur Zuversicht, die selig machende Liebe steht zentral in diesem Stück. Alles strahlt eine in Melancholie getauchte Gewissheit aus, dass alles so kommt, wie es soll, und ach ja, "There's nothing to believe in / Besides you and I".
Der Titelsong wirkt fragmentarisch, wie ein Lofi-Schlaflied, kein Schlagzeug, keine Backing-Band. Neale konzentriert sich auf die sprudelnde Melodie, es herrscht viel Raum zwischen den einzelnen Tönen, man kann der in die Einsamkeit der Nacht entlassenen Stimme förmlich nachspüren. Dass trotz aller Reduktion, trotz allem Fragment, die Songs fertig und vollkommen erscheinen, liegt an der konzentrierten Gesangsperformance von Neale. Da ist "White wings" fast nur ein beiläufiges Liedchen, doch die Stimme von Neale besitzt Kraft und Richtung, umarmt und führt den Hörer durchs Ungewisse, "What will I do? / Who will I be?". Man weiß nicht, wo genau es lang geht, aber man kommt an, ganz sicher.
"Third floor window" strahlt dann auch in seiner Getragenheit etwas Feierliches, Sakrales aus. Und trotz der federleichten Gestaltung aus Gesang und Omnichord besitzt dieses Stück Gewicht und Widmung. Denn in den Songs wohnt ein stetiges, aber unbeirrbares Licht, eine Wille, aus der Dunkelheit heraus zu kommen. Dies gelingt ohne klangliche Opulenz, ja noch nicht mal ein instrumentaler Nachdruck ist zu spüren. Einsam wandeln die Orgeltöne durch den leeren Raum und erforschen mit sanfter Entschlossenheit komplexe Stimmungsnuancen. Dass mit "Some sunny day" die Reise in einer hellen Zukunft endet, passt zu diesem dezent hofnungsvollen Album. Und es hat gut getan, dass man bei diesem Werk mit ganz wenigen Elementen in Kontakt war. So konnte man sich tief und fest mit ihnen anfreunden.
Highlights
- Every star shivers in the dark
- Acquainted with night
- Third floor window
Tracklist
- Blue vein
- Every star shivers in the dark
- Acquainted with night
- White wings
- How far is it to the grave
- For no one for now
- Sliding doors & warm summer roses
- Third floor window
- Let me live by the side of the road
- Some sunny day
Gesamtspielzeit: 40:35 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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myx Postings: 5376 Registriert seit 16.10.2016 |
2021-03-03 19:26:48 Uhr
Das kann ich schon gut nachempfinden. Ich höre ehrlich gesagt auch fast lieber nur einzelne Songs daraus, die sind aber einfach nur wunderschön. "Every Star Shivers in the Dark" ist mir mittlerweile am meisten ans Herz gewachsen. Der Titelsong und der Closer gehören auch zu meinen Lieblingen. |
chillblue Postings: 11 Registriert seit 22.08.2019 |
2021-03-03 19:13:25 Uhr
gefällt mir grundsätzlich auch gut, aber das Album am Stück anzuhören find ich recht anstrengend |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27979 Registriert seit 08.01.2012 |
2021-02-25 10:36:38 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
myx Postings: 5376 Registriert seit 16.10.2016 |
2021-01-24 08:43:26 Uhr
"For No One For Now" ist ein erster Kandidat für meinen Song des Jahres, wunderschön gesungen, ein kleines Juwel, auch die Lyrics. |
myx Postings: 5376 Registriert seit 16.10.2016 |
2021-01-23 14:46:32 Uhr
Das neue Album der Kalifornischen Songwriterin Lael Neale, "Acquainted With Night", erscheint am 19. Februar 2021 und ist ihre erste Veröffentlichung für Sub Pop.Ihre Instrumente sind das Omnichord und ein Drumcomputer. Mir gefällt vor allem ihre wundervolle Stimme. Das britische Uncut schwärmt denn auch treffend: "A thing of shimmering beauty, led by Neale’s otherworldly voice with its shades of Vashti Bunyan and Julia Holter." Habe heute den Vorabsong "For No One For Now" gehört und war ziemlich angetan. Mit "Blue Vein" und "Every Star Shivers in the Dark" sind noch zwei weitere Vorabsongs draussen. Freue mich auf das Album, und vielleicht gefällt die Musik ja noch weiteren Kreisen hier. |
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Referenzen
Jess Williamson; Tomberlin; Sun June; Lande Hekt; Lomelda; Anna B Savage; Madeline Kenney; Angelo De Augustine; Ben Howard; Cass McCombs; Brigid Mae Power; Shannon Lay; Bedouine; Hand Habits; Anna Burch; Helena Deland; Soccer Mommy; Julien Baker; Haley Heynderickx; Black Belt Eagle Scout; Snail Mail; Buck Meek; Adrianne Lenker; Torres; Margaret Glaspy; Half Waif; Katie Von Schleicher; Anna Von Hausswolff; Miya Folick; Lucy Dacus
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