Max Richter - Beethoven - Opus 2020

Deutsche Grammophon / Universal
VÖ: 18.12.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Alles Gute
Einen einzelnen Tastenanschlag, mehr braucht Max Richter gar nicht, um tief bis zum innersten Kern seines Hörers durchzudringen und das Herz kurzzeitig zum Stoppen zu bringen. Ein gekonnter Griff mit dem Finger und schon sind sie da, die Gänsehaut, das Erwachen, der Kloß im Hals, die Schwere in den Augenlidern, welche sich dem Genuss hingebend automatisch schließen wollen. Mit dieser Zusammenkunft verschiedener Zeichen von menschlichen Emotionen arbeitet Richter offenbar am liebsten, sein ganzes Werk ist auf sie ausgerichtet. Das ist sicher nicht der einzige Grund, warum er insbesondere in der letzten Dekade nicht nur zu einem der bekanntesten, sondern auch erfolgreichsten und geschätztesten Komponisten seiner Generation wurde. Ob reguläre Studioalben, Soundtracks für Filme und Serien, wissenschaftliche Experimente oder eben Tribute: Mit dem 54-Jährigen, so scheint es, kann man einfach nichts falsch machen.
Deswegen war es auch nicht nur eine gute, sondern wahrscheinlich auch die richtige Entscheidung des Beethoven-Hauses in Bonn, als sie Richter fragten, ob er anlässlich des 250. Geburtstags des Genies ein eigenes Orchesterwerk komponieren könnte. Und so entstand "Beethoven - Opus 2020" in Zusammenarbeit mit der Pianistin Elisabeth Brauß, dem Beethoven-Orchester Bonn sowie dem Dirigenten Dirk Kaftan. Die Uraufführung fand am 16. Dezember 2020 statt, dem mutmaßlichen Geburtstag Beethovens – überliefert ist nur der Tag seiner Taufe am 17. Dezember 1770 –, für alle Daheimgebliebenen gibt es die beiden Stücke selbstverständlich trotzdem auf allen gängigen Plattformen. Als "künstlerischer Dialog zwischen Max Richter und Beethovens Musik" werden diese Titel bezeichnet, tatsächlich verband Richter bei der Planung einige Elemente Beethovens auch mit denen von Karlheinz Stockhausen, dessen Hommage "Opus 1970" einst für den 200. Geburtstag das Licht der Welt erblickte.
Womit wir wieder bei diesem allerersten Ton wären, dem berüchtigten herzstoppenden Tastenanschlag, der sich anfühlt wie ein federleichtes Streicheln auf der Haut und wie ein zwar schmerzfreier, aber deutlich spürbarer Faustschlag in die Magengrube – beides gleichzeitig, versteht sich. "Andante loops" ist das erste Stück dieses Tributs an einen der größten Musiker aller Zeiten, ein Kammerspiel fürs Piano, so minimalistisch wie möglich. Mal wirkt das wie zarte Regentropfen, dann wie ein leises, vertrautes Klopfen an der Tür, aber immer wieder werden die Sinne berührt, der Geist angesprochen. Wer das hier nur nebenher laufen lässt, ohne die gebührende Achtung zu schenken, verdient diese Schönheit in ihrer reinsten Form wohl auch gar nicht.
Es folgt das in der Zusammenarbeit mit Brauß, Kaftan und dem Bonner Beethoven-Orchester entstandene "Opus 2020", ein gewaltiges, großes, so ein- wie ausladendes Werk voller Drama, Melancholie, Sanftheit und Wucht, alles zugleich, aber nie zu einer Seite überschwappend. Fast 18 Minuten lang entführt die Gruppe hier in den wohl gesündesten Teil der Musiklandschaft, um sich mal frei an den Worten Goethes zu orientieren, und hallt auch lange nach Ausklang der letzten Noten noch nach. Dann nämlich, wenn Beethovens very own Klaviersonate Nr. 30 op. 109 in E-Dur genau 200 Jahre nach ihrer Entstehung noch zeigt, wer hier die Hosen anhat. Da darf man auch mal mit Superlativen enden: Alles Gute von einem der Besten an einen der Größten.
Highlights
- Opus 2020
Tracklist
- Andante loops
- Opus 2020 (mit Elisabeth Brauß, Beethoven Orchester Bonn & Dirk Kaftan)
Gesamtspielzeit: 24:36 min.
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