Ashnikko - Demidevil

Parlophone / Warner
VÖ: 15.01.2021
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Blue music
Nach hinten verschobene Veröffentlichungstermine sind in der aktuellen Weltlage keine Seltenheit. Bei Ashnikkos Debüt-Mixtape "Demidevil" erstaunt vielmehr, dass sein Release aufgrund zu früh verschickter physischer Kopien letztlich um einen Monat vorgezogen wurde. Das wirft vor allem die Frage auf, wer bei den Tentakelnippeln der Meeresgöttin sich dieses Werk ins Regal stellt. Klar, eine prominente Platzierung des Albumcovers spart wahrscheinlich den Kammerjäger, doch eigentlich ist die Musik von Ashton Casey voll auf die Aufmerksamkeitsspanne der Gen Z ausgelegt. Darauf weist schon ihre ganze Ästhetik zwischen Grimes'schen Cyber-Goth und campy Manga-Lolita hin, inklusive einer so wandelbaren wie auffälligen blauen Haarpracht. Kein Wunder, dass die junge US-Rapperin in erster Instanz auf TikTok viral ging, was für den Massengeschmack der Teens und Twens inzwischen eh mehr Aussagekraft besitzt als die verkrusteten Single-Charts. Substanzlosigkeit lässt sich ihr freilich nicht vorwerfen, wenn sie schamlos und humorvoll weibliche Lustbefriedigung unabhängig von männlichen Besitzansprüchen und Geschlechtsorganen zelebriert – dabei jedoch den dummen, überzeichneten Spaß nur in den weniger gelenkigen Momenten dem Statement opfert. Wer Ashnikko ernstnimmt, hat im Grunde schon verloren.
"Being a bitch is my kink", rappt die 24-Jährige mit absoluter Überzeugung im eröffnenden "Daisy", während sich fette Bässe und die gedämpfte Synth-Melodie des Refrains ins Hirn fräsen. Auch "Toxic" und das Kelis' "Caught out here" samplende "Deal with it" verbinden modernen Trap-Pop gekonnt mit einer Sensibilität fürs Nuller-R'n'B-Radio. Wenn in letzterem kurz ein Vibrator brummt, bereitet das schon mal vorsichtig auf "Slumber party" vor – eine augenzwinkernde, aber so kompromisslos vorgetragene Lesbensex-Hymne, dass es "I kissed a girl" und Konsorten an der eigenen Prüderie ersticken lässt: "Me and your girlfriend playing dress-up in my house / I gave your girlfriend cunnilingus on my couch." Addiert man noch ein grandioses Princess-Nokia-Feature sowie den knochentrockenen Sirenen-Beat, der an sich schon jede Schweißdrüse zum Platzen bringt, erhält man den besten Song des Albums. Es ist durchaus schade, dass Ashnikkos Musik bedeutend mutloser und generischer als ihr visuelles wie textliches Auftreten daherkommt, aber wen juckt's, wenn die Chose so viel Laune macht? Die ersten fünf Tracks dauern zusammen keine 13 Minuten, reihen Hook an Hook und verbauen ein paar produktionstechnische Kanten wie das Geklappere und Geflöte von "Drunk with my friends". Hälfte Nummer eins von "Demidevil" besteht ausschließlich aus Bangern.
Danach beginnt die Fassade der Porno-Prinzessin jedoch ein wenig zu bröckeln. "I'm a tough bitch, but I'm sensitive", giftet sie im wütend entfesselten "Cry", unterstützt von Nu-Metal-Gitarren und einer wie immer irgendwo im Kosmos schwebenden Grimes. Mit "Good while it lasted" gelingt der Frau aus North Carolina gar eine rohe, halbakustische Halsey-Ballade, die voll ins Schwarze trifft. Es liegt eine leichte Ironie darin, dass die ernsteren Tracks hinten raus besser als Ashnikkos plötzlich etwas bemüht wirkender Humor funktionieren. "L8r boi" dichtet den Avril-Lavigne-Song zugunsten der Protagonistin um, gerät aber ganz schön clunky und versäumt es, den Pop-Punk des Originals auch musikalisch zu subvertieren. Das halbherzige Piano-Theater von "Clitoris! The Musical" macht's nicht besser: Klar sind Zeilen wie "You've been rubbing the same spot on my leg for ten minutes / You haven't hit it", auch für den angesprochenen Cis-Mann lustig – aber braucht es solche Holzhammer-Gags wirklich, wenn sich die gleichen Aussagen bereits organisch aus den unbeschwerten Hits der ersten Hälfte ergeben? "Demidevil" lässt also noch gehörig Luft nach oben, zumal es mit dem lahmen Billie-Eilish-Rip-Off "Little boy" trotz nur 25 Minuten Laufzeit eine echte Gurke unterbringt. Doch wer kann diesem rosigwangigen Lächeln schon lange böse sein?
Highlights
- Daisy
- Slumber party (feat. Princess Nokia)
- Good while it lasted
Tracklist
- Daisy
- Toxic
- Deal with it (feat. Kelis)
- Slumber party (feat. Princess Nokia)
- Drunk with my friends
- Little boy
- Cry (feat. Grimes)
- L8r boi
- Good while it lasted
- Clitoris! The musical
Gesamtspielzeit: 25:24 min.
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