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Freddie Gibbs & The Alchemist - Alfredo

Freddie Gibbs & The Alchemist- Alfredo

Empire / Al!ve
VÖ: 29.05.2020

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Chef's kiss

"Als Chef muss man sein wie ein Chamäleon, nur besser halt. Du musst nicht nur die Farbe ändern können, sondern das komplette Tier." Wenn in der US-amerikanischen Rap-Welt zwei Leute Bernd Strombergs Chef-Qualifikation erfüllen, dann ja wohl Freddie Gibbs und The Alchemist. Letzterer ist bereits seit Anfang der Neunzigerjahre im Geschäft und mittlerweile seit über 20 Jahren ein gefragter Producer, der nie stillstand und sich mit etwa Kendrick Lamar oder Mobb Deep prägende Figuren unterschiedlicher Dekaden in die Mappe schreiben kann. Als solche trat Gibbs in den 2010er-Jahren auf, bewies – ob mit Madlib oder ohne – seine Anpassungsfähigkeit an alle (un-)möglichen Instrumentals und nahm selbst farbenprächtige Rollen ein. Ihre gemeinsamen Kochkünste perfektionieren die beiden Chamäleons nun auf "Alfredo": einem Album, das so manches Narrativ auf den Kopf stellt. Das Cover-Artwork verweist auf "Der Pate", doch ist es hier eine schwarze Hand, die das Marionettengestell führt. Der aus Indiana stammende Rapper spielt mit Mafia-Verklärung und überzeichnetem Gangstertum, unterläuft diese aber mit ungeschönten Reflexionen seiner eigenen Erfahrungswelt. Die luxuriösen Kulissen von The Alchemist evozieren selbst den Coppola-Film, wirken trotz ihrer Liebeserklärungen an den Oldschool-HipHop jedoch nie altbacken.

"Piñata" und "Bandana" bezogen ihren Reiz daraus, wie Gibbs mit den überallhin wuchernden Beat-Gestrüppen Madlibs ums Licht rang. Im Gegensatz dazu sitzen die aus Boom-Bap, Soul und Soft-Rock gewobenen Samtanzüge von "Alfredo" wie maßgeschneidert. Der Opener "1985" heult mit einer einsamen Gitarre den Mond an, über die der 38-Jährige mit maximaler Eleganz gleitet, während er so unterschiedlichen Idolen wie Joe Pesci und Michael Jordan zunickt. Das grandiose "God is perfect" baut auf ein kaum vernehmbares Piano-Riff und verleiht seinen Bad-Boy-Tropen eine unheimliche Note. Es ist ein häufiger Kniff des Albums, der oberflächlich ohrenschmeichelnden Musik scharfe Textkanten zu verleihen. Den glitzernden Champagner-Pop von "Scottie beam" nutzt Rick Ross zum Totengedenken und Gibbs selbst für eine Abrechnung mit Polizeigewalt samt Gil-Scott-Heron-Zitat: "Yeah, the revolution is the genocide / Look, your execution will be televised." Auch die anderen Features stimmen in den nachdenklichen Ton ein. Tyler, The Creator sinniert auf dem Sonnendeck von "Something to rap about" über seinen eigenen Werdegang und Conway The Machine geht in "Babies & fools" gar mit seiner Vaterschaft ins Gericht.

Doch die beiden Hauptfiguren strahlen auf der Platte natürlich am hellsten – vor allem, wenn sie wie Gibbs in "Baby $hit" mehrere Rollen gleichzeitig spielen: "Rabbit potty trainin' every mornin', ho, I'm / Cookin' dope and cleanin' baby shit." Man muss ein bisschen an die "Goodfellas"-Szene denken, in der sich Henry Hill gleichzeitig mit der Pastasauce und seinen Drogengeschäften abmüht. Gibbs' kongenialer Partner brilliert indes in "Look at me", wenn er den gleichnamigen The-Moments-Song ins Nirwana loopt, oder mit dem mysteriösen Orgel-Beat von "All glass". Seinen stärksten Auftritt hat The Alchemist allerdings in "Frank Lucas", einer Hommage an den realen, von Denzel Washington verkörperten "American gangster": Dieses unerwartet bissige Bass-Biest macht die angespannte Atmosphäre des Straßen-Hustle geradezu greifbar. In "Skinny Suge" fokussiert sich die Produktion schließlich auf eine umherschwirrende Santana-Gitarre, die Gibbs den Raum für seine wohl intimste Geschichte eröffnet: "Man, my uncle died off a overdose / And the fucked up part about that is I know I / Supplied the nigga that sold it." Die Chef-Chamäleons agieren perfekt aufeinander abgestimmt, lassen sich an den richtigen Stellen Luft zum Atmen und bringen den jeweils anderen damit zur Höchstleistung. Als Resultat ist "Alfredo" nicht weniger als das beste Rap-Album 2020.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • God is perfect
  • Scottie beam (feat. Rick Ross)
  • Frank Lucas (feat. Benny The Butcher)
  • Skinny Suge

Tracklist

  1. 1985
  2. God is perfect
  3. Scottie beam (feat. Rick Ross)
  4. Look at me
  5. Frank Lucas (feat. Benny The Butcher)
  6. Something to rap about (feat. Tyler, The Creator)
  7. Baby $hit
  8. Babies & fools (feat. Conway The Machine)
  9. Skinny Suge
  10. All glass

Gesamtspielzeit: 35:05 min.

