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Haiyti - Influencer

Haiyti- Influencer

Hayati / Warner
VÖ: 04.12.2020

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Wie es sich anfühlt

Pausen kennt Haiyti nicht. Wenn sie nicht gerade absurde Tweets absondert, befindet sie sich im Studio. Anders ist ihr irrsinnig hoher Output kaum zu erklären. Dass dabei manchmal auch ziemlicher Unfug herauskommt? Geschenkt. Die Rapperin folgt dem Prinzip "Klatsch alles an eine Wand und schau, was klebenbleibt." Und dabei entsteht erstaunlich oft spannende Musik. Nur gut ein halbes Jahr nach dem gefeierten "Sui sui" schiebt sie nun "Influencer" nach. Ein Album, das in seinem Charakter eher an ein Mixtape erinnert. Die Beats sind weniger ausgefeilt, der Stil ist weitaus homogener. Und trotzdem zieht sie wieder in den Bann. Vielleicht sogar mehr als je zuvor. Denn "Influencer" entwickelt einen unfassbaren Sog. Es gibt nur eine Richtung.

Der Einstieg sorgt allerdings für leichte Irritation. Hier ein Glockenbeat, dort ein Glockenbeat. Kennt man alles mittlerweile. Nun werden dadurch Songs wie "100000 Feinde" nicht automatisch schlecht, noch immer vermag Ronja Zschoche mit ihrem unvergleichlichen Singsang zu faszinieren. Ihre Botschaften bleiben dabei angenehm vernebelt. Irgendwo zwischen Kater und Konsum irrlichtert sie herum. Am besten wird das, wenn sie sich wie in "One-off model" auf das Allernötigste reduziert. Kein Schnickschnack, nur Emotionen. Oder das, was von ihnen übriggeblieben ist. So verletzlich wie in "Star und zurück" klang Haiyti bisher nicht. "26 Kippen, trink 13 Mischen, ich hoffe Du vermisst mich", zwitschert sie da. Und zeigt dabei ganz nebenbei, dass sie auch mit minimalem Einsatz von Autotune mehr als passabel singen kann. Auch "Holt mich raus hier" überzeugt auf ganzer Linie. Das hat mehr Vibe als ein Nokia 3210.

Allgemein geht es auf "Influencer" fast schon besinnlich zu. Wer räudige Kracher wie "Quattro" sucht, wird eher nicht fündig werden. Dafür gibt es Tracks wie "Benzin". Hier ersäuft Haiytis Stimme in Effekten. Schwere Moll-Akkorde wabern im Hintergrund. Und dann ist da noch die Melodie, die das Blut in den Adern gefrieren lässt. Hier wird auch deutlich, wie Unrecht man der Künstlerin tut, wenn man sie in die Trap-Ecke drängt. Sie hat mittlerweile einen ureigenen, unverkennbaren Stil entwickelt, der hierzulande ohne Konkurrenz ist. Pastiche war gestern, heute ist Patte. Freilich wird es weiterhin Menschen geben, die mit Haiytis dadaistischer Lyrik nichts anfangen können. Aber eine Reduktion auf den bloßen Wortlaut wäre unfair. Die Hamburgerin bringt in Songs wie "Tokio" Sprache zum Klingen. Es geht nicht nur um das, was sie sagt, sondern darum, wie es sich anfühlt.

Und gelegentlich haut sie dann doch auf die Kacke. "Burr" ist kaputt, und das ist gut so. Dass ausgerechnet Benzodiazepine zur Allerweltsdroge werden konnten, verrät viel über den Zustand unserer Gesellschaft. Nicht ratsam, das alles. Wenn es ohne nicht mehr geht, gehen langsam die Lichter aus. Hedonismus um jeden Preis? Kostet. Ballern bis zum "Herzinfarkt"? Warum eigentlich nicht. Genau in dieser Lust am Absturz, diesem Tanz am Rande des Abgrunds liegt die Faszination von Haiytis Kunst. Sie fängt ein Lebensgefühl ein, das präsenter ist, als die meisten zuzugeben bereit sind. Immer vorwärts, immer weiter lautet die Devise. Für Devisen. Neben den Glocken klingeln die Kassen. Und die Menschen? Zum Abschuss freigegeben.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Star und zurück
  • Benzin
  • Holt mich raus hier
  • Tokio

Tracklist

  1. Comeback
  2. 100000 Feinde
  3. Wenn ich muss
  4. Klunker
  5. Zu real
  6. Tak tak
  7. One-off model
  8. Star und zurück
  9. Benzin
  10. Holt mich raus hier
  11. Im Club
  12. Sweet
  13. Burr
  14. Herzinfarkt
  15. Hokus Pokus (feat. Ego)
  16. Tokio
  17. Ghostname
  18. Kokaina
  19. Weltzeituhr

Gesamtspielzeit: 50:38 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Termin am Thor

Postings: 3

Registriert seit 14.12.2020

2020-12-14 20:16:19 Uhr
@ Christopher

Sehe ich ganz genauso ! So stelle ich mir freshe Musik im Jahre 2020 vor.

Am besten sind Tracks 4-7 . Am Ende nehmen leider die Lyrics ab. Schade.

Termin am Thor

Postings: 3

Registriert seit 14.12.2020

2020-12-14 20:09:29 Uhr
Eines meiner absoluten Lieblingsalben dieses Jahres! Der Verfremdungseffekt macht die Künstlerin in Kombination mit den electro-tunes zu einem Unikum in der Hip-Hop-Szene. Damit erschließt Rapmusik 40 Jahre nach Grandmaster Flash mehr denn je die Bildungsbürgerschicht !

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3576

Registriert seit 12.12.2013

2020-12-14 06:03:44 Uhr
Mir gefällt die Musik.

Eurodance Commando

Postings: 1731

Registriert seit 26.07.2019

2020-12-13 18:45:27 Uhr
Hat das irgendwie n doppelten Boden oder ne Metaebene, warum man diese Musik auch bei Plattentests so bejubelt? Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen was daran so originell sein soll. Album der Woche... Ernsthaft?

Magoose

Postings: 81

Registriert seit 15.06.2013

2020-12-11 16:52:52 Uhr
Mal abgesehen von der Produktion aber Cher hat angerufen und möchte ihren Autotune Effekt zurück. Erschließt sich für mich null warum die Hälfte der Vocals mit so käsigen Autotune Effekten "entstellt" sein muss? Das war in den 90ern auch schon nicht mehr cool.

Am Ende ansonsten mal wieder die Feststellung, dass ich für das Meiste aus dieser Ecke gefühlt dann doch zu alt bin. Ein paar gute Tracks sind dabei (Tok Tok, Benzin, Sweet, ghostmane), vieles kippt bei mir dann leider doch in Richtung och nööö/peinlich.
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