John Frusciante - Maya

Timesig / Cargo
VÖ: 23.10.2020
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Katzenmusik
Was macht ein Künstler, wenn er Narrenfreiheit genießt? Die einzig vernünftige Antwort: das, worauf er Lust hat. John Frusciante muss niemandem mehr etwas beweisen. Als Gitarrist der Red Hot Chili Peppers war er gleich zwei Mal für die Rettung der Band verantwortlich, wobei er vor dem zweiten Mal zunächst dem Tod von der Schippe springen musste. Frusciantes Solowerke sind untrennbar mit dem persönlichen Weg des Musikers verbunden. Die Drogenhölle Mitte der Neunzigerjahre wich im darauffolgenden Jahrzehnt der Innerlichkeit. Diese Entwicklung kulminierte in "The empyrean". Und dann? Hatte Frusciante keinen Bock mehr. Er verließ die Peppers ein weiteres Mal und sperrte sich mit seinem Computer ein. Die Alben, die im zurückliegenden Jahrzehnt erschienen, sind mit "abseitig" noch wohlwollend umschrieben. Ganz klar war da jemand auf der Suche, nach neuen Klängen, neuen Ideen. Doch anfangs wollte der Funke nicht recht überspringen. Zu wirr und amateurhaft klangen Frusciantes Produktionen. Erst als er sich das Alias Trickfinger zulegte, wurden seine Tracks hörbarer.
Dass ausgerechnet der Tod einer Katze als Inspiration zum mit Abstand besten elektronischen Werk Frusciantes herhalten musste, ist eine kuriose Fußnote. "Maya" ist allerdings alles andere als ein Requiem. Vielmehr ist es der Beweis dafür, dass sich musikalisches Talent irgendwann immer durchsetzt. Mit Beharrlichkeit und Sturheit hat der Songwriter seine Kompositionstechnik in ihre Einzelteile zerlegt und in beeindruckender Manier neu zusammengefügt. Ja, "Maya" kommt praktisch ohne Gitarre und Gesang aus. Trotzdem klingt hier alles nach Frusciante. Die unwiderstehlichen Melodien, der Minimalismus, das feine Händchen für Klänge. Alles drin, alles dran. Wer nun allerdings moderne Soundscapes erwartet, wird enttäuscht werden. "Maya" ist anachronistisch. Und wahnsinnig schrullig. Im Prinzip ist es das Album, das Aphex Twin wahrscheinlich noch mal gerne gemacht hätte.
Der Opener "Brand E" führt den Hörer dabei auf eine falsche Fährte. Zu einem "motherfucking breakbeat", der herrlich altmodisch dahinballert, entspinnen sich feingliedrige Melodiebögen. Ein Track, der gleichzeitig tanzbar und melancholisch ist. Der Rest des Albums wird von klassischen Drum'n'Bass-Loops dominiert, die von Frusciante meisterhaft zerstückelt werden. Es gibt praktisch keine Beatsequenz, die sich wiederholt. Überall sind Details versteckt. Aus diesem Grund ist "Maya" besonders auf Kopfhörern ein Hörgenuss. Bei aller Dekonstruktionswut bleiben Frusciantes Tracks jedoch stets nachvollziehbar. Selbst anfangs abschreckende Stolperorgien wie "Usbrup pensul" oder "Reach out" entfalten sukzessive ihre Schönheit. Denn bei aller rhythmischer Hektik kann Frusciante einfach nicht auf Harmonien verzichten. Manchmal reichen drei simple Akkorde. Nachzuhören in dem sich gegen Ende zum Himmel aufschwingenden "Flying".
Großartig ist auch der stets neben dem Beat pulsierende Synthesizer in "Amethblowl". Wobei "Beat" ein eher unpassender Begriff ist – "Bitcrusher-Exzess" passt besser. Wenn nach zwei Minuten plötzlich ein cleaner Breakbeat einsetzt, gibt es kein Halten mehr. Das ist, pardon, einfach ziemlicher geiler Scheiß. Insofern wundert es auch nicht, dass "Anja motherless" dem Ganzen die Krone aufsetzt. So abgefahren und wunderschön kann sogenannte "Intelligent Dance Music" klingen. Frusciante schert sich nicht um aktuelle Trends und belebt so ein Genre neu, dass schon seit geraumer Zeit im Wachkoma dahindämmert. Freilich bleiben derlei Klänge immer Zielgruppenmusik. Arenen wird er mit dem Geblubber von "Maya" nicht füllen. Vielleicht ist er auch deshalb schon wieder zu seiner Stammband zurückgekehrt. Vielleicht ist ihm aber auch einfach egal, was andere von seiner Musik halten. Sein gesamtes Solowerk spricht für diese These. Er macht das, was ihm eben gerade in den Sinn kommt. Und wenn es ein Album für eine verstorbene Katze ist. Nur Katzenmusik, die macht er nicht.
Highlights
- Brand E
- Flying
- Amethblowl
- Anja motherless
Tracklist
- Brand E
- Usbrup pensul
- Flying
- Pleasure explanation
- Blind aim
- Reach out
- Amethblowl
- Zillion
- Anja motherless
Gesamtspielzeit: 40:47 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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humbert humbert Postings: 2475 Registriert seit 13.06.2013 |
2021-01-09 14:08:07 Uhr
Danke smrr! Jetzt weiß ich das auch. |
smrr Postings: 436 Registriert seit 02.09.2019 |
2021-01-09 12:42:24 Uhr
Timesig ist ein Sub-Label von Planet Mu. |
humbert humbert Postings: 2475 Registriert seit 13.06.2013 |
2021-01-09 11:32:59 Uhr
Erscheint das Album nicht auf Planet Mu? In der Rezension ist etwas anderes angegeben. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34460 Registriert seit 07.06.2013 |
2021-01-07 16:28:05 Uhr
Haha, so ungefähr. Bin ne Zeitlang mit so Hippie/Dreadlock/Wagenplatz-Leuten abgehangen und da lief halt nur Reggea/Ragga und DnB/Jungle. :D |
edegeiler Postings: 3136 Registriert seit 02.04.2014 |
2021-01-07 16:26:24 Uhr
Warst du da schwer raven, Machina? |
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Referenzen
Trickfinger; Aphex Twin; Beatwife; Squarepusher; Wisp; Steinvord; Joey Kendrick; Autechre; Boards Of Canada; Console; µ-Ziq; Bonobo; Amon Tobin; Tycho; Jon Hopkins; DJ Shadow; Venetian Snares; Flying Lotus; A Guy Called Gerald; Burial; Caustic Window; Four Tet; Monolake; The Chemical Brothers; Future Sound Of London; Goldie; Roni Size; Plaid; Polygon Window; Alphawezen; Oneohtrix Point Never; The Orb; Kraftwerk; The Prodigy; Red Hot Chili Peppers; Ataxia
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