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Japanische Kampfhörspiele - Neues aus dem Halluzinogenozinozän

Japanische Kampfhörspiele- Neues aus dem Halluzinogenozinozän

Bastardized / Membran
VÖ: 29.01.2021

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Prog-Grind

Es ist schwer, als Grindcore-Band gegen die üblichen Klischees anzukämpfen. Klar, wenn ein Song bisweilen aus nur ein paar Sekunden Krach und Geschrei besteht, fällt so manche Analyse schwer. Und auf Festivals, dort, wo man noch am ehesten die Chance hat, einmal Bands abseits der eigenen Betriebsblindheit kennenzulernen, regiert all zu oft der Klamauk. Ballermanncore ist halt doch auch mit derbst verzerrten Gitarren eben nur Ballermanncore. Wie gut, dass es Truppen gibt, die erfolgreich gegen diese Klischees ankämpfen. Freilich ohne selbst kämpfen zu müssen, sie machen es eben einfach nur besser. Napalm Death ist so ein Fall, weil die Briten nicht nur schon sehr früh zusätzliche Einflüsse aus dem Death Metal in ihren Sound eingeflochten haben, sondern vor allem stets für eine politische Botschaft stehen. Aber auch hierzulande schaffen es Japanische Kampfhörspiele, aus dem Klamauk hervorzustechen.

Das liegt natürlich daran, dass die Krefelder ihre Krachorgien nicht zum Selbstzweck nutzen, sondern vor allem, um darin pointierte Konsumkritik zu verpacken. Und weil Überfluss so ein Gräuel ist, weist das neue Album mit dem nach ein paar Versuchen erstaunlich leicht über die Zunge laufenden Titel "Neues aus dem Halluzinogenozinozän" auch nur schlanke 30 Minuten Spielzeit auf – bei gleich vier Instrumentals in der Tracklist. Das heißt natürlich nicht, dass dem Fünfer vom Niederrhein nichts mehr einfällt. Ganz und gar nicht. Dabei bemüht sich "Der Schweinetransporter" ganz ausdrücklich um Eingängigkeit, fährt dort, wo die Lyrics besonders wichtig sein sollen, gar den Krachfaktor herunter. Und ja, auch Fleischkonsumenten, die auf nachhaltige und artgerechte Haltung ihres späteren Essens achten, tut ein Blick in den Spiegel mal ganz gut: "Tausende von Kalorien machen Jagd auf Menschen / Mit gestörtem Essverhalten und Diabetes Typ 2".

So ist's recht, und so geht's weiter. Denn was die Band schon immer ausgezeichnet hat, ist ihre feine Beobachtungsgabe für absurde Alltagssituationen, verpackt in Texte, deren Metrik wiederum jeglicher musikalischen Begleitung ins Gesicht spuckt. "Alte weiße Trägheit sitzt in Geländewagen, Magen voller Energie / Verfetteter Lifestyle bis zum Ende / Ihr Hirn verstoffwechselt bloß eine Kalorie" heißt es zum Beispiel in "Familie fährt mit Auto". "Erregte Männer auf der Venus" zeichnet das erwartet groteske Bild von "Astrale[n] Körper[n], so echt wie die Gesichter von Sibylle Berg und Wolfgang Joop / Defizitäre Prothesen, erektile Dysfunktionen / Ein bisschen traurig ist das schon." So, und weil angesichts solcher Lyrik jeglicher Versuch einer Riffstruktur zum Scheitern verurteilt ist, kann man's auch direkt bleiben lassen.

Wilde Moshparts geben sich also die Klinke in die Hand, und die orientalische Flöte im Disco-Part am Ende von "Familie fährt mit Auto" passt auch noch irgendwie dazwischen. Genau deshalb ergeben die Zwischenspiele wie "Madal 1" und "Madal 2" Sinn, sorgen sie doch zumindest ein klein wenig für Ordnung. Fans der ersten Stunde dürften anmerken, dass man noch 2010 auf "Bilder fressen Strom" gleich 27 Songs in 42 Minuten heruntergehackt hatte, aber irgendwo muss es ja eine Rechtfertigung dafür geben, dass die selbst gewählte Stilrichtung irgendwann von Grindpunk zu Popgrind wechselte. Anstrengend bleibt "Neues aus dem Halluzinogenozinozän" trotzdem, und das ist auch gut so. Denn die Welt ist nun einmal chaotisch, warum soll es die Musik dann nicht sein? Es ist daher völlig in Ordnung, dass die feinen Thrash-Riffs von "Deutsches Handwerk" vom wüsten Geballer von "Lass Deinen Müll auf dem Festivalgelände liegen" abgelöst werden. In Summe hat der ganze Irrsinn immer noch Methode. Was den "Pop" in "Popgrind" wieder fast ad absurdum führt. Vielleicht sollten Japanische Kampfhörspiele ihre Ansprüche neu formulieren. Imstande dazu wären sie.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Familie fährt mit Auto
  • Halt Deine Schnauze
  • Lass Deinen Müll auf dem Festivalgelände liegen

Tracklist

  1. Mantra
  2. Der Schweinetransport
  3. Familie fährt mit Auto
  4. Drohnenangriff auf unsere Werte
  5. Madal 1
  6. Erregte Männer auf der Venus
  7. Build a better world
  8. Halt Deine Schnauze
  9. Deutsches Handwerk
  10. Lass Deinen Müll auf dem Festivalgelände liegen
  11. Madal 2
  12. Trauerorgasmus
  13. Superspreader

Gesamtspielzeit: 30:27 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34222

Registriert seit 07.06.2013

2021-01-29 13:51:21 Uhr
"Sehr gut, sehr gut, jaaaaa...."

Was für ein geiles Intro. :D

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34222

Registriert seit 07.06.2013

2021-01-28 16:56:42 Uhr
Geiler Albumtitel.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28017

Registriert seit 08.01.2012

2021-01-27 20:47:11 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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