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Cabaret Voltaire - Shadow of fear

Cabaret Voltaire- Shadow of fear

Mute / PIAS / Rough Trade
VÖ: 20.11.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Wieder zu Haus

Irgendwann hängen einem diese ollen Kamellen einfach zu den Ohren raus. Nehmen wir Cabaret Voltaire. Nichts gegen die zahlreichen Compilations, von denen "#7885 (Electropunk to technopop 1978 - 1985)" nur die jüngste ist – Musik von vorgestern bleibt es dennoch. Und wie sich der frühe Noise-Hit "Nag nag nag" penetrant durch die Diskotheken fräst, will ohnehin niemand mehr hören. Zugegeben: arg überspitzt ausgedrückt. Schließlich sind die Platten der Sheffielder Industrial- und Elektro-Pioniere nach wie vor legendär und für die Entwicklung von EBM, Cold Wave und Techno nicht hoch genug zu bewerten. Richard H. Kirk, Mastermind und inzwischen einziges Mitglied, räumt das gerne ein – wünscht aber anlässlich des ersten Cabaret-Voltaire-Longplayers seit 26 Jahren nicht auf Vergangenes angesprochen zu werden. Keine Bange: Machen wir nicht.

Trotzdem wird Kirk kaum bestreiten, dass "Shadow of fear" Spuren stilbildender Alben wie "The crackdown" oder "The covenant, the sword and the arm of the Lord" enthält – auch wenn Chris Watson bereits 1981 ausstieg und Stephen Mallinder 1994 nach "The conversation" seinen Hut nahm. Dieser fabrizierte zuletzt mit Wrangler auf "A situation" frostigen Elektro-Pop – und genau das gehört zu den Dingen, die für Kirk bei seinem Comeback unter altem Namen nicht in die Tüte kommen: Pop. Gesang, Melodien, Eingängigkeit? Keine Option, und Gitarren gibt es nur aus der Konserve. Auch typische Body-Music-Strukturen bleiben weitgehend draußen – zugunsten der technokratischen Strenge von Clock DVA oder dem kaltgepressten Funk, den einst Hula ihren Maschinen abrangen. Nanu, auch alle aus Sheffield? Na dann: Herzlich willkommen zu Haus.

Da verwundert es nicht, dass "Shadow of fear" eine gewisse Zeit braucht, bis die analogen Geräte warmgelaufen sind und gerade zu Beginn ausgesucht spröde Momente wie "Be free" oder "Night of the jackal" warten. Doch je unablässiger die Sprach-Samples unheilvolle Dinge wiederholen und die emulierten Percussions klickern und klackern, desto tiefer graben sich diese Tracks ins Bewusstsein und reißen es mit perfide gesetzten Sollbruchstellen auf: Die Beats des nahezu wissenschaftlich verschachtelten "Microscopic flesh fragment" haken dabei nur vordergründig, bis das Stück in eine Endloschleife gerät und man sich daran erinnert, dass Dub-Papst und On-U-Sound-Macher Adrian Sherwood 1987 das Album "Code" mitproduzierte. Und wer bisher nicht wusste, was der CD-Mann auf dem Flohmarkt mit der Kategorie "Hypno" meint, weiß es spätestens jetzt.

Ab diesem Augenblick kann sich Kirk so gut wie alles erlauben – auch wohlplatzierte Rückgriffe und Verweise. Etwa die verrauschte Rhythmusmaschine von "Papa nine zero delta united", die wie aus "Nag nag nag" in die Gegenwart verpflanzt wirkt und sich mit einem schorfigen Riff-Loop herumschlagen muss. Dass der Brite in den Neunzigern als Sweet Exorcist oder Sandoz den Minimal-Techno nicht erfand, aber über die düsteren Dörfer jagte, stellt "Universal energy" in geschlagenen elf Minuten noch einmal klar, und die Sequenz der Bomben-Single "Vasto" verhandelt mit den Quasi-Zeitgenossen Front 242 über die Inspiration von deren voluminöser "Happiness"-Basslinie. "What's goin' on" fragt "Shadow of fear" abschließend über einer drohenden Bläser-Batterie – und lässt die Vergangenheit endgültig ruhen. Bei einem Album wie diesem fällt das umso leichter.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Papa nine zero delta united
  • Vasto
  • What's goin' on

Tracklist

  1. Be free
  2. The power (of their knowledge)
  3. Night of the jackal
  4. Microscopic flesh fragment
  5. Papa nine zero delta united
  6. Universal energy
  7. Vasto
  8. What's goin' on

Gesamtspielzeit: 58:22 min.

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User Beitrag

kingbritt

Postings: 5161

Registriert seit 31.08.2016

2020-11-25 12:21:32 Uhr

. . . gerade mal reingehört. Klingt schon nach ihren typischen Basics, ja, könnte ne Produktion aus den 80'ern sein, herrlich Analoges aus der Dinozeit der Techno/ElktroPioniere.
Ist das im Trend? Ähnlich wie Underworld, die ihrerseits aber nicht alle Zeit verpennt haben und etwas zeitgemäße electronica mit angenommen haben. Auf jedem Fall, ne schöne Zeitreise mit ordentlich rhythmischen bpm.

kingbritt

Postings: 5161

Registriert seit 31.08.2016

2020-11-24 20:40:43 Uhr
Zum CV Einstieg kam 2002 raus, interessant: "The Original Sound of Sheffield '78/'82".

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2020-11-24 20:30:08 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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