Transatlantic - The absolute universe: Forevermore
InsideOut / Sony
VÖ: 05.02.2021
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Darf's etwas mehr sein?
Transatlantic immer dafür bekannt, aus den üblichen Schemata von Plattenveröffentlichungen ausbrechen zu wollen. Herkunft verpflichtet, schließlich entstand die Prog-Supergroup im Jahr 1999 aus Vertretern der damals namhaftesten Genre-Bands wie Spock's Beard oder Dream Theater. Da durfte es also mit "The whirlwind" gern einmal eine Platte sein, die aus exakt einem Song bestand, und wenn das geballte Können einmal als Live-Album veröffentlicht wurde, dann reichten ganze sechs Songs, um "More never is enough" auf schlanke drei Stunden Spielzeit zu pimpen. Einzig das letzte Album "Kaleidoscope" geriet vergleichsweise konventionell – nicht nur, dass 2014 ein schnödes Doppelalbum ausreichen musste, nein, auch die nicht immer vor Inspriation sprühenden Songs sorgten erstmals dafür, dass Neal Morse, Mike Portnoy, Pete Trewavas und Roine Stolt – immer noch höchst respektable Vertreter des Genres – eine bestenfalls irdische Artrock-Platte zu vertreten hatten.
Ob aber nun die Veröffentlichungspolitik von "The absolute universe" tatsächlich kaltes Kalkül war oder aus der Not heraus geboren wurde, wie Drummer Mike Portnoy betont, sei fürs erste einmal dahingestellt. Fakt ist, dass dem Quartett anscheinend während der Aufnahmen die musikalischen Pferde durchgegangen sind und die Songs wieder einmal auf dem besten Wege waren, ein Doppelalbum zu füllen. Und da simples Straffen der Stücke ebenfalls nicht in Frage kam, gibt es also nun zwei Fassungen der selben Platte: Zum einen "The absolute universe: Forevermore", das die ausführliche Version darstellen soll, zum anderen "The absolute universe: The breath of life", eine Single-CD-Version, die nicht etwa simple Edits beinhaltet, sondern teils komplett andere Interpretationen der selben Idee. Klingt kompliziert? Ist es auch. Aber wie erwähnt – das Attribut "gewöhnlich" kommt in der Welt von Transatlantic nicht vor.
Kümmern wir uns also um die lange, die ausführliche Version der Platte. Und hier zeigen Transatlantic vor allem im treffend betitelten "Overture" und im folgenden "Heart like a whirlwind", welch großartige Musiker hier am Werk sind. Natürlich ist das auch irgendwo instrumentale Selbstbefriedigung, auf der anderen Seite aber auch purer Eskapismus, wenn man sich unter dem Kopfhörer wegtreiben lässt, den wunderbaren Läufen des Marillion-Bassisten Pete Trewavas lauscht oder im leicht angerauten Timbre des Gesangs von Frontmann Neal Morse schwelgt. Auch wenn die ganz großen magischen Momente von Longtracks wie einst "Duel with the devil" aus dem Jahr 2001 leider fehlen.
Zumal sich die vier Herren im Anschluss kurzzeitig an sich selbst berauschen. "Higher than the morning" beispielsweise klingt nicht zuletzt durch den Lead-Gesang von Roine Stolt wie eine Blaupause der zuletzt eher mäßig inspirierten Alben der Flower Kings, und auch danach fehlt zunächst oft die berühmte Klammer, die die Songs zusammenhält – was übrigens auch auf die entsprechende Phase auf "The absolute universe: The breath of life" zutrifft. Es dauert bis zur Schlussphase der ersten CD, bis "Looking for the light" und vor allem "The world we used to know" aus dem Einerlei der Songs reißen. Ein Einerlei, nach dem sich andere Bands immer noch die Finger lecken würden, aber die Ansprüche müssen hier einfach andere sein.
Dieser Wechsel zwischen Euphorie und dezenter Ernüchterung zieht sich auch über die zweite CD. Nun sind da das wunderbare "The sun comes up today", das zum Schluss noch "Higher than the morning" zitiert, oder aber das giftige "Owl howl", das endlich, endlich mehr Tiefe ausstrahlt – und schon werden diese Lücken mit bestenfalls gutem Material wie "Solitude" oder "Lonesome rebel" gefüllt. Fast scheint es, als sei der Band der Kompass abhanden gekommen, die ordnende Hand, die auch mal sagt: "Bis hierhin und nicht weiter." So verliert sich die Platte immer wieder in gewissen Längen, die Transatlantic zu Beginn der Zusammenarbeit nie unterlaufen sind. Und wenn das Quartett nicht zum Ende mit "The greatest story never ends" und "Love made a way" zwei Songs lieferte, die genau jene Magie ausstrahlen, die ansonsten zu oft fehlt. Vielleicht hätten sich Transatlantic doch einmal darauf konzentrieren sollen, ein auf die Kernkompetenz verdichtetes Album zu produzieren. So ist es im Grunde egal, welche der beiden Versionen nun die persönlich favorisierte ist. Bei allem Gemäkel erhält man in jedem Fall ein gutes Album – nur ist das eben weit davon entfernt, was die Band einst mit Meisterwerken wie "Bridge across forever" liefern konnte.
