Paul McCartney - McCartney III
Capitol / Universal
VÖ: 18.12.2020
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Guter Dinge
Da sitzt dieser ältere Herr. Umgeben von allerhand Instrumenten und Gerätschaften. Er singt, klimpert herum und drückt Knöpfe. Manchmal haut er auch aufs Schlagzeug. Man könnte ihn für wunderlich halten, wenn man ihn so beobachtet. Auf diese Idee kommt aber niemand, denn der Name des Herrn ist Paul McCartney. Und der darf bekanntlich schon seit langer Zeit alles, war er doch Mitglied dieser einen Band, deren Name größer als die Popmusik selbst ist. Er war nicht nur dabei, er hat vieles erfunden. Nun, mit fast 80 Jahren, hat er sich dazu entschieden, sich ein drittes Mal in Isolation zu begeben, um ein mit einer Nummer betiteltes Soloalbum aufzunehmen. Alleine, deswegen heißt es ja auch Isolation. In diesem merkwürdigen Jahr 2020 wissen das aber sowieso alle. Dass McCartney 40 Jahre nach "II" und 50 nach "I" nun also "III" vorlegt, wirkt wie eine Ironie der Geschichte. Bei den ersten beiden Werken bildete jeweils das Ende einer Band den Ausgangspunkt für den Alleingang. Diesmal ist alles eine Nummer größer. Man will nicht daran denken, aber so langsam schleicht sie sich heran, diese grausame Frage: Was, wenn das hier das letzte McCartney-Album ist?
Die Antwort fällt leicht: Dann ist alles gut. Denn dann hat er seine Laufbahn auf eine Weise abgeschlossen, die die Musik in den Mittelpunkt stellt. Kein großes Brimborium, keine Gastmusiker, keine PR-Maschine, die die hundertste Welttournee ankurbelt. Sondern einfach nur ein Album. Ein ziemlich gutes sogar. Natürlich klingt McCartneys Stimme nicht mehr wie Anno 1966, das kann und muss sie gar nicht. Wenngleich sein Organ merklich gealtert ist, hört man keine Ermüdungserscheinungen. Noch immer gibt der ehemalige Pilzkopf alles, wenn er am Mikrofon steht. Und Ideen hat er immer noch. Neue sogar: "Deep deep feeling" ist ein herausragender Song. Zu einem simplen Beat und minimalistischen Klavierakkorden schichtet McCartney Gesangs- und Synthesizer-Spuren übereinander, bis ein eindrucksvolles Klanggemälde entsteht. Plötzlich kippt das Stück zur Seite und macht einer melancholischen Coda Platz. Und auch diese zerfließt gegen Ende, bis nichts außer Hall und Staunen zurückbleiben. Meisterhaft ist das.
Nicht alle Tracks auf "McCartney III" besitzen solche Strahlkraft. Schlecht ist aber keiner. Besonders, wenn McCartney die Akustikgitarre hervorkramt, gibt es Gänsehautmomente. So ist der Closer "Winter bird / When winter comes" in seiner Schilchtheit wunderschön. Auch "The kiss of Venus" gerät triumphal. Der Song nimmt mehrere überraschende Wendungen, bleibt dabei jedoch immer faszinierend. "Long tailed winter bird" eröffnet hingegen das Album und vervollständigt nicht nur aufgrund des Titels eine Klammer. Zu bluesigen Riffs entführt der Sänger in die Weite, wüsste man es nicht besser, könnte man fast glauben, hier wäre einer aus der Prärie am Werk. Nur punktuell erhöht McCartney die Lautstärke, besonders "Slidin'", ein feister Rocksong, sticht diesbezüglich hervor. Im Gegensatz zu seinen letzten Alben fällt der Sound diesmal angenehm rumpelig aus. Dieser Home-Recording-Charme ist es auch, der "McCartney III" zu einem wichtigen Album macht. Schon zu Zeiten der Beatles wollte "Macca" ja zurück zu den Wurzeln. Das "Get back"-Projekt entpuppte sich als Rohrkrepierer, warf aber dennoch einige wunderbare Songs ab. "McCartney III" bezieht seinen Reiz aus einer ganz ähnlichen Idee. Zurück zum Anfang, zurück zur Einfachheit. Nur ein älterer Herr, ein paar Instrumente und viel Zeit. Er ist schon wunderbar, dieser Paul McCartney.
Highlights
- Long tailed winter bird
- Deep deep feeling
- The kiss of Venus
- Winter bird / When winter comes
Tracklist
- Long tailed winter bird
- Find my way
- Pretty boys
- Women and wives
- Lavatory lil
- Deep deep feeling
- Slidin'
- The kiss of Venus
- Seize the day
- Deep down
- Winter bird / When winter comes
Gesamtspielzeit: 44:42 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Loketrourak Postings: 2583 Registriert seit 26.06.2013 |
2023-09-26 22:38:37 Uhr
Ich hatte mich hier damals nicht dazu geäußert? Seltsam. Ich liebe die auch sehr und habe vor allem einen soft Spot für "Pretty boys". Ganz großartig ist auch McCartney 3 imagined. |
Socko Postings: 1643 Registriert seit 06.02.2022 |
2023-09-26 13:44:04 Uhr
Tolles Spätwerk des Sirs. Ich kann keinen Song erkennen, der skipbar ist. Und wie ein Poster oben schrieb ':schön, dass Paul sich vom Kitsch verabschiedet hat. Obwohl:irgendwie hat ihn das ja auch als Künstler und Mensch liebenswert gemacht |
Mic Postings: 394 Registriert seit 24.08.2019 |
2020-12-26 23:08:50 Uhr
Chaos and Creation in the Backyard war aber nach den Beatles sein Meilenstein. Das wird er so nicht mehr hinbekommen. Was ein Album. |
Saschek Postings: 585 Registriert seit 23.07.2018 |
2020-12-26 18:02:28 Uhr
Ja - ein Grower. Auch in der Hinsicht, dass sich vor allem unter Kopfhörern immer wieder neue Überraschungen offenbaren. Richtig gut. Gefällt mir auch besser als Egypt Station. |
Guzica Postings: 254 Registriert seit 18.06.2013 |
2020-12-24 22:31:21 Uhr
Hab noch mehrfach reingehört und muss den abgedroschenen Spruch ablassen "das Album wächst". Dabei muss man bedenken, dass McCartney-Alben meistens (z-B. Ausnahme "Chaos and Creation in the Backyard") allgemein nicht zu wachsen pflegten. Da waren nicht so viele versteckte Dinge zu finden, sondern wenn da was war, ist es einem ins Ohr gesprungen, meistens catchy Melodien. Bei deisem Album gefällt mir immer mehr, wie wenig es einen auf Hit oder Ohrwurm macht. Es ist so im besten Sinne ein Rock-Album, dem man die Liebe zum Detail anmekrt. Dank der Liebe auf den zweiten Blick zu Sliding und Kiss of Venus gebe ich jetzt locker 8 Punkte. Das Ding wird gekauft. |
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Referenzen
The Fireman; The Beatles; Wings; Ringo Starr; Tom Petty; Traveling Wilburys; George Harrison; Electric Light Orchestra; John Lennon; Eric Clapton; Elton John; Ron Sexsmith; The Stands; Hal; Drew; Badly Drawn Boy; The Magic Numbers; Travis; Teenage Fanclub; The Byrds; Ray Davies; The Kinks; Billy Joel; Randy Newman; Brian Wilson; The Beach Boys; Love; Bryan Ferry; Cotton Mather; Myracle Brah
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