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Albertine Sarges - The sticky fingers

Albertine Sarges- The sticky fingers

Moshi Moshi / Rough Trade
VÖ: 29.01.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Dance this mess around

Es groovt und groovt und groovt. Wer das Debütalbum von Albertine Sarges hört, fängt normalerweise an, unwillkürlich zu zappeln und zu nicken. Das hat vor allem einen Grund: Hier herrscht das Diktat des Rhythmus. Melodien gibt es freilich auch, wunderbare sogar, sie müssen sich jedoch meist unterordnen. Die Songs der Berlinerin atmen nämlich oft den stickigen Geist des Post- und Dance-Punk. Disconebel liegt in der Luft, ein imaginärer James Murphy kreiselt wild um die eigene Achse und wirbelt Glitzerstaub auf. Doch ein reines Spaßprojekt ist diese Platte mitnichten. Die Songs leben von ihrem emanzipatorischen Biss, von ihrer klugen Weitsicht, ihrer sympathischen Verspieltheit. "The sticky fingers" ist damit jetzt schon eine der faustdicken Überraschungen des noch jungen Musikjahres.

Sarges ist zuvor schon musikalisch in Erscheinung getreten: Als Keyboarderin bei Kat Frankie, als Kooperationspartnerin von Holly Herndon und Mitglied bei der Italopop-Band Itaca. Und so unterschiedlich diese Projekte auch sind, so differenziert spielt sich die Berlinerin nun auch durch die Stile. Es gilt, Klischees zu vernichten, Schubladen auszukippen und dann neu einzuräumen, ohne einen stringenten Plan. Im Wesentlichen entspricht das der heutigen Remix-Kultur. Sarges schnappt sich ihre liebsten künstlerischen Elemente und baut daraus eine bunte neue Welt. Wie ein Kind, das sich aus Lego-Steinen eine regenbogenfarbene Ritterburg bastelt. Puristen dürften bemäkeln, dass auf "The sticky fingers" der rote Faden fehlt, kaum ein Song zum anderen passt. Lediglich der Groove, der durchzieht alle Stücke. Aber ist das schlimm? Oder ist es nicht eher natürlich, dass man auf dem Debüt zeigen möchte, welche Facetten einen als Künstlerin ausmachen?

Da wäre der Opener "Free today", der mit pumpendem Beat und Spoken-Word-Intro beginnt, dabei dezent jazzige Züge trägt, sich aber im Laufe seiner fünfeinhalb Minuten mehrfach wandelt. Punk und Dance, Soul und Jazz werden hier munter verrührt, Sarges' Stimme steht gravitätisch im Zentrum. Dass es in diesem Track kein klassisches Strophe-Refrain-Schema gibt, muss man eigentlich nicht erwähnen. Sarges' Kompositionen wirken außerhalb der Norm, streifen den Erwartungshorizont in seltenen Momenten, wobei es aber auch gleich super eingängig sein darf. "Post office" klingt wie ein, kein Scheiß, 2020er-Jahre-Update von Alanis Morissette. Weiter entfernt könnten zwei Songs kaum sein. Dazwischen ist so ziemlich alles möglich, was die elaborierte Pop-Musik der letzten drei Dekaden so hergibt. Man denkt an The B-52's, an Peaches, an Parquet Courts, an Bambina. "Stille", der einzige deutschsprachige Song auf dem Album, erinnert ganz besonders an die Letztgenannte, in all seiner Theatralik und stimmlichen Akzentuierung. Und fällt damit irgendwie auch aus dem Rahmen.

Auch darüber hinaus hält "The sticky fingers" einige Überraschungen parat: "The girls" ist eine verdammt tanzbare Indie-Pop-Hymne, die sich klammheimlich auf den Dancefloor schleicht, um sich mit verquerem Beat und unerhörter Lässigkeit dort auszutoben. Die Arrangements erinnern an die legendären Talking Heads, man möchte sich also auf der Stelle in ein übergroßes Sakko werfen und in den Club stürmen. Das folgende "Beat again" verströmt dann sonniges Flair: Hier spielt Albertine Sarges gechillten Sommer-Pop, Streicher setzen im Hintergrund sachte Akzente, während die Künstlerin mit zarter Stimme ihre Zeilen ins gleißende Sonnenlicht haucht. Auch hier wieder: maximale Wandlungsfähigkeit und cooler Groove. Da stellt sich letztlich schon die Frage: Wer kann da widerstehen?

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • Free today
  • The girls
  • Oh my love

Tracklist

  1. Free today
  2. The girls
  3. Beat again
  4. Oh my love
  5. Stille
  6. Fish
  7. Post office
  8. Roller coaster

Gesamtspielzeit: 36:13 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

AndreasM

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 706

Registriert seit 15.05.2013

2021-07-19 10:43:30 Uhr
Ich komme immer wieder gern zum Album zurück seit Januar und sommerlich ist es ja eigentlich auch irgendwie.
Daher hier ein Doppelpost mit erneuter Empfehlung, vielleicht hört so ja noch eine Person mehr rein ;)

AndreasM

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 706

Registriert seit 15.05.2013

2021-02-06 18:56:34 Uhr
Gefällt mir ebenfalls gut - irgendwie sehr angenehm immer zwischen den Stühlen. Und das hier jeder Song mit etwas Neuem aufwartet, ist auf jeden Fall mehr Pluspunkt als "kein roter Faden".

Sick

Postings: 269

Registriert seit 14.06.2013

2021-01-31 02:27:00 Uhr
Das gefällt mir richtig gut. Jeder Song irgendwie anders. Sehr frisch das Ganze.
Und durchgängig dieser Groove... Und dann die Flöte...
Besonders stark ist der Mittelteil mit Oh my Love, Stille und Fish.
Die gute Albertine sollte öfter mal deutsch texten. Das könnte noch besser werden.

8/10

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26281

Registriert seit 08.01.2012

2021-01-27 20:48:14 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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