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Maserati - Enter the mirror

Maserati- Enter the mirror

Temporary Residence / Cargo
VÖ: 03.04.2020

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Viel Collins

Die Welt wird zusehends unübersichtlicher und bedrohlicher. Ein bislang unbekannter Erreger sucht die Menschheit heim. Und natürlich verehren alle Musikbegeisterten, die etwas auf sich halten, Phil Collins. Hach ja, what a time to be alive das damals war in den Achtzigern. Und wer nun bei den eingangs geschilderten Zuständen einwirft, dass sie genauso gut aufs Hier und Jetzt zutreffen: richtig, im Grunde aber auch egal. Schließlich beweisen allgegenwärtige Wiederveröffentlichungen, Jubiläums-Editionen oder recycelte Hits von anno dunnemals, dass es nie so einfach wie heute war, in mehreren Zeiten auf einmal zu leben. Wissen auch Maserati spätestens seit "Pyramid of the sun" und spiegeln in ihrem brodelnden Kraftwerk genreübergreifend Post-Rock, Space-Psych und Science-Fiction-Retrofuturismus. Sie wissen schon: Musik als Träger von Ideen.

Okay: Über Phil Collins kann man streiten, auch wenn das Quartett aus Athens – ähnlich wie der Plattentests.de-Chef – das wahrscheinlich anders sieht. Maßgeblich für das sechste Maserati-Album ist nämlich nicht zuletzt ein typisches Merkmal des früheren Genesis-Mannes: die "gated drums", jener furztrocken komprimierte Schlagzeug-Sound, der einst "Don't lose my number" oder "Sussudio" vorwärtspeitschte. Auf "Enter the mirror" kommt er zu elektrisiertem Zwirbel-Lick am deutlichsten beim prächtigen Glitzerflitzer "Welcome to the other side" zum Tragen – ohne Scheu vor Pop-Appeal und Eingängigkeit, nachdem der Vierer zuvor schon dicke Maschinen-Beats, gleißende Gitarren und Neon-Elektronik übereinandergeschichtet hat. Und zwar unter der Regie von Staplerfahrer John Congleton, der sein Mischpult mit hörbarem Spaß bis zum Anschlag ausfährt.

Hervor tut sich dabei besonders der überbordende, aber planvolle Wahnsinn von "Der Honig", der sogar den schmatzigen Groove-Bolzen "A warning in the dark" samt ungerührter Vocoder-Stimme und Synth-Wave-Implantaten in den Schatten stellt. Aufgekratzter Bass und voluminöses Schlagzeug treiben Riffs vor sich her, die unerbittlich vom dynamischen Sirren zum immer industrieller auftrumpfenden Knarzen anschwellen und einem anschließend krachend um die Ohren fliegen. Ein würdiger Nachfolger des "Rehumanizer"-Openers "No cave" – nur dass die androide Gestalt vom Cover längst nicht mehr beim planetarischen Sit-In verweilt, sondern die Beine in die Hand nimmt. Nix wie weg – am besten in ein tosendes Tempodrom, wo der "Drive"-Soundtrack mit dreifacher Geschwindigkeit nachgestellt wird, bis die Boliden explodieren. Fantastisch.

Im höchsten Maße bewundernswert also, wie Maserati diesen mehrstöckigen Gewaltmarsch durch rasanten Space-Rock und kosmische Irrlicht-Elektronik nahezu bis zum Schluss durchexerzieren und in "Killing time" und "Empty" außerdem immer wieder gewaltige Power-Eruptionen auf der Pfanne haben. Und auch, dass das letzte Stück "Wallwalker" und nicht etwa "Blade runner" heißt, ist vermutlich genauso ein charmanter Auskenner-Witz wie die Tatsache, dass auf der Vinyl-Version von "Enter the mirror" ausgerechnet "Welcome to the other side" die – genau – zweite Seite eröffnet. Nur ausgewiesene Puristen oder stilistische Erbsenzähler dürften hinterher die bange Frage stellen: Ist das noch Post-Rock? Sie können ja Phil Collins anrufen – der hat sicher auch keine Ahnung. Aber dafür vielleicht dieses hervorragende Album im Schrank.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • A warning in the dark
  • Der Honig
  • Welcome to the other side

Tracklist

  1. 2020
  2. A warning in the dark
  3. Killing time
  4. Der Honig
  5. Welcome to the other side
  6. Empty
  7. Wallwalker

Gesamtspielzeit: 38:38 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 24572

Registriert seit 08.01.2012

2021-01-05 20:27:05 Uhr - Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

"Vergessene Perle 2020".

Meinungen?

sizeofanocean

Postings: 1172

Registriert seit 27.01.2020

2020-04-14 15:21:02 Uhr
ich find den 80er Vibe ziemlich furchtbar, bis auf den letzten Track überzeugt das Album leider gar nicht.

Unangemeldeter

Postings: 1032

Registriert seit 15.06.2014

2020-04-08 12:38:01 Uhr
Oh, gar nicht mitbekommen, danke für die Info!

tjsifi

Postings: 686

Registriert seit 22.09.2015

2020-04-08 12:27:09 Uhr
Schönes Album! 80er Vibe gefällt mir sehr. Ein weiteres perfektes Album für eine (nächtliche) Autofahrt.

sizeofanocean

Postings: 1172

Registriert seit 27.01.2020

2020-03-15 17:05:12 Uhr
neues Album, kommt am 3. April raus, 3 Tracks kann man sich schon geben:

https://maserati.bandcamp.com/album/enter-the-mirror
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