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Marika Hackman - Covers

Marika Hackman- Covers

Transgressive / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 13.11.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Hot n cold

Was war Euer meistgehörtes Album im Jahr 2020? Würde der Chef diese Frage in seiner berühmten Montagsumfrage stellen, bekäme er vermutlich einen ganzen Wust von Klassikern als Antworten. Wenn die Welt aus den Fugen zu geraten droht, ist es nur menschlich, vor allem die längst ins Herz geschlossenen Favoriten um Halt zu ersuchen. Das ergeht dem alternden Vinyl-Liebhaber aus Dinslaken ebenso wie der jungen Londoner Songwriterin und so suchte auch Marika Hackman Trost bei ihren bewährten Lieblingssongs. Dabei fand sie, getrieben von einem durch die Isolation nur geförderten Produktionsdrang, aber noch etwas anderes: Inspiration. "Covers" ist eine Sammlung von, nun ja, Coverversionen ebenjener Stücke, die sich in dieser Konzentration wie der feuchte Traum jedes Indie-Fans lesen (Sharon Van Etten! The Shins! Alvvays! RADIOHEAD!). Dass bei Hackmans schon lange über den Talentstatus hinausgehenden Fertigkeiten mehr als nur Castingshow-Karaoke herauskommt, sollte eigentlich nicht überraschen – und doch beeindrucken die Homogenität und Eigenständigkeit dieser Compilation ungemein. Songs von so unterschiedlichen Künstler*innen wie Elliott Smith und Beyoncé erwecken den Eindruck, als wären sie von Anfang an dazu bestimmt gewesen, gemeinsam auf einer Platte zu landen.

Die Britin wollte ohne die Bürde eines vollwertigen Albums mit neuen Sounds experimentieren und tatsächlich besetzt "Covers" eine weitere Nische ihres eh schon chamäleonhaften Schaffens. In seiner Reduktion und Introvertiertheit ließe es sich am ehesten mit dem Debüt "We slept at last" in Einklang bringen, lockert dessen Folk-Verankerung allerdings deutlich. Über ganz dezente Beats und Synthie-Flächen haucht Hackman schockgefrostete Miniaturen, mal von einer Akustischen umschmeichelt, mal heimgesucht von entfremdeten Stimmen. Das eröffnende "You never wash up after yourself" – eine Radiohead-B-Seite aus der Zeit der "My iron lung"-EP – ersetzt Jonny Greenwoods Gitarrenperlen durch ein einsam hallendes Piano, verstärkt damit die Kargheit des Originals aber nur. Samples summender Fliegen doppeln den mit Worten gezeichneten Verfall: "Everything is starting to die." Mit trockenem Drumcomputer versetzt die 28-Jährige "Phantom limb" auf einen vereisten See, konserviert dabei allerdings nicht nur ein paar von James Mercers Saitenanschlägen, sondern auch die ursprüngliche Wärme des Songs. Auch "Playground love" aus Airs "The virgin suicides"-Soundtrack behält trotz fehlender Streicher seine zurückgelehnte Verspieltheit bei.

Das ist schließlich Hackmans größtes Kunststück: Sie beugt die Tracks ihrer eigenen Vision, entkernt sie aber keineswegs, sondern legt schlicht weniger markante Aspekte ihres Charakters offen. "Realiti" war zwar schon immer einer von Grimes' weniger aufgedrehten Zukunftsdisco-Hits, doch hier kommt sein existenzialistischer Touch erst in dieser narkotischen Interpretation voll zur Geltung. Von Harfen-ähnlichen Geräuschen begleitet stoßen Zeilen wie "We were scared and we were beautiful" durch die synthetische Leere und jagen einem erhitzte Eiszapfen über den Rücken. "Pink light" – ein kleiner Elektropop-Banger der kalifornischen Band Muna – überzeugt in der gedämpften Version ebenso wie "All night", das Queen Beys Bläser durch skelettales Klopfen und Stimmen-Jenga austauscht. Am nächsten am Original bleibt der Take von Elliott Smiths "Between the bars" mit der vertrauten Melodie, der vertrauten Gitarre, dem vertrauten bittersüßen Text. Klar, nach drei grandiosen regulären Alben hätte man bei ganz neuem Material Hackmans die noch größeren Freudensprünge hingelegt. Doch wenn dabei ein so stimmiges, einlullendes Werk wie "Covers" entsteht, gönnt man ihr den Rückzug zu den alten Trostspendern mehr als sowieso schon.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Phantom limb
  • Realiti
  • Between the bars

Tracklist

  1. You never wash up after yourself
  2. Phantom limb
  3. Playground love
  4. Realiti
  5. Jupiter 4
  6. Pink light
  7. Between the bars
  8. Temporary loan
  9. In undertow
  10. All night

Gesamtspielzeit: 30:55 min.

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User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2020-12-21 21:17:48 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Vive

Postings: 515

Registriert seit 26.11.2019

2020-12-09 17:10:43 Uhr
Nice dass sie von Radiohead You never wash up after yourself rausgesucht hat.
Klingt auch ganz gut, eigen.

Unangemeldeter

Postings: 1252

Registriert seit 15.06.2014

2020-12-09 17:02:37 Uhr
Hierzu hat sich ja seit VÖ noch gar keiner gemeldet... Zu Unrecht! Es ist sicher nicht ihre spannendste Veröffentlichung, gar fast etwas fad und arg tief in ihrer Komfortzone, hat aber eine schöne Songauswahl (Phantom Limb! All Night! Jupiter 4!) und kommt allen entgegen, die (wir hier glaube ich ja einige) ihre ruhigeren, melancholischeren ersten CDs lieber mochten als die eher bandorientierten letzten 2.

Für mich war's den Kauf auf jeden Fall wert, ein gemütliches und schönes Lockdown-Album mit durchgängiger Abendstimmung.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 10783

Registriert seit 23.07.2014

2020-10-24 09:54:43 Uhr
Auf bandcamp kannst du zumindest die Vinyl vorbestellen.

Unangemeldeter

Postings: 1252

Registriert seit 15.06.2014

2020-10-24 09:40:07 Uhr
Sehr schöne Neuigkeiten, danke! Bin gespannt! Weiß jemand ob's auch eine physische VÖ geben wird?
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