The White Stripes - Greatest hits

Third Man / Columbia / Sony
VÖ: 04.12.2020
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Geschieden, in Frieden
"My sister thanks you and I thank you" – so verabschiedete Jack White in der Regel die Konzertbesucher von The White Stripes, und genau so steht es auch auf dem Cover der "Greatest hits". Jene Tradition stammt noch aus einer Zeit, als noch nicht klar war, in welchem Verhältnis die beiden Detroiter Jack und Meg White wirklich zueinander stehen. Was sicher einen gewissen Teil der Aufmerksamkeit der Presse hervorrief. Später wurde klar: Die Whites waren bei der Bandgründung ein Ehepaar und ließen sich 2000 scheiden. Und: Der Gossip und die Interpretationen herausfordernde Innendynamik mögen ihnen neben der klar definierten Drei-Farben-Ästhetik geholfen haben, Aufmerksamkeit zu bekommen, aber ihre Musik konnte weitaus besser für sich sprechen – was diese Kollektion eindrucksvoll unterstreicht. Natürlich ist der Titel "Greatest hits" eine leichte Übertreibung. The White Stripes hatten keine 26 Hits. Es könnte aber am Ende nicht egaler sein.
Eigentlich nahm die Debütsingle bestehend aus dem ungestümen "Let's shake hands" und dem subtil unter Klavierbegleitung leidenden Terry-Gilkyson-Cover "Look me over closely" schon alles vorweg. The White Stripes atmen und leben den Blues. Die Gitarren heulen mit Jack White um die Wette, Meg drischt im richtigen Moment aufs Schlagzeug. Diese Formel verfeinerten sie auf den initialen drei Alben zunehmend. Sie machten sich auf dem selbstbetitelten Debüt und dem Nachfolger "De Stijl" teils alte Bluesstandards wie in der grandiosen Coverversion von "Death letter" zu eigen, täuschten mit der ersten Single "Hotel Yorba" vom großartigen Durchbruchsalbum "White blood cells" Country an. Zarte Jugenderinnerungen wie das rein akustische "We're going to be friends" gingen auch. Spätestens mit dem Lego-Video von "Fell in love with a girl" waren die beiden in Indie-Kreisen echte Größen. Das war jedoch noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.
Es passierte "Seven nation army". Einer der wenigen Songs, die unbestreitbar als Klassiker der 2000er-Jahre gelten werden. Man mag ihn als totgespielt anklagen, als verunstaltet durch Stadiongrölerei, aber als Komposition steht er weiterhin felsenfest und darf "Greatest hits" standesgemäß beschließen. Das zugehörige Album "Elephant" verkaufte sich weltweit mehrere Millionen Mal und ist bis heute ihr künstlerischer Höhepunkt. Was die Whites natürlich nicht im Mindesten beirrte. Der Nachfolger "Get behind me Satan" trug nicht nur ein meisterhaftes Cover, sondern legte die Gitarre größtenteils für spannende Piano-Exkursionen zur Seite und verschreckte einige Fans nicht nur mit der fulminant funkigen Vorabsingle "Blue orchid". Sondern unter anderem noch mehr mit der vertonten Horrorshow "The nurse", die überraschenderweise hier enthalten ist. Das finale Album "Icky thump" besann sich zwar wieder mehr aufs Rocken, kreirte aber mit seinen kreischenden Gitarren und Gastspielen von Mariachi-Bläsern, Dudelsäcken und Fisher-Price-Keyboards immer noch neue Sounds und war kein Abklatsch alter Tage.
2011 war allerdings endgültig Schluss. Nun also neun Jahre später diese "Greatest hits", bei der Jack White mit der Zusammenstellung wohl wenig falsch machen konnte. Klanglich hat sich außer Dynamikanpassungen nichts verändert, der kratzig-übersteuerte Sound der ersten drei Platten wechselt sich mit der wärmeren Produktion der späteren Stücke ab. Im Schnitt setzt es vier Songs von jedem Album, lediglich "Icky thump" musste einen Platz an "White blood cells" abtreten. Dazu kommen die erwähnte Initialzündung "Let's shake hands" sowie das fantastische Dolly-Parton-Cover "Jolene" – ursprünglich B-Seite zu "Hello operator", mittlerweile eine ihrer bekanntesten Nummern. Klar kann man hinterfragen, ob das zum Einstieg oder als grober Überblick nicht ein wenig zu viel des Guten ist. Sind Songs wie "Astro" oder "Conquest" wirklich bei den oberen 20 Prozent dabei? Fehlen nicht dafür Stücke wie "Stop breaking down", "Expecting" oder "There's no home for you here"? Wie immer gibt es natürlich in der Hinsicht Dinge zu bekritteln. Das ändert nichts an der Kurzweiligkeit dieses Trips in die Vergangenheit.
