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Benee - Hey u x

Benee- Hey u x

Republic / Universal
VÖ: 13.11.2020

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

No shame

In Neuseeland ticken die Uhren anders. Nicht nur geografisch geht das Land der Hobbits und drastischen Arterhaltungsmaßnahmen mit der eurozentrischen Welt auf äußerste Distanz, es streift auch eine gewisse Pandemie maximal peripher. Dank verschwindend geringer Infektionszahlen durfte Stella Rose Bennett ihr Debütalbum gar in der ausverkauften Sparks-Arena Aucklands vorstellen. Für eine 20-Jährige wäre das sicherlich auch außerhalb von Krisenzeiten ein unvorstellbares Großereignis, doch Benee ist keine normale 20-Jährige. Für ihre ersten EPs und Singles überhäufte sie ihre Heimat mit Preisen und seit der TikTok-Isolationshymne "Supalonely" samt millionenfacher Streams kennt man sie auch auf anderen Breitengraden. Kurz: Die Krone als größter neuseeländischer Pop-Export seit Lorde darf sich Benee ruhig schon mal aufsetzen. Mit den kühlen, kargen Beats eines "Pure heroine" hat ihre Musik allerdings wenig am Hut, wirkt stattdessen wie die aufgeputschte Schwester von Billie Eilish. "Hey u x" schießt stilistisch wild in alle Richtungen, fußt dabei aber nicht auf sedativem TripHop, sondern vermatscht Trap-Beats mit Indie-Gitarren und buntem Elektro-Pop. Unter adelnder Beteiligung der Genre-Queens Grimes und Lily Allen macht die Chose enorm viel Spaß, schöpft aber nicht ihr ganzes Potenzial aus.

Im Grunde legt die Platte konstant falsche Fährten. Im Gitarrenhall des Openers "Happen to me" schwebt eine kleine Introspektion um Angst und Unsicherheit, beständig befeuert von The-National-Drums. Das ebenfalls minimalistische "Same effect" haucht süße Liebesbekundungen über seine Saiten und verfeinert sie mit Marimba-ähnlichen Akzenten. Kaum will der gemeine Indie-Fan Benee als nächste vielversprechende Singer-Songwriterin abspeichern, brettert "Sheesh" los: Überdrehte Rave-Synths schlängeln sich um einen Drum'n'Bass-Galopp, während Autotune-Vocals vom BMW eines neuen Lovers nuscheln. Doch spätestens, wenn Grimes wie die kosmische Präsenz, für die sie sich ohnehin längst hält, durch den dichten Nebel strahlt, hat man den stilistischen Schock überwunden und erkennt den besten, weil mitreißendsten Track des Albums. Da kommt auch der offizielle Über-Hit "Supalonely" nicht ganz ran, zu dessen "I'm a lonely bitch"-Refrain sich schon unzählige Teenie-Lippen formten. Die hier verarbeiteten Selbstzweifel sind im Lily-Allen-Feature "Plain" – das übrigens hervorragend auf "No shame" gepasst hätte – gegessen. In ihren geschmackvollen Pop-Zuckerguss verpacken die Britin und die Kiwi-Frau eine giftige Abrechnung mit dem Ex und seiner Neuen: "Seems you've finally found a replacement / Bet when she's in your bed she fakes it."

So offen fletscht Benee aber sonst selten die Zähne, die meiste Zeit über inszeniert sie sich als quirky Träumerin. "Snail" erzählt von einer Schnecke, die ihren Menschenfreund vermisst, vermengt dabei Schlafzimmer-Pop mit clubbigem Bass und unbeholfenen Raps. In "Night garden" hat die Heldin derweil keine Berührungsängste mit einem vor ihrer Haustür wohnenden Monster und der verkappte Reggae von Produzent Kenny Beats schenkt der Liaison einen unheilvollen Unterton. "I'm not very cool / I suck, I want to be like you", beklagt der schwungvolle Synth-Funk von "Kool" und man muss ein bisschen die Augen rollen, weil die ungerührte Außenseiterin doch eigentlich die Coolste von allen ist. Ihr Charme und Selbstbewusstsein können die zweite Hälfte von "Hey u x" jedoch nicht vor ein paar drögeren Momenten retten: Die etwas schwerfälligen Space-Rock-Versuche von "All the time" und "Winter" wollen ebenso wenig richtig zünden wie das fragile "A little while". Erst das finale "C u" weiß als akustische Abschiedsballade ohne Groll auch in der Reduktion zu gefallen. Die jüngere Pop-Geschichte hat sicher noch eindrucksvollere Debüts gesehen, doch mit ihrer Abenteuerlust beweist Benee, dass sie mehr als nur ein TikTok-Hype ist. Um ihren südpazifischen Thron muss Lorde aber zunächst noch nicht so sehr bangen wie neuseeländische Wildkatzen um ihre Unversehrtheit.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Happen to me
  • Sheesh (feat. Grimes)
  • Plain (feat. Lily Allen & Flo Milli)

Tracklist

  1. Happen to me
  2. Same effect
  3. Sheesh (feat. Grimes)
  4. Supalonely (feat. Gus Dapperton)
  5. Snail
  6. Plain (feat. Lily Allen & Flo Milli)
  7. Kool
  8. Winter (feat. Mallrat)
  9. A little while
  10. Night garden (feat. Kenny Beats & Bakar)
  11. All the time (feat. Muroki)
  12. If I get to meet you
  13. C u

Gesamtspielzeit: 44:13 min.

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User Beitrag

Klaus

Postings: 8934

Registriert seit 22.08.2019

2020-11-20 14:02:08 Uhr
Mal kurz ob der Referenzen reingezappt.

Ne, das ist nix.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2020-11-18 20:43:03 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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