Gerhard Polt & Die Well-Brüder - 40 Jahre
JKP / Warner
VÖ: 25.09.2020
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Obacht
40 Jahre sind eine lange Zeit. Nicht einmal Franz-Josef Strauß war so lange Ministerpräsident Bayerns. Gerhard Polt steht seit vier Dekaden auf den Bühnen Deutschlands und der Welt, manchmal allein, manchmal jedoch auch in Begleitung der kongenialen Gebrüder Well, besser bekannt als Biermösl Blosn. Das Trio passt zu Polt wie der Masskrug auf den Kopf. Ihre Gstanzln und Couplets stellen ein Gegengewicht zu Polts teils ausufernden Stücken dar. Besonders die beiden in ihrer Absurdität kaum zu überbietenden Evergreens "Ekzem-Gstanzl" und "E-mam-be-le" begeistern auch Jahrzehnte nach ihrer Uraufführung. Das Album "40 Jahre" zelebriert die gemeinsame Bühnengeschichte mit einem Auftritt, der Highlights aus dem Schaffen der Künstler in knapp über 70 Minuten zusammenfasst.
Dass Die Toten Hosen bei drei Tracks im Hintergrund musizieren, fällt nicht sonderlich auf. Die Band und den Grantler verbindet eine langjährige Freundschaft, sodass die Kooperation nur logisch erscheint. Im Mittelpunkt steht aber selbstverständlich immer der Meister selbst. Wenn Polt zu seinen Monologen anhebt, lohnt es sich, genau hinzuhören. Der Teufel lauert im Detail und nicht selten zwischen den Zeilen. So ist die Mär vom "Kormoran" eine feinsinnige Abrechnung mit Deutschtümelei und "Mia san mia"-Lokalpatriotismus. Polts große Kunst besteht darin, langsam, beinahe zähflüssig Gedanken vor dem Publikum zu entwickeln, ehe es im finalen Crescendo Watschn von links und rechts hagelt. Er schlüpft dabei in Rollen, die dem Volk vom Maul abgeschaut sind. Sei es der Vereinsmeier oder die schimpfende Großmutter. Es sind typisch bayerische und damit auch typisch deutsche Klischees, die Polt als Vehikel für seine Tiraden nutzt
Und es trifft nie die Falschen. Wenn die Oma in "Bildung" über die Verweichlichung der jüngeren Generationen herzieht, liegt zwischen Laktoseintoleranz und Borniertheit nur ein schmaler Grat der Ironie. Natürlich bekommt auch der Katholizismus wieder sein Fett weg. Als indischer Priester "Brabang" thematisiert Polt die sich leerenden Kirchen und nimmt auf dem Weg gleich noch die Doppelmoral der ach so gläubigen Bajuwaren aufs Korn. Da das alles zudem verdammt pointiert daherkommt, bleibt dem Hörer nur zufriedenes Grinsen. Er ist nicht nur ein Unikat, dieser Polt. Er ist Scharfrichter und Unterhalter in Personalunion. "I hob niad Psychologie studiert, sondern Menschenkenntnis", verkündet der Kabarettist in "Da Depp". Besser kann man es nicht formulieren. Im Alltäglichen und Banalen lauern eben die wahren Abgründe. Wie wir leben wollen, ist eine Frage des Gewissens.
Highlights
- Kormoran
- Brabang
- Ekzem-Gstanzl
- E-mam-be-le
Tracklist
- Well-Brüder vor Ort
- Prolog
- Feuerwehrmusik
- Kormoran
- Vom bayrischen Paradies
- Brabang
- Auf beim Spund
- Bildung
- Drehleier con turbo
- 40 Cent
- Da Depp
- Ekzem-Gstanzl
- E-mam-be-le
Gesamtspielzeit: 72:44 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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AliBlaBla Postings: 6753 Registriert seit 28.06.2020 |
2020-12-10 22:00:37 Uhr
Ja mei! Vor dreißig und ein paar Zertquetschten (Jahren) in Essen in der Lichtburg gesehn, .und heute immer noch gut; das muss man auch erstmal schaffen! |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27512 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-12-10 20:58:52 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Biermösl Blosn; Die Toten Hosen; Günter Grünwald; Karl Valentin; Fredl Fesl; Ringsgwandl; Christoph Süß; Ottfried Fischer; Andreas Giebel; Haindling; Hannes Ringlstetter; Monika Gruber; Josef Hader; Diether Krebs; Georg Kreisler; Loriot; Hanns Dieter Hüsch; Dieter Hildebrandt; Willy Michl; Georg Schramm; Jochen Malmsheimer; Herbert und Schnipsi; Sissy Perlinger; Bernd Regenauer; Gerd Dudenhöffer; Piet Klocke; Willy Astor; Insterburg & Co.; Studio Braun; Heinz Strunk; Harald Schmidt; Hagen Rether; Jan Böhmermann
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- Gerhard Polt & Die Well-Brüder - 40 Jahre (2 Beiträge / Letzter am 10.12.2020 - 22:00 Uhr)