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User Beitrag

Ninetiesman

Postings: 91

Registriert seit 22.12.2021

2021-12-29 16:42:38 Uhr
@Kojiro

Ich glaube viele von den Griselda-Veröffentlichungen sind sowieso nur Durchschnitt.Dazu hat auch Skye ein Video veröffentlicht, in dem er sich fragt ob das noch Kunst oder nur noch "Content"ist, soviele Platten nacheinander rausbringen, quasi wie am Fliessband. Das Business hat sich eben verändert, man muss ständig was rausbringen muss um von der Masse(im Netz) wahrgenommen zu werden, weil die Plattenindustrie nicht mehr so dahintersteht wie früher und das goldene Zeitalter eben inzwischen 15-20 Jahre zurückliegt.

Ausserdem gefällt mir von den drei bekanntesten MC's eh nur Benny the Butcher. Der Typ hat den Style, den Flow und das Charisma eines Weltklasse-MC's.
Ganz gross ist natürlich "Tana Talk 3", produziert von Archemist und Daringer.
Allein schon "Broken Bottles" ist übel geil.

Ein AlC-Klassiker, den jeder kennen sollte ist natürlich "Covert Coup" mit Curren$y.
Der MC ist sonst nicht mein Fall, so wie Boldy James, aber die Produktion ist extrem gut und macht alles klar..

Kojiro

Postings: 2967

Registriert seit 26.12.2018

2021-12-29 06:40:38 Uhr
Die Preise im Rapgeschäft sind mittlerweile völlig abstrus. Die Griselda-Bande fing ja vor Jahren damit an, ihre Releases mit einem OBI-Strip (wie bei japanischen Pressungen üblich) zu versehen und zu limitieren. Je bekannter sie wurden, desto schneller waren die Sachen vergriffen und desto höhere Preise wurden im Nachgang dafür auf Discogs und co. dafür verlangt. Alchemist veröffentlicht inzwischen auch über sein eigenes Label und limitiert viele der Veröffentlichungen; die Sachen sind mittlerweile binnen von SEKUNDEN restlos ausverkauft. Leider wird (genreübergreifend) häufig mit Bots gearbeitet, die das Zeug automatisiert aufkaufen. Minuten später landet der Kram dann selbstverständlich für das 5-10-fache auf Discogs.

Hatte bei den ALC-Releases aber oft Glück. Habe sogar damals eine ultra rare 7" gekriegt, die er auf DJ Gigs in London, Mailand und Amsterdam verkaufen wollte, was dann aber wg. Corona nicht geklappt hat. Die war gefühlt in 1 Sekunde weg! :-D

Die neue Boldy James finde ich irre; Bo Jackson gefiel mir weit weniger als der Vorgänger, wenngleich "Brickmile" natürlich großartig ist.

Ich BETE immer noch für ein Vinyl-Release von Alchemist x Prodigy (Mobb Deep) - Albert Einstein. Bomben Album. Hoffe, dass das irgendwann auf Vinyl kommt. Action Bronson - Rare Chandeliers ist ebenfalls extrem geil; da habe ich leider keine Vinyl mehr gekriegt und bin da auch nicht gewillt, 500€ zu zahlen... :-(

Ninetiesman

Postings: 91

Registriert seit 22.12.2021

2021-12-28 16:55:00 Uhr
CYCLES - A film by Jason Goldwatch & The Alchemist

https://www.youtube.com/watch?v=MJ8J8OwbWcs

https://thesource.com/2021/12/24/the-alchemist-closes-stellar-year-with-cycles-project/

Der Regisseur Jason Goldwatch ist mir in letzter Zeit sehr positiv aufgefallen, z.B. beim Nas-Video "War against Love" oder dem ein oder anderen Griselda-Track.

https://www.youtube.com/watch?v=MYxEwi9XogA

Sehr begabter und innovativer Künstler, die richtige Wahl für dieses Alchemist-Projekt.

boneless

Postings: 5293

Registriert seit 13.05.2014

2021-12-28 12:13:59 Uhr
Yeah, Dilated Peoples. Ich bin großer Fan von Evidence. Der Track ist klasse.

Hat jetzt erst kürzlich wieder ein Album mit Boldy James veröffentlicht.

In jenes bin ich noch nicht so richtig reingekommen, aber Bo Jackson läuft hier quasi in Dauerschleife. Das Trio Brickmile to Montana, EPMD und Steel Wool ist unglaublich. Wie großartig diese Tracks ineinander laufen, derart geschmackvoll hab ich das im Hip-Hop lange nocht mehr gehört. Das Gleiche gilt für Wishing Bad, Chicharonnes und Squeegee auf Haram. Verrückt.
Verrückt sind übrigens auch die Preise, die teilweise für Alchemist-Platten anfallen. Haram, Bo Jackson, The Price of Tea in China und LULU sind ja schon auf Cd fast unerschwinglich. Das verstehe, wer will...

Kojiro

Postings: 2967

Registriert seit 26.12.2018

2021-12-27 20:13:03 Uhr
Alchemist ist schon seit Ende der 90er einer meiner absoluten Lieblingsproducer. Der Mann hat sich mehrfach neu erfunden und hat einfach seit xxx Jahren einen unglaublich illen Output bei gewohnt sehr hoher Qualität. "The Price Of Tea In China" ist absolut geil! Hat jetzt erst kürzlich wieder ein Album mit Boldy James veröffentlicht.

Wenn ihr auch mal ältere Alchemist-Sachen hören wollt, hört mal den Kram, den er z.B. für Mobb Deep, Dilated Peoples, Cypress Hill usw. produziert hat. Früher noch n anderer Stil.

Einer meiner Lieblings-Beats von ALC ist definitiv der:

https://www.youtube.com/watch?v=8Zwb31bGTT0
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