Freude machen auch die etwas abseitigeren Picks wie das launige "Screwdriver", das hymnische "I'm slowly turning into you" oder "Ball and biscuit", dessen sieben Minuten den längsten The-White-Stripes-Song überhaupt ergeben – und einen der intensivsten dazu. All diese Stücke waren keine Singles, insofern bietet "Greatest hits" auch viele Blicke in die entlegeneren Winkel der Diskografie, die auf der Vinyl-Beigabe im Third Man Store durch 13 Non-Album-Singles und B-Seiten erweitert werden. Die Chance, einen Bonus in Form einer Seven-Inch-Vinyl oder Three-Inch-CD mit dem Titel "The little White Stripes" beizugeben, ist daher die größte verpasste Chance der Compilation. Schließlich gab es auf allen sechs Studioalben einen Song, dessen Titel mit "Little" begann, diese hätten doch wirklich einmal zusammenfinden sollen. Die großen Geschwister sorgen dennoch auch weit nach dem aktiven Wirken des Duos für Laune. Denn Blues kann so viel mehr sein als nur die ollen zwölf Takte.
Highlights
- Screwdriver
- Dead leaves and the dirty ground
- Death letter
- Jolene
- Blue orchid
- Icky thump
- Seven nation army
Tracklist
- Let's shake hands
- The big three killed my baby
- Fell in love with a girl
- Hello operator
- I'm slowly turning into you
- The hardest button to button
- The nurse
- Screwdriver
- Dead leaves and the dirty ground
- Death letter
- We're going to be friends
- The denial twist
- I just don't know what to do with myself
- Astro
- Conquest
- Jolene
- Hotel Yorba
- Apple blossom
- Blue orchid
- Ball and biscuit
- I fought piranhas
- I think I smell a rat
- Icky thump
- My doorbell
- You're pretty good looking (for a girl)
- Seven nation army
Gesamtspielzeit: 81:56 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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qwertz Postings: 1073 Registriert seit 15.05.2013 |
2020-12-05 16:18:25 Uhr
Ich mochte die Band damals sehr, habe sie im letzten Jahrzehnt ehrlicherweise aber nur noch sehr wenig gehört. Vielleicht ist das hier ein Anlass, mich mal wieder tiefer in die Materie zu begeben. Die Zusammenstellung der Songs finde ich auf jeden Fall total gelungen. Insgesamt gibt es in der tollen Diskografie ja recht wenig Qualitätsunterschiede, sodass nach meinem Empfinden auch hundert andere Tracklists möglich gewesen wären, ohne dass ein anderer Gesamteindruck entstehen würde. Ob man das Ganze braucht? Höchstens, wenn man sich nicht für ein Album in der Sammlung entscheiden will. |
Eurodance Commando Postings: 1731 Registriert seit 26.07.2019 |
2020-12-05 12:52:51 Uhr
Braucht man das? Ich hätte gerne lieber eine Reunion. Vermisse Meg auch irgendwie. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28539 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-12-04 19:33:48 Uhr - Newsbeitrag
https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=vGMI7Tdd014 |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28539 Registriert seit 08.01.2012 |
2020-11-30 22:46:19 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Im Rahmen von "Weihnachtsspecial, Teil 1: Best Ofs, Soundtracks, Remixplatten und Weihnachtsalben" Meinungen? |
Peacetrail Postings: 4129 Registriert seit 21.07.2019 |
2020-11-30 22:36:45 Uhr
Dö-dö-döpp-döpp-de-dööööö-döööööDö-dö-döpp-döpp-de-dö-dee-dö-dööööö |
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Referenzen
Jack White; The Raconteurs; The Dead Weather; The Black Keys; The Strokes; The Dirtbombs; The Kills; The Raveonettes; Death From Above 1979; The Come-Ons; Sons And Daughters; 22-20s; Thee Shams; The Greenhornes; The Blueskins; Soledad Brothers; Muddy Waters; Howlin' Wolf; Robert Johnson; R.L. Burnside; Screamin' Jay Hawkins; Willie Dixon; Blind Willie McTell; Loretta Lynn; The Delta '72; The Sonics; The Von Bondies; The Detroit Cobras; Pussy Galore; Royal Trux; Blues Explosion; The Jon Spencer Blues Explosion; Burning Brides; Archie Bronson Outfit; The Stooges; MC5; Led Zeppelin; Yardbirds; Tom Waits; The Fiery Furnaces; Matthew Friedberger; Deerhoof
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