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Dark Tranquillity - Moment

Dark Tranquillity- Moment

Century Media / Sony
VÖ: 20.11.2020

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Aufgemischt

Es gibt Besetzungswechsel in einer Band, die üblicherweise eine tiefe Zäsur darstellen. Die Wechsel des Drummers bei Spinal Tap ist natürlich pure Comedy, aber es gibt nun einmal prägende Figuren. Neben dem Posten am Mikrofon betrifft das üblicherweise Gitarristen, die – je nach Persönlichkeit – entweder Rampensäue vor dem Herrn sind oder als stille Veteranen den Laden zusammenhalten. Insofern hatten die schwedischen Melodic-Death-Metaller Dark Tranquillity Glück im Unglück, als Niklas Sundin, der die Vorgängerband Septic Broiler im zarten Alter von 15 Jahren mit ins Leben rief, seinen endgültigen Rücktritt erklärte, um sich in Zukunft mehr um seine Familie zu kümmern. Glück deshalb, weil Sundin schon seit einigen Jahren nicht mehr mit auf Tour ging und dort von gleich zwei Klampfern vertreten wurde und von Johan Reinholdz und dem zuvor unter anderem bei Arch Enemy tätigen Christopher Amott ersetzt wurde – die dann konsequenterweise umgehend als neue feste Bandmitglieder bestätigt wurden.

Zumindest in Hinblick auf die Sechssaiter kann man also davon ausgehen, dass "Moment" zunächst auf gewohnten Pfaden wandeln wird. Und der Opener "Phantom days" bestätigt dies, ist nach wenigen Sekunden als Dark-Tranquillity-Song erkennbar. Dass die Skandinavier brutale Death-Metal-Passagen mit wunderbaren Hooks zu vermischen in der Lage sind, dürfte auf dem mittlerweile zwölften Studioalbum nicht mehr als Breaking News zu verbuchen, und spätestens bei "Identical to none" läuft die zum Sextett gewachsene Band zu Hochform auf. Rasender Strophenteil, der in einen wuchtigen Refrain mündet, dazu die giftig gefauchten Vocals von Frontmann Mikael Stanne – das hat auf jeden Fall das Potenzial für einen ausgewiesenen Moshpit-Tornado. Das heißt natürlich, wenn es denn nach dieser unseligen Corona-Pandemie wieder einmal Moshpits gibt.

Plötzlich der vermeintliche Bruch. Ein feines Keyboard-Intro. Und Stanne, der "The dark unbroken" anfangs noch in gewohnter Manier einheizt, wechselt abrupt zu einem klar gesungenen Refrain – so abrupt, dass man zuerst überrascht innehält. Nochmal hineinhört. Und dann diesen Stimmungswechsel staunend hinnimmt. Was auch gut so ist, denn das darauf folgende "Remain in the unknown" führt diesen Wechsel noch viel radikaler fort. Beinahe zerbrechlich klingt Stannes Gesang im Strophenteil, und der gegrowlte Refrain verstärkt diese Verletztlichkeit nur. Schon auf früheren Alben hatte der Frontmann sich im Klargesang versucht, besonders radikal auf dem für viele Fans zu experimentellen Album "Projector" von 1999. So schlüssig wie hier ist es ihm jedoch nur selten gelungen – so manche überragende Hook wie im Refrain von "Standstill" trägt sicherlich ihr Scherflein dazu bei.

Dass diese Eingängigkeit nicht im Widerspruch zu knallhartem Geprügel stehen muss, zeigt exemplarisch das düstere "A drawn out exit", das vor allem von seinem Wechselspiel aus filigraner Gitarrenarbeit und bösartiger, beinahe schon aus dem Black Metal entlehnten Raserei lebt. Ein Wechselspiel, das "Failstate" und das abschließende "In truth divided" gar nicht erst probieren: Jeder Song lebt in seiner eigenen Welt. Denn während "Failstate" mit seinem barbarischen Refrain nur Kleinholz hinterlässt, bleibt "In truth divided" konsequent im epischen Düster-Rock und verbindet dabei Einflüsse, die bis hin zu – ja, tatsächlich! – Depeche Mode reichen, klingt Stanne doch in den Strophen durchaus wie Martin L. Gore. Dass dies nicht jedem gefallen dürfte, der ähnliche Ausreißer auf früheren Alben schon nicht goutierte, dürfte klar sein – in dieser Form ergibt dieser düstere Abschluss jedoch absolut Sinn. Seine Stärke zeigt "Moment" daher nicht in individuellen Songs, denn darin gibt es ohnehin keine Zweifel. Sondern in der Fähigkeit der Schweden, mit Stimmungen zu spielen, dabei auch völlig radikale Wege zu gehen – doch am Ende die immer noch eigene Identität nicht zu verleugnen.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Identical to none
  • The dark unbroken
  • Failstate
  • In truth divided

Tracklist

  1. Phantom days
  2. Transient
  3. Identical to none
  4. The dark unbroken
  5. Remain in the unknown
  6. Standstill
  7. Ego deception
  8. A drawn out exit
  9. Eyes of the world
  10. Failstate
  11. Empires lost to time
  12. In truth divided

Gesamtspielzeit: 50:04 min.

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User Beitrag

MasterOfDisaster69

Postings: 936

Registriert seit 19.05.2014

2020-11-24 15:10:15 Uhr
solide.
danke fuer die Rezension.

https://www.youtube.com/watch?v=2ug2G16deYQ

7/10 geht i.O.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2020-11-18 20:44:05 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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