Highlights
- Heart like a whirlwind
- The world we used to know
- Owl howl
- The greatest story never ends
Tracklist
- CD 1
- Overture
- Heart like a whirlwind
- Higher than the morning
- The darkness in the light
- Swing high, swing low
- Bully
- Rainbow sky
- Looking for the light
- The world we used to know
- CD 2
- The sun comes up today
- Love made a way (Prelude)
- Owl howl
- Solitude
- Belong
- Lonesome rebel
- Looking for the light (Reprise)
- The greatest story never ends
- Love made a way
Gesamtspielzeit: 90:23 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Analog Kid Postings: 2155 Registriert seit 27.06.2013 |
2021-03-03 15:47:32 Uhr
Also muss ja nochmal sagen. Gefällt mir jetzt doch außerordentlich gut. Dürfte wohl erstmal mein Frühlings-Soundtrack werden. Laut Tracklist 5 Songs mehr bei "Forevermore" im Vergleich zur "abridged" Version, und alles Nummern die ich als Highlights bezeichnen würde. Alles hat einen wunderbaren Flow und bietet genau die Abwechslung, die ich oben so ein bisschen vermisst habe. Tolle instrumental-Leads und Solopassagen immer mal wieder eingestreut, und wie musikalische Themen immer wieder aufgegriffen und variiert werden, ist wirklich sehr hübsch. Wertung hier mindestens 2 Punkte zu niedrig. |
Analog Kid Postings: 2155 Registriert seit 27.06.2013 |
2021-03-01 23:04:52 Uhr
Also die extended Version ist ja wirklich viel besser. Und auch irgendwie ganz anders scheint mir, das muss ich noch genauer erkunden. Obwohl die meisten Songs ja anscheinend irgendwie schon die gleichen wie auf der Single-CD sind. Aber das war jetzt durchgehend spritzig, abwechslungsreich und spannend. Nicht schlecht. Könnte sich auch hier zu nem Dauerbrenner entwickeln. |
Marküs Postings: 1287 Registriert seit 08.02.2018 |
2021-02-26 17:57:13 Uhr
Habe die extended Version zwei Wochen lang rauf- und runtergehört. Nach anfänglicher Enttäuschung und (berechtigtem) morse of the same Gefühl, finde ich das Album mittlerweile hervorragend. Man muss damit klarkommen, dass es staubtrockener und null Prozent innovativer ProgRock der ganz alten Schule ist. Innerhalb dieses Stils ist es jedoch eine tolle Platte mit vielen Highlights. Die Gesänge finde ich sehr gut und die Instrumentalarbeit sogar über jeden Zweifel erhaben. Ich brauche einfach jedes Jahr mindestens ein erzkonservatives Prog Rock Album, dieses Jahr ist es dieses hier. |
Analog Kid Postings: 2155 Registriert seit 27.06.2013 |
2021-02-26 13:52:29 Uhr
Okee, Erstdurchlauf der "abridged" 1 CD-Version. Fängt gut an, dann schnarchts ein, nach hinten raus (ab "Belong") wirds wieder ganz geil. Kann bei der Version die Wertung von "BBS-Brückner" soweit halbwegs nachvollziehen. Aber mehrere Durchläufe müssen noch Klarheit schaffen. Gefällt jedenfalls schon mal besser als Morses letzte. Was mir leicht aufstösst: Pete Trewawas ist ganz bestimmt ein supernetter Typ, und spielt einen Mordsbass, aber er ist einfach ein miserabler Sänger, der mal wieder viel zuviel im Vordergrund rumtönt. Dagegen hat Portnoy offenbar Gesangsunterricht genommen. Und dann wieder diese EINE instrumentale Overkill-Stelle kurz vor dem "epischen" Finale, sorry Jungs, das ist zuviel Schema F. War bei Whirlwind und Kaleidoscope genau so, und bei so ziemlich jedem Morse-Longtrack der letzten 10 Jahre. Anstatt das mit vielen kleinen Spielereien und Momenten über die ganze Platte zu verteilen wie bei den ersten beiden Alben. Ist echt "stockkonservativ" aus dem Transatlantic-Baukasten. Genau wie der Albumtitel. "The Endless Absolute Universe Of The Infinite Forevermore Of Life" oder doch "The Infinite Absolute Life Of The Endless Forevermore Universe"? Klingt jetzt nach Rant, aber sollte es eigentlich gar nicht sein. Muss noch die 2CD-Variante hören... |
Tryptolin Postings: 204 Registriert seit 22.01.2021 |
2021-02-11 14:33:47 Uhr
Großartiges Album. Woanders weiß man das auch zu würdigen.http://www.progarchives.com/album.asp?id=71000 |
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Referenzen
Spock's Beard; Neal Morse; The Flower Kings; Marillion; Pink Floyd; Dream Theater; Redemption; Riverside; Fates Warning; The Tangent; Kaipa; Sylvan; Vanden Plas; Ayreon; Ritual; Pain Of Salvation; Porcupine Tree; Queensrÿche; Shadow Gallery; Blackfield; Deadsoul Tribe; Frost; IQ; The Jelly Jam; King's X; Rush; Genesis; Yes; Beardfish; A.C.T.; Liquid Tension Experiment; Enchant; Everon; Yellow Matter Custard; Arena; It Bites
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