Lambchop - Trip
City Slang / Rough Trade
VÖ: 13.11.2020
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Außer Wagner
Ein cleverer Move von Kurt Wagner. Insbesondere die letzten beiden Alben seiner Band Lambchop bewegten sich ja durchaus deutlich vom organischen Trademark-Sound der Band aus Nashville weg. Elektronische Einschübe und Autotune waren die äußeren Kennzeichen eines Willens zur Veränderung, die viele Anhänger ratlos bis verstimmt zurück ließ. Nun wollte Wagner diese Neuheiten im Bandsound nicht per se zurücknehmen, eine Orientierung an den klassischen Lambchop erschien ihm aber ebenfalls mal wieder reizvoll. Statt nun aber mit einem regulären Album an alte Verknüpfungspunkte anzudocken, entstand die Idee zu einem Cover-Album, gab es ja bisher in der Geschichte Lambchops auch noch nicht. Zusätzlich wollte Wagner sich auch mal als Boss zurücknehmen, dies verwirklichte er, indem für das neue Projekt jedes Bandmitglied einen Song auswählen durfte und auch bei dessen Umsetzung die Feder führen sollte. Aufgenommen im Dezember 2019, entstand so das vielfältige "Trip", welches jedoch viel näher an den klassischen Lambchop positioniert ist als die letzten Alben.
Zu Beginn setzt es direkt einen emotionalen Koloss, "Reservations", im Original von Wilco. Der Kernsong wird dabei recht treu widergegeben, mit dem Unterschied, dass Wagners Gesangsvortrag knorrig-gebrochen daherkommt, im Gegensatz zu den zärtlich dahingehauchten Vocals von Jeff Tweedy. Doch das entscheidene Alleinstellungsmerkmal in dieser Version ist die ausufernde, dennoch kärgliche instrumentale Coda in dieser Version mit vereinsamtem Klavier und Drone-Ambiente. Erst hier fühlt man diese universale Leere, die nur von sporadischen Ton-Tupfern angereichert wird. Das Setting ermöglicht zwar eine gewisse Zuflucht, nur ist man in ihr allein.
Deutlich fülliger ist "Where grass won't grow" von George Jones, da der solide aus einer zurückgelehnten Haltung operierende Beat eine sichere Grundlage für Klavier und Pedal Steel bietet. Dieses Stück ist liebevoll instrumentiert, im Zusammenspiel mit Wagners melancholischer Lakonie bleibt aber vor allem der Eindruck einer zufriedenen Bescheidenheit. Und dies ist genau das Gefühl, welches Meilensteine wie "Is a woman" und "Damaged" so auszeichneten. Ein fast schon hippieskes Klangkleid trägt das munter stromernde "Shirley", Wagner gibt stimmlich das Äquivalent zu erkalteter Asche, ein wunderbarer Kontrast zur engagierten Instrumentierung. Dass der Refrain dann noch psychedelische Erweiterungen der Melodien anbietet, macht aus diesem Stück ein kleines Juwel.
Die "Golden lady" von Stevie Wonder bewegt sich in der Lambchop-Version mit langsamen, anmutigen Bewegungen durchs Schlafzimmer, die instrumentale Gestaltung changiert zwischen Western-Sonnenuntergang und Mittelmeer-Hafen, wunderschön und mit Akkordeon und Pedal-Steel-Abglanz herrlich detailiert. Und es sind neben Wagners Gesang eben jene liebevollen Updates der klanglichen Ausgestaltung, die aus den Songs einen zusätzlichen Mehrwert herausholen, "Love is here and now you're gone" gönnt dem Motown-Original der Supremes dabei einen kleinen Schwenker zu etwas albernem Kirmes-Terrain, der abschließende "Weather blues" hingegen bietet neben einem steinerweichenden Gesangsvortrag Wagners eine in bluesige Trauer gebadete Instrumentierung, die mit klassischer Größe überwältigt. Und wenn auch die neueren Lambchop durchaus einiges zu bieten haben, ist dieser Ausflug in altbekannte, aber eben auch heiß geliebte Gefilde für jeden langjährigen Fan ein wunderbares Weihnachtsgeschenk.
Highlights
- Reservations
- Golden lady
- Weather blues
Tracklist
- Reservations
- Where grass won't grow
- Shirley
- Golden lady
- Love is here and now you're gone
- Weather blues
Gesamtspielzeit: 37:35 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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dreckskerl Postings: 9765 Registriert seit 09.12.2014 |
2020-12-25 17:55:28 Uhr
Sehe das ähnlich wie hogi.Auf diesen Coveralbum sind die elektrischen Modifikationen nicht ganz so aufdringlich wie zuletzt, aber trotzdem gibt es die großartige Stimme von Kurt Wagner nicht in natürlicher Form zu hören. Seufz...eine ganz slowe stripped down Version von "Reservations" zu singen ist Wilco selbst auf ihrer 19er Tour gelungen. Die 9 Minuten Ambient Folkdrone die folgen, kann man mögen, oder auch überflüssig finden. Bester Track ausgerechnet das Cover eines bisher unveröffentlichten Songs vom Yo La Tengo Bassisten. 5/10 sorry |
Hogi Postings: 522 Registriert seit 17.06.2013 |
2020-12-23 18:07:24 Uhr
Was ist denn mit Wagners Stimme los? Wirklich singen konnte er ja noch nie, war auch nicht entscheidend, aber jetzt...oweia. Seit Flotus kriegt mich die Band auch musikalisch überhaupt nicht mehr...bin wohl erstmal durch mit der Band und beschränke mich auf deren alte Großtaten (gibt genug davon). |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 26212 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-12-21 21:19:14 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
captain kidd Postings: 3583 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-11-14 10:41:33 Uhr
Das Album ist nicht wirklich stark, aber schon ein paar gute Momente. |
kingsuede Postings: 4072 Registriert seit 15.05.2013 |
2020-11-14 10:33:42 Uhr
Habe nach Mr. M die Band irgendwie abgeschaltet. Werde in das neue Coveralbum mal reinhören. Ist ja gestern erschienen. |
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Referenzen
Wilco; Volcano Choir; Jeff Tweedy; Tindersticks; My Morning Jacket; Destroyer; Howe Gelb; Bonnie 'Prince' Billy; Calexico; M. Ward; Bill Callahan; Damien Jurdao; Sparklehorse; Leonard Cohen; Jeff Buckley; Nick Drake; Jim James; Andrew Bird; Songs: Ohia; Monut Eerie; The Microphones; Josh Ritter; The Felice Brothers; The Mountain Goats; Cass McCombs; Smog; Neko Case; The Magnetic Fields; Willard Grant Conspiracy; Christian Kjellvander; The Decemberists; Silver Jews; Belle And Sebastian; The Pernice Brothers; The Black Heart Procession
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