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Lunatic Soul - Through shaded woods

Lunatic Soul- Through shaded woods

Kscope / Edel
VÖ: 13.11.2020

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Von drauß', vom Walde

Soloalben von Mariusz Duda sind so überraschend wie konsequent. Konsequent, weil der polnische Bassist und Sänger so dafür sorgt, dass für Riverside ausschließlich Songs verwendet werden, die auch in den Kontext der Band passen. Alles andere, wie beispielsweise der ganz private Umgang mit dem Tod seines Vaters, verarbeitet Duda in seinem Projekt Lunatic Soul. Und als es darum ging, seine Gefühlswelt während der Corona-Pandemie zu vertonen, veröffentlichte er das Album "Lockdown spaces" im Juni 2020 gleich direkt unter eigenem Namen. Überraschend sind Dudas Soloalben aber auch deshalb, weil man nie so genau weiß, welche kreative Seite er jeweils ausleben möchte. Und dabei immer glaubwürdig bleibt, wie der Wandel von einer düstereren Version von Riverside auf den ersten Alben "Lunatic Soul" und "Lunatic Soul II" hin zu den ruppigen elektronischen Beats von "Fractured" oder dessen Resteverwertung "Under the fragmented sky" zeigt.

Und doch lässt die Ankündigung, das neue Album "Through shaded woods" würde sich eher folkigen Klängen zuwenden, aufhorchen. Ein gestandener Prog-Künstler übt sich in Wanderklampfen-Romantik oder skandinavisch angehauchtem Humppa-Geschunkel? Schwer vorstellbar. Tatsächlich packt Duda zum Opener "Navvie" die Akustische aus, doch statt Lagerfeuer-Atmosphäre macht sich ein wunderbarer Gitarrenlauf auf den Weg ins Ohr. Und zwar, um dort zu bleiben. Untermalt von einem sanften Tribal-Rhythmus, hypnotisiert der Song von Durchlauf zu Durchlauf mehr, und über allem schweben entrückte Textfragmente, die tatsächlich an Dead Can Dance erinnern. Das klingt latent schwermütig, ist es im Grunde auch. Denn wenn sich gegen Ende von "The passage" plötzlich ein Riff einschleicht, sich immer mehr hineindrängt und zu einem fiesen Headbanger wächst, wird es fast schon bösartig.

Mariusz Duda ist in Masuren geboren und aufgewachsen, genauer gesagt in Wegorzewo, dem früheren Angerburg, nur wenige Kilometer von der polnisch-russischen Grenze entfernt. Eine wunderschöne, wilde Landschaft, geprägt durch die masurische Seenplatte und weite Wälder. Diese Wälder, nämlich jene "Shaded woods", dienen Duda als Allegorie für seine eigenen Alpträume, die eigenen dunklen Erlebnisse. Mit diesem Bild vor Augen, unterstützt durch das ein wenig an die bizarren Wälder in David Lynchs großartiger Serie "Twin Peaks" erinnernde Artwork, nimmt der Pole die Hörer mit auf seine eigene Reise, lässt seinen Soundlandschaften wie im bisweilen ekstatischen "Summoning dance" Raum zur Entfaltung. Um dann mit dem fragilen "The fountain" einen Ausweg zu schaffen, so als würden die ersten Lichtstrahlen durch den Wald scheinen. Gerade hier, an der Rückschau auf das reguläre Album, wirkt das repetitive "Oblivion" im Mittelteil noch ein wenig mehr wie Füllmaterial, mag es doch weniger Atmosphäre zu vermitteln wie die anderen Songs.

Was aber auch nicht weiter stört. Denn zum einen verliert sich "Through shaded woods" ansonsten eben gerade nicht in entrückten Spielereien und bleibt dadurch ein kompaktes und spannendes Hörerlebnis. Zum anderen versteckt sich in den drei abschließenden Bonustracks mit "Transition II" ein Monumentalwerk, das seinesgleichen sucht. Natürlich ist das Bild mit den Kopfhörern so gerne genommen wie überstrapaziert. Aber wie sonst will man jemals dieses Epos, diese akustische Reise erfassen? Im Grunde genommen kann man diese 28 Minuten voller Spannung für sich herauslösen und als ein Destillat der anderen Songs betrachten, während Duda einen Basslauf als Grundthema herauspickt, diesen immer wieder modifiziert und so als Basis für die unterschiedlichsten Stimmungen nimmt. Das ist introvertiert, das ist in höchstem Maße nerdig, das ist aber auch schlicht großartig. Doch egal ob mit oder ohne Bonus Tracks, "Through shaded woods" zeigt einen Künstler, der sich nicht nur hinterfragt, sondern sich tatsächlich neu entdecken will. Und das macht Mariusz Duda nicht erst seit dieser Platte zu einem der ganz Großen seines Genres.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • The passage
  • Summoning dance
  • Transition II

Tracklist

  • CD 1
    1. Navvie
    2. The passage
    3. Through shaded woods
    4. Oblivion
    5. Summoning dance
    6. The fountain
  • CD 2
    1. Vyraj
    2. Hylophobia
    3. Transition II

Gesamtspielzeit: 76:35 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

VelvetCell

Postings: 6497

Registriert seit 14.06.2013

2021-01-08 00:35:03 Uhr
Am Ende des Jahres hat sich das Album doch so sehr in mein Herz gespielt, dass ich es zu den Top 5 zählen würde. Das spricht mich einfach von seiner Machart und Stimmung her voll an.

MasterOfDisaster69

Postings: 941

Registriert seit 19.05.2014

2020-12-13 20:13:30 Uhr
Tolle Platte,stimmt. Transition II ist aber so dolle nu auch nicht, plaetschert ziemlich lange vor sich her, passt schon am Ende, irgendwann schlaeft man ruhig und zufrieden ein. Bei mir ganz normal in Spotify abrufbar.

7-8/10

Marküs

Postings: 1234

Registriert seit 08.02.2018

2020-12-11 13:08:02 Uhr
Definitiv eine der besten Platten des Jahres. Vor allem werden hier echte Emotionen transportiert! Die Einflüsse des Nordic Folk wurden ebenfalls grandios in die Musik eingewoben, 9/10

Klaus

Postings: 8934

Registriert seit 22.08.2019

2020-12-11 13:07:52 Uhr
Und ja, das steht auch in der Rezension, habe das nur erst nicht geblickt, was genau damit gemeint ist.

Klaus

Postings: 8934

Registriert seit 22.08.2019

2020-12-11 13:06:18 Uhr
Gerade mal geschaut übrigens:

Das Album ist etwas konfus.
Die Standardedition (sowohl digital, als physisch) umfasst ja nur die ersten 6 Songs.

Die anderen 3 sind "nur" in der Deluxe-Version zu haben - und "Transition II" auf Spotify z.b. gleich gar nicht erfügbar